Jürgen Thomen gibt Leitung der Behindertenhilfe-Wohnheime ab

Er hat seine Einrichtungen geprägt wie kaum ein anderer: Seit fast drei Jahrzehnten widmet sich Jürgen Thomen, Leiter des Wohnverbunds Dietzenbach/Rödermark der Behindertenhilfe in Stadt und Kreis Offenbach, der Aufgabe, Menschen mit Behinderung auf ihrem Lebensweg zu begleiten. In Dietzenbach hat er nicht nur die Philipp-Jäger-Wohnanlage am Kindäcker Weg aufgebaut, sondern auch das benachbarte Waldemar-Klein-Haus mitgegründet. Ebenso steht das Wilhelm-Thomin-Haus in Rödermark unter seiner Leitung. Jetzt hat sich der 61-Jährige entschlossen, etwas Neues zu beginnen. Künftig will sich Thomen innerhalb der Organisation unter anderem dem immer bedeutenderen Thema Arbeitsschutz widmen.
Dietzenbach – Am 1. April 1995 hatte der junge Sozialarbeiter seine Tätigkeit bei der Behindertenhilfe aufgenommen. Und musste gleich „ins kalte Wasser springen“. Von der Philipp-Jäger-Wohnanlage stand gerade eine Mauer, den Rest musste sich der neue Leiter mithilfe von Plänen vorstellen und dazu eine Struktur für die späteren Bewohner entwickeln.
„Eine gewisse Naivität und die damit verbundene Risikobereitschaft hilft manchmal“, erinnert er sich. Mitgebracht hatte er nicht nur Erfahrung aus seiner Arbeit in heilpädagogischen Einrichtungen und bei der Heimaufsicht. Thomen hatte bereits ein dichtes Netzwerk mit unterschiedlichen Trägern geknüpft. „Wir haben uns ausgetauscht und nach Bewährtem und zukunftsfähigen Ansätzen gesucht.“ Das sei notwendig gewesen in einer Zeit, in der sich die Versorgung von Menschen mit Behinderung vollkommen geändert habe. „Es ging um die Enthospitalisierung in der Psychiatrie, viele Betroffene waren in Heimen untergebracht und dort fehlplatziert“, erzählt Thomen. Gewollt war stattdessen ein heimatnahes Leben mit so viel Selbstständigkeit wie möglich.
Mit seinen Mitarbeitern entwickelte Thomen das Konzept der Wohnanlage. „Noch heute überdenken wir regelmäßig unser Tun“, erzählt er. Schnell erwarb sich das Haus in Dietzenbach den Ruf, beste Gegebenheiten für Menschen mit besonderem und hohem Pflegebedarf zu bieten. „Geht nicht, gibt’s nicht bei uns“, sagt der scheidende Einrichtungsleiter. Grundlegend sei dabei immer die innere Haltung. „Es geht um Menschlichkeit und Würde. Wir pflegen und betreuen so, wie wir es uns für uns selbst wünschen würden.“
Im Lauf der Jahre hat Thomen dafür gesorgt, dass die Jäger-Wohnanlage und das 2016 eröffnet Klein-Haus selbstverständlicher Teil der Stadt sind. „Ich habe immer beharrlich daran gearbeitet, aufzuklären. Es geht nicht darum, dass die Bewohner die Bedauernswerten sind, für die man etwas tun muss, es geht um Respekt und Teilhabe“, stellt er fest.
Entsprechend hat er Kontakte zu Kirchengemeinden geknüpft, zu Vereinen und dem örtlichen Lions-Club, der die Arbeit seit vielen Jahren unterstützt. Thomen initiierte Freizeiten und Therapien und setzte auf intensive Elternarbeit. Dazu die ständige Suche nach Nachwuchs in Pflege und Betreuung. Zudem gründete der Einrichtungsleiter den Förderverein des Wohnverbunds mit.
„Wir waren wie eine Familie und haben einen hochprofessionellen Rahmen geboten“, zieht Thomen Bilanz. Die notwendige Kraft für seine Arbeit hat er sich in all den Jahren nicht nur in seinen Glaubensgrundsätzen geholt. „Ich habe einen Grundoptimismus“, erzählt er.
Und dann seien da noch das Singen im Chor und die körperliche Bewegung. Fast jeden Tag ist er von seinem Wohnort Darmstadt mit dem Fahrrad nach Dietzenbach und zurück gefahren. „Das macht den Kopf frei“, stellt er fest. Dazu seien ein „toller Arbeitgeber“ und Unterstützer wie Waldemar Klein und Philipp Jäger gekommen. Gestärkt hätten ihn auch die Mitarbeiter, die zum Teil seit Jahrzehnten mitwirken.
In der Corona-Pandemie sei es vor allem darum gegangen, Leben zu retten, was gut gelungen sei. „Ich kann die Häuser gut aufgestellt übergeben, sie müssen sich nach Corona aber ein Stück weit neu erfinden.“
Im Mittelpunkt der Arbeit von Jürgen Thomen stehen künftig die Themen Arbeits- und Datenschutz, denen er sich bereits seit Längerem widmet und die dann seine ganze Aufmerksamkeit haben. Aber ein bisschen bleibt er „seinen Häusern“ doch erhalten, im Förderverein wird er als Schriftführer mitwirken.