Keine Grabsteine aus Kinderarbeit

Dass auf dem Dietzenbacher Friedhof keine Grabsteine stehen sollen, die von Kinderhänden gefertigt wurden, darüber herrschte in der vergangenen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung (SVV) Einigkeit. Nach Angaben der Koalition aus SPD, Grünen und Linken stammen zwei Drittel der Grabsteine und Einfassungen in Deutschland aus indischen Steinbrüchen, in denen schätzungsweise 150 000 Kinder arbeiten.
Dietzenbach – Allerdings verweigerte die CDU dem Koalitionsantrag, die Friedhofssatzung dahingehend zu ändern, dass es keine entsprechend gefertigten Grabsteine mehr geben soll, zunächst die Zustimmung. Grund dafür war der folgende, in der ursprünglichen Fassung des Antrags enthaltene, Satz: „Kann ein Produkt aus Kinderhand nachgewiesen werden, sind aufgestellte Grabsteine nachträglich auf Verlangen der Friedhofsverwaltung zu entfernen.“ Das konnte insbesondere Christdemokrat Stephan Gieseler nicht unwidersprochen stehen lassen. Denn: „Alles, was die Schädigung von Gräbern betrifft, steht unter Strafe.“ Schließlich handele es sich dabei um die Störung der Totenruhe. Das Abräumen von Grabmälern sei somit eine untragbare Maßnahme. Zumal Angehörige die von Kindern gefertigten Steine wohl meist aus Unwissenheit gekauft hätten. „Man hat sich über dieses Thema lange Zeit überhaupt keine Gedanken gemacht“, so Gieseler.
Edeltraud Chawla, Fraktionsvorsitzende der Grünen, führte hingegen bereits zu Beginn der Debatte an, dass Änderungen an der Friedhofssatzung immer erst mit der getroffenen Entscheidung ihre Gültigkeit hätten. Sie betonte: „Eine Satzungsänderung ist immer nach vorne gerichtet.“ Damit habe alles bislang verbaute Material automatisch Bestandsschutz. Alles, was ab dem nächsten Tag verbaut, beziehungsweise verwendet werde, dürfe indessen nicht mehr aus Kinderarbeit entstanden sein.
Zudem machte Chawla deutlich, dass die Bündnispartner insbesondere den Steinmetz in der Verantwortung sehen, wenn er unter verwerflichen Umständen gefertigte Materialien verwende. „Das nachträgliche Abräumen also trifft die Grabbesteller nur, wenn sie sich aktiv – oder aus Nachlässigkeit – für Material entscheiden, das aus Kinderhand gearbeitet wird“, führte die Fraktionsvorsitzende weiter aus. Dem Steinmetz hingegen müsse seine Zulassung entzogen werden, wenn er trotz der neuen Vorschrift dem Wunsch seiner Kunden entspreche und solcherlei Produkte benutze. Dabei seien es insbesondere diese beiden Akteure, die die Totenruhe, die den Antragstellern „absolut heilig“ sei, störten.
Der CDUler und Jurist Stephan Gieseler gab hierzu jedoch zu bedenken, dass es am Ende nicht die Dienstleister seien, die zur Verantwortung gezogen werden könnten, sondern allein die Angehörigen als Auftraggeber.
Bereits während der vergangenen Sitzung des Finanzausschusses hatten die Stadtverordneten über eine Zertifizierung für die Steinmetzarbeiten diskutiert. Damit sollen die Handwerker künftig nachweisen, dass ihre Produkte auf legalem Wege gewonnen worden sind. Michael Würz, Technischer Betriebsleiter der Städtischen Betriebe, sagte hierzu jedoch: „Die Zertifikate kann sich jeder selbst ausdrucken, sie sind nichts wert.“ Es sei insgesamt schwierig, festzustellen, welcher Stein aus Kinderarbeit stamme und welcher nicht. Man könne lediglich bei denen nachfragen, die sie anfertigten. Doch ob diese die Wahrheit sagen, könne man nicht wissen. Die Koalition erachtete dieses Argument jedoch als zu schwach, um sich nicht klar gegen die Ausbeutung von Kindern zu positionieren. Und wenn es Zweifel an der Echtheit des Zertifikats gebe, solle man die entsprechenden Grabmäler nicht verwenden.
Schlussendlich einigten sich alle Fraktionen auf eine während der SVV geänderte Fassung des ursprünglichen Antrages. Demnach wird der Magistrat damit beauftragt, einen Satzungsentwurf zum Verbot von aus Kinderhand gewonnen Grabsteinen zu verfassen. Dabei soll in dem Entwurf enthalten sein, dass nur noch zertifizierte Steine und Materialien verwendet werden dürfen. Zudem soll geprüft werden, inwiefern es möglich ist, Verstöße bei Neuerrichtungen zu ahnden. (Von Anna Scholze)