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Ein Schulleiter zum Anfassen

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Von: Ronny Paul

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Georg Köhler geht regelmäßig in den Pausen über den Hof der Ernst-Reuter-Schule. (c)Foto: ron
Georg Köhler geht regelmäßig in den Pausen über den Hof der Ernst-Reuter-Schule. (c)Foto: ron

Dietzenbach - Der Leiter der Ernst-Reuter-Schule ist nicht nur Doktor der Chemie, sondern auch Schlagzeuger. In erster Linie ist Georg Köhler aber ein Pädagoge, der mit viel positiver Verstärkung arbeitet. Von Ronny Paul

Georg Köhler ist ein Schulleiter zum Anfassen. Große Pause in der Ernst-Reuter-Schule (ERS): Köhler geht über den Schulhof. „Herr Köhler, Herr Köhler“, ruft eine Schülerin. Der 55-Jährige zögert nicht, hebt seine Hand und klatscht mit „High Five“ ab. Die Schülerin freut sich. „Das machen wir immer, wenn wir uns sehen“, sagt Köhler, lächelt und geht Richtung Schulkiosk. Eine gelbe Linie kennzeichnet den Bereich, wo sich die Schüler für Essen und Getränke anstellen, „damit es kein Geschubse gibt“. Mit orangenen Westen gekleidet, achten Schüler darauf, dass alles seinen geordneten Weg geht.

1169 Schüler besuchen die Kooperative Gesamtschule, 100 Lehrer gestalten den Unterricht, seit 2009 ist Köhler Leiter. „Wir haben keinen Platz mehr“, beklagt er. Erst im Januar vergangenen Jahres hat die ERS ein Gebäude für vier Klassen in Holzbauweise bekommen, weil die Raumnot groß war und Räume doppelt und dreifach besetzt werden mussten. Die neuen Klassen sind beliebt, „die Kinder sind hier anders“, berichtet Köhler. Obwohl sich „die Lehrer darum hauen, wer ins Holzgebäude darf“, waren die vier zusätzlichen Räume wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Acht fünfte Klassen gibt’s aktuell an der ERS. Die Tendenz scheint steigend: „Keine Ahnung, wie es weiter geht, Dietzenbach wächst weiter.“

Eigentlich würde der studierte Deutsch- und Chemielehrer – Köhler hat einen Doktortitel in Chemie – viel lieber mehr Zeit mit seinen Schülern verbringen, mit ihnen Gedichte interpretieren oder experimentelle Chemie betreiben. Allerdings gehören zum Job eines Schulleiters vor allem organisatorische und bürokratische Aufgaben: etwa Dienstbesprechungen, Lehrerkonferenzen, Haushaltssitzungen, dienstliche Beurteilungen schreiben, Prüfungen terminieren. „Organisation ist die Hälfte meiner Tätigkeit“, sagt Köhler. Das fängt schon morgens auf dem Weg zur Schule an. Da hat der 55-Jährige sein Ritual: „Ich diktiere mir jeden Tag meinen To-do-Zettel ins Handy.“ Und im Büro angekommen, werden als erstes die E-Mails gecheckt. „Ich vermisse schon den Lehrer-Job, weil die Verwaltungstätigkeiten zugenommen haben.“

Er setzt seine Runde über den Schulhof fort: „Das gehört für mich einfach dazu, die Schüler wertschätzen das.“ Köhler, der die ERS selbst als Schüler besucht hat, passiert die Toiletten, die ebenfalls durch eine gelbe Linie getrennt sind. Ein Lehrer und eine Lehrerin beaufsichtigen die Zone, schauen, dass jeder aufs Klo kommt. „Früher gab es Riesenschlangen, die Kleinen kamen nicht durch.“

„Hallo Herr Köhler, sie wollten mir doch einen Kuchen bringen“, ruft ein Schüler. „Achja“, antwortet der Schulleiter und sagt zu, bald sein Versprechen einzulösen: „Mehmet hat recht, ich schulde ihm noch einen Kuchen.“ Warum, wisse er nicht mehr genau: „Ich verschenke gerne Kuchen, weil ich gerne backe“, sagt er und schmunzelt. „Ich verwende viel Zeit auf positive Verstärkung“, sagt er.

Die große Pause ist um, bevor es zurück in sein Büro geht, zeigt Köhler ein Schlagzeug, das in der Aula steht. Das sei ziemlich heruntergespielt gewesen, sagt Köhler, der seit 1991 für die Band „X-It“ trommelt. Er habe es sauber gemacht, die Felle gewechselt und mit Becken bestückt. „Es macht Spaß, daran rumzuschrauben.“ Der Versuchung, sich mal kurz daran auszutoben, könne er meist nicht widerstehen, sagt er mit einem Augenzwinkern.

So freundlich er ist, so muss Köhler auch manchmal Tacheles mit den Schülern reden: „In wenigen Fällen haben meine Ansagen an die Schüler keinen Erfolg.“ Meist reiche ein böser Blick, und die Schüler wüssten Bescheid. In fast allen Fällen könne man mit den wildesten Schülern in Eins-zu-eins-Situationen gut reden. „Manchmal entstehen echte Vertrauensverhältnisse mit Kindern, die schon mal bei mir gesessen haben“, berichtet Köhler und ergänzt: „So wie bei dem Abklatscher auf dem Schulhof.“

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