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Dietzenbacher Autor und Unternehmer Jamal A. Qaiser kritisiert den Westen: „Gibt nichts Schlimmeres als Krieg“

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Von: Stefan Mangold

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Jamal A. Qaiser, Autor und Unternehmer, kritisiert den Westen für dessen Politik im Ukraine-Krieg
Jamal A. Qaiser, Autor und Unternehmer, kritisiert den Westen für dessen Politik im Ukraine-Krieg © man

Der in Pakistan geborene Dietzenbacher Unternehmer Jamal A. Qaiser hat sein nächstes Buch veröffentlicht. Zusammen mit der Wiesbadener Autorin Hang Nguyen schrieb Qaiser „Das Versagen des Westens in Afghanistan, Syrien und der Ukraine.“ Das CDU-Mitglied spricht sich gegen Waffenlieferungen aus. Im Interview mit unserer Zeitung begründet er seine Position.

Ihr Buch dreht sich um die Rolle des Westens, auch in der Ukraine.

Als wir anfingen zu schreiben, dachte kaum jemand, Russland könnte tatsächlich in der Ukraine einmarschieren.

Sie schon?

Ich bin kein Hellseher. Aber wenn Putin mehrfach erklärt, eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato sei das Überschreiten einer roten Linie, was kann man missverstehen?

Die Ukraine ist der Nato bisher nicht beigetreten.

Wenn im Nachbargrundstück ein großer Hund bellt, dessen Nerven blank liegen, warum sollte ich den ständig ärgern? Im September letzten Jahres hielt die Ukraine auch mit US-Soldaten ein Manöver ab. In der seit 2019 geltenden Verfassung steht der Beitritt zur Nato als Ziel. Das wirkt, als stünde im Grundgesetz, erstrebenswert sei es, dass sich alle Bundesbürger bei der HDI-Haftpflicht versichern.

Aber jedes Land kann doch sein Militärbündnis frei wählen?

Nicht jedes Militärbündnis muss aber jedes Land aufnehmen. Sämtliche ehemaligen Staaten des Warschauer Pakts gehören zur Nato, ebenso die einstigen baltischen Sowjetrepubliken. Russland hatte der Erweiterung immer nur schlecht gelaunt zugeschaut. Die USA hingegen drohen zur Zeit der Inselgruppe der Salomonen, sollte China auf ihrem Gebiet einen Militärstützpunkt errichten. Und das, obwohl die Salomonen 12 000 Kilometer von den USA entfernt liegen.

Rechtfertigt die unmittelbare Nachbarschaft den Einmarsch Russlands?

Nein. Es gibt nichts Schlimmeres als Krieg. Es ist kein Zufall, dass wir unser Buch den Kindern in Afghanistan, Syrien und der Ukraine widmen, dort, wo Stellvertreterkriege toben, wo die Großmächte einander gegenüber stehen. Mir wäre es am liebsten gewesen, Russland hätte gesagt, „bitte, liebe USA, nehmt euch auch die Ukraine“. Aber Russland hat das Verständnis einer Großmacht, dazu gehören Atomraketen, mit denen sich nicht nur Europa, sondern auch die USA in Schutt und Asche legen lassen. Manchmal habe ich das Gefühl, die Amerikaner vergessen das.

Warum?

Weil sie weiter Öl ins Feuer gießen. Schweden und Finnland in die Nato aufzunehmen, bedeutet, die Russen immer weiter unter Druck zu setzen. Ein Weltkrieg kommt aber einem Selbstmord gleich.

Ist die Angst vor Russland nicht berechtigt?

Schweden gibt 200 Jahre Unabhängigkeit auf, weil fern der Heimat ein Vierteljahr Krieg herrscht. Russland ist an Pufferstaaten zur Nato interessiert. Wenn ich mit einem Typen im Ort im Streit lebe, will ich möglichst mehrere Grundstücke zwischen uns liegen haben. Den USA ging es in der Kubakrise nicht anders. Die wollten 370 Kilometer von ihrer Küste keine sowjetischen Raketen.

Wie könnte der Krieg zu Ende gehen?

Nicht mit einer militärischen Niederlage Russlands. Das kann sich das Land nicht leisten, Putin schon gar nicht.

Wie sieht ein Ausweg aus?

So einfach wie unrealistisch. Ich kann den Hype um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nicht teilen. Der Mann vertritt nicht die Interessen seines Landes.

Die da wären?

Dass die Menschen im Frieden leben. Selenskyj sollte in den USA anrufen und verlangen, „entweder ihr schließt mit Russland einen Vertrag, die Ukraine in den nächsten 200 Jahren nicht in die Nato aufzunehmen, oder wir kapitulieren“. Die EU müsste ankündigen, bei einem Waffenstillstand die Sanktionen aufzuheben. Der jetzige Zustand schadet allen: den Europäern, den Russen, am meisten aber den Ukrainern, auf deren Terrain die USA und Russland einen Krieg ausfechten. Immer mehr Waffen bedeuten immer mehr Tote und Verletzte, zerstörte Städte und Flüchtlinge. Die Grünen scheinen die Kernenergie doch nicht so gefährlich zu finden. Sonst würden Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht der Lieferung von Kanonen in ein Kriegsgebiet das Wort reden, das voller Atommeiler steht. Die einzigen, die am Istzustand berechtigten Gefallen finden, sind die Aktionäre von Rüstungskonzernen. Die europäischen und amerikanischen Bürger dürfen deren Hausse ebenso bezahlen wie die Folgen der Sanktionen.

Das Gespräch führte Stefan Mangold

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