Etappensieg für Verbraucher

Seit Jahren kämpfen zwei Interessengruppen gegen die ihrer Meinung nach überteuerten Preise der Fernwärme in Dietzenbach. Eine neue Verordnung des Bundesrats feiern sie nun als Etappensieg, sehen ihren Kampf allerdings noch lange nicht am Ende.
Dietzenbach – Wie bereits mehrfach berichtet, kritisieren die Interessengemeinschaft Energie Dietzenbach und die Interessengemeinschaft EVO unter anderem eine intransparente Preispolitik, den Anschlusszwang für Dietzenbacher und die Monopolstellung des Anbieters Energieversorgung Dietzenbach (EVD), eine gemeinsame Tochtergesellschaft der Dietzenbacher Stadtwerke und der Energieversorgung Offenbach (EVO).
Neue Verordnung sorge für Transparenz,
Auch Gerichte haben sich bereits mit dem Thema Fernwärme beschäftigt. Schon 2015 hatten die Fernwärme-Verbraucher gemeinsam mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) gegen die einseitige Einführung eines neuen Fernwärme-Preissystems geklagt. Über mehrere Instanzen war der Rechtsstreit zuletzt beim Bundesgerichtshof (BGH) gelandet, der im April entschied, dass die Informationsschreiben der EVD zu den neuen Preisen rechtmäßig gewesen seien. Verbraucher und Erzeuger interpretierten das Urteil jedoch unterschiedlich: Für die Stadtwerke waren mit diesem Urteil die einseitig geänderten Verträge und neuen Preisformeln gültig, für die Interessengemeinschaften bezog sich das Urteil nur auf die Rechtmäßigkeit der Schreiben, nicht jedoch auf die einseitige Vertragsänderung.
Nun haben die Interessengemeinschaften jedoch auf einer anderen Ebene einen – wie sie es formulieren – „Etappensieg“ errungen, denn der Gesetzgeber hat die Regeln geändert: Seit Anfang Oktober ist eine Verordnung des Bundesrats gültig. In dieser heißt es unter anderem: „Eine Änderung einer Preisänderungsklausel darf nicht einseitig durch öffentliche Bekanntgabe erfolgen.“
„Wir freuen uns darüber, dass unsere Argumente und Anregungen in die Gesetzgebung eingeflossen“, heißt es von der Interessensgemeinschaft EVO. „Der Anbieter darf nun die Verträge nicht mehr einseitig ändern, sondern die Kunden müssen einer Änderung zustimmen“, erläutert Sprecher Manfred Schaffeld. Der Gesetzgeber verpflichte damit den Erzeuger zu einer „verständlichen, nachvollziehbaren und transparenten“ Preispolitik, ergänzt Mitstreiter Karlheinz Krämer. Zwar dürfe die EVD weiterhin „im Rahmen der Vereinbarung die Preise ändern“, aber sie könne nun nicht mehr die „Spielregeln“ einseitig selbst bestimmen. Die neue Verordnung sorge außerdem für Transparenz, und die Verbraucher könnten nun den Anschlusswert reduzieren, etwa durch energetische Maßnahmen an ihrem Gebäude. Das war zwar schon vorher möglich, dabei sei man jedoch dem guten Willen der Erzeuger ausgeliefert gewesen.
„Die Lobbygruppen haben ganz andere Mittel als wir“
Auch für Doris Schamell von der Interessensgemeinschaft Energie ist die neue Verordnung eine Bestätigung für das Engagement der Interessengemeinschaften: „Wir haben das Vorgehen der Anbieter schon seit 2015 bemängelt, dagegen geklagt und Einspruch gegen die Rechnungen eingelegt.“ Nun müsse man schauen, welche konkreten Auswirkungen die neue Gesetzeslage habe. „Wir sind als Verbraucher jedoch weiterhin in dem Monopol gefangen“, kritisiert sie. Die Fernwärme-Preise seien nach wie vor doppelt so teuer wie Gas und Öl und die CO2-Abgabe höher als bei anderen Anbietern. Schamell hofft, dass sich die Stadt als Anteilseigner für die Fernwärme-Kunden einsetzt, sie schlägt zum Beispiel ein „Nahwärme-Konzept“ vor, da bei der Fernwärme bis zu 20 Prozent der Energie verloren gingen. Auch Schaffeld fordert weitere Maßnahmen wie die Aufhebung von Monopol und Anschlusszwangs, die Erzeugung von Fernwärme in kommunaler Hand und die Einbindung alternativer Energieformen. Doch die Interessengruppen befürchten auch Gegenwind von den Erzeugern: „Die Lobbygruppen haben ganz andere Mittel als wir, die schmeißen mit Gutachten um sich“, sagt Karlheinz Kremer.
„Wir freuen uns auch darüber, dass die gesetzliche Änderung gekommen ist. Wir fühlen uns im Vorgehen bestätigt, bereits seit einigen Jahren mit den Kunden zweiseitige Verträge zu schließen und zusätzlich das Instrument der öffentlichen Bekanntmachung zu nutzen“, begrüßt EVO-Sprecher Harald Hofmann die Verordnung. Die jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen habe man nur geführt, um „Rechtsklarheit“ zu erhalten, außerdem sei es dabei auch um andere Vorwürfe wie Ausnutzung einer Monopolstellung gegangen. „Uns war wichtig, deutlich zu machen, dass unser Vorgehen zulässig war.“ Rückerstattungsforderungen befürchte man nicht: „Diese gesetzliche Grundlage tritt ab sofort in Kraft, hat keine Rückwirkung. Daher sehen wir keine Erstattungsansprüche.“ Die Interessengemeinschaften hingegen wollen noch das nächste BGH-Urteil abwarten, in dem es um die Erstattung erhöhter Rechnungen gehe. „Wir gehen davon aus, dass auch rückwirkend eine Erstattung möglich sein wird.“ (Niels Britsch)