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Brennpunkt-Viertel: Geheime Diskussion erntet scharfe Kritik – „völlig unerklärlich“

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Von: Niels Britsch

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Auch ein schöner Regenbogen vermag nicht über die Zustände im Spessartviertel hinwegzutäuschen: Schon seit Jahrzehnten diskutiert die Politik, wie man die Probleme in dem sozialen Brennpunkt lösen kann.
Auch ein schöner Regenbogen vermag nicht über die Zustände im Spessartviertel hinwegzutäuschen: Schon seit Jahrzehnten diskutiert die Politik, wie man die Probleme in dem sozialen Brennpunkt lösen kann. © Dreger

Das Spessartviertel ist ein sozialer Brennpunkt in Dietzenbach. Nun wird über Ideen zur Verbesserung der Situation diskutiert – die Art und Weise ruft aber Kritik hervor.

Dietzenbach – Nach den Krawallen im Spessartviertel gab es viele Vorschläge zur Zukunft des sozialen Brennpunkts. Einen Antrag dazu wollen die Stadtverordneten nun erst einmal hinter verschlossenen Türen diskutieren. Das Vorgehen erntet Kritik.

Als im Mai 2020 Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr im Spessartviertel in einen Hinterhalt gelockt und angegriffen wurden, war das Entsetzen groß. Die Kreisstadt Dietzenbach war überregional in den Negativ-Schlagzeilen und Kommunalpolitiker überschlugen sich mit Ideen, wie man mit dem sozialen Brennpunkt Spessartviertel verfahren müsse. So schlug etwa der CDU-Stadtverordnete und ehemalige Bürgermeister Stephan Gieseler in einem Interview unter anderem einen Teilrückbau der Hochhäuser vor.

Spessartviertel in Dietzenbach (Kreis Offenbach): Freie Wähler befürchten „Enteignung“

Dieser Vorschlag rief damals wiederum die Fraktionsgemeinschaft von Freien Wählern (FW-UDS) und Dietzenbacher Liste (DL) auf den Plan, die in einem Antrag eine Klarstellung vom Magistrat forderten, dass „weder unter finanziellen noch unter ethischen Aspekten eine Reduzierung der Geschosszahl“ geplant sei „und deshalb eine mögliche Enteignung auch langfristig nicht zu befürchten ist“. Der Antrag wurde im Dezember 2020 im Haupt- und Finanzausschuss öffentlich diskutiert und abgestimmt (SPD und CDU lehnten ihn ab, Grüne und AfD enthielten sich), in der darauffolgenden Sitzung der Stadtverordnetenversammlung (SVV) wurde der Punkt jedoch vertagt.

Nun, ein knappes Jahr später – die Mehrheiten in der SVV haben sich geändert und die gemeinsame Fraktion von FW-UDS und DL existiert nicht mehr – steht der Antrag „Festigung der Rechtssicherheit in der Wohnanlage Rosenpark“ erneut auf der Agenda, allerdings im nichtöffentlichen Teil der Sitzung.

Spessartviertel in Dietzenbach (Kreis Offenbach): Diskussion über Hochhäuser schon lange

„Ein Ausschluss der Öffentlichkeit kann nur unter ganz bestimmten Kriterien getroffen werden, dazu gehören unter anderem Datenschutz, aus Gründen des Wohls oder zum Schutz berechtigter Interessen Einzelner“, begründen Stadtverordnetenvorsteherin Andrea Wacker-Hempel und Bürgermeister Dieter Lang auf Anfrage unserer Redaktion in einer gemeinsamen Stellungnahme die Geheimhaltung.

„Die Diskussion über Teilenteignung und Teilabriss der fünf Hochhäuser gibt es seit der Jahrtausendwende. Nach meiner Kenntnis wurden schon damals mehrere Rechtsgutachten durch die Stadt in Auftrag gegeben, die nie veröffentlicht werden durften, obwohl die öffentliche Hand sie mit recht hohen Summen bezahlte.“, erzählt Peter Kunth. Er ist Eigentümer mehrerer Wohnungen dort und bezeichnet die aktuelle politische Debatte als „Geheimniskrämerei“: „Mir ist völlig unerklärlich, warum ein derart brisantes Thema, das manche Bewohner existenziell betrifft, in der Stadtverordnetenversammlung in nichtöffentlicher Sitzung verhandelt wird“, äußert er sein Unverständnis. Eine solche „Taktiererei zulasten der Schwachen“ habe mit Transparenz, demokratischer Teilhabe und Verantwortung für die öffentlichen Belange nichts mehr zu tun.

Spessartviertel in Dietzenbach (Kreis Offenbach): Drogenhandel und Missachtung der Corona-Regeln

Er kritisiert die Zustände in den Hochhäusern – von Drogenhandel, Überbelegung in den Wohnungen, Mietwucher und einer regelmäßigen Missachtung der Corona-Regeln ist die Rede – und verweist auf den Konflikt mit der Hausverwaltung, der seit Jahren auch schon Gerichte beschäftigt. „Alles das in diesem rechtsfreien Raum mitten in Dietzenbach ist den Verantwortlichen in der Dietzenbacher Kommunalpolitik bekannt, wird aber unter den Teppich gekehrt. Das war bei der alten Mehrheit so und setzt sich jetzt offenbar bei der neuen Rathausmehrheit fort“, verleiht Kunth seinem Ärger Ausdruck. So seien auch die Ausschreitungen im Mai 2020 von der Kommunal- und Landespolitik erfolgreich ausgesessen worden. „Die Menschen werden von den Verantwortlichen seit Jahren alleingelassen. Das wird im Hinblick auf die aktuelle Frage im Zweifelsfall nicht anders sein.“

Auch der Verfasser des Antrags, der FW-Stadtverordnete Jens Hinrichsen, kritisiert auf seiner Homepage das Vorgehen von Magistrat und Stadtverordnetenvorsteherin: „Für die kommenden Sitzungen wird von uns der Antrag auf Öffentlichkeit gestellt, denn es war ja gerade das Ziel des Antrages, der Verunsicherung bei Eigentümern und Mietern entgegenzuwirken. Das erreicht man nicht durch nichtöffentliche Diskussionen und Entscheidungen.“ (Niels Britsch)

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