Kinderärzte sprechen über ihre Situation – der Druck steigt
Die beiden Kinderärzte Thies Häfner und Bülent Aynal aus dem Kreis Offenbach sprechen über die Situation in ihrem Beruf und darüber, wie sie damit umgehen.
Dietzenbach – Fehlende Ärzte, strenge Vorgaben, hoher Krankenstand: Wie das gesamte Gesundheitssystem stehen auch Kinderärzte derzeit unter einer Belastungsprobe. „Das Problem ist, dass in den letzten Wochen viele Patienten an dem RS-Virus und der Influenza erkrankt sind“, macht Thies Häfner von der Praxis Häfner/Aynal deutlich. Unterstrichen wird die Aussage von seinem Kollegen Bülent Aynal.
Er sagt: „Wir müssen jetzt noch schneller als ohnehin schon von einem Patienten zum nächsten rennen.“ Komme ein Kind mit Atemnot in die Praxis, lasse er alles andere fallen. „Während wir vorher vielleicht einen Patienten im Monat hatten, der am RS-Virus erkrankt war, sind es heute zehn“, verdeutlich Aynal die Situation weiter. Das habe zur Folge, wie beide Mediziner erläutern, dass Patienten mit weniger akuten Symptomen auch mal auf den kommenden Tag vertröstet werden müssen. Dabei sei es an den Sprechstundenhilfen, am Telefon zu entscheiden, welches Kind dringend kommen muss und welches vielleicht noch ein wenig warten kann.

Kinderärzte haben viel zu tun: „Wir bräuchten in Dietzenbach eine weitere Praxis“
Allerdings: Die Mediziner machen deutlich, dass sie als niedergelassene Ärzte im Vergleich zu den Kliniken einen entscheidenden Vorteil haben. „Wir können einfach unsere Arbeitszeit verlängern“, sagt Aynal. In den Krankenhäusern sei eine solche Infektionswelle wie die aktuelle, aufgrund der begrenzten Anzahl von Betten schon deutlich schwieriger zu handhaben. Dort müssten, wie Häfner hinzufügt, die Erkrankten teilweise auf den Fluren oder in den Räumen der Notaufnahme untergebracht werden.
Doch auch die Dietzenbacher Kinderärzte stehen vor erheblichen Herausforderungen. So haben Aynal und Häfner vor drei Jahren entschieden, nur noch Patienten aus Dietzenbach aufzunehmen. Insgesamt versorgen sie 6000 Kinder und Jugendliche in ihren Räumen an der Babenhäuser Straße. „Wir bräuchten in Dietzenbach eine weitere Praxis“, sagt Aynal. Neben der Kinderarztpraxis von ihm und seinem Kollegen gibt es nur noch eine weitere Anlaufstelle in der Kreisstadt.
Kreis Offenbach: Kinderärzte unter Druck – Arbeit und Privatleben sollten die Waage halten
Gleichzeitig machen die Pädiater deutlich, dass ein zusätzlicher Arzt nicht unbedingt den vorhandenen Bedarf abdecken würde. Denn im Vergleich zu früher sei den Medizinern heute viel mehr daran gelegen, dass sich Arbeit und Privatleben die Waage hielten. Hinzukomme, dass die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KV) fordere, dass Kinderärzte lediglich 25 Stunden in der Woche für die Kranken da sein müssen. Aynal und Häfner haben jedoch lange Zeit 50 bis 60 Stunden pro Woche gearbeitet. Und haben ihre Präsenz aktuell auf 45 Stunden reduziert. Weniger Arbeit und Stress hat das jedoch nicht zur Folge. Denn Häfner spricht von einer „dichten Präsenz“, in der die Doktoren von Behandlungsraum zu Behandlungsraum eilen.
„Das Problem ist die Aufteilung, die die KV vornimmt“, sagt Häfner. Man bekomme als Arzt einmal einen Sitz zugeteilt und behalte diesen sein Leben lang. Wenn die Mediziner ihre Stunden je nach Bedarf auf die verschiedenen Standorte aufteilen könnten, sei das Arbeitspensum besser zu schultern.
Der Druck für Kinderärzte im Kreis Offenbach steigt: „Das verunsichert gerade junge Mediziner“
Als weitere Herausforderung machen Thies Häfner und Bülent Aynal die von der KV vorgegebene Budgetierung bei den Leistungen und Medikamenten aus. Viel Spielraum haben sie dabei nicht. Sei es aufgrund der Krankheit des Patienten notwendig, die vorgegebene Summe zu überziehen, müsse man genau darlegen, aus welchen Gründen dies notwendig war oder gar die Ausgaben selbst begleichen. Auch von anderen Ärzten werden Misslagen im System angeprangert.
Das sorge dafür, dass die Ärzte noch mehr dokumentieren müssen als ohnehin schon, sagt Aynal. Hinzukomme, dass sich die Vorgaben von Quartal zu Quartal ändern. „Das verunsichert gerade junge Mediziner“, so Häfner. Und sorge dafür, dass sich einige gegen den Beruf des Kinderarztes entscheiden. Allerdings ist ihm sowie Aynal wohl bewusst, dass die Kassenärztliche Vereinigung nur eine bestimmte Summe zur Verfügung hat, die sie verteilen kann. (Anna Scholze)