„Cyber-Angriffe sind nicht auszuschließen“

Noch ist unklar, welche Folgen die Energiekrise im Winter für die Menschen haben könnte. Im Interview erzählt Landrat Oliver Quilling (CDU), wie sich der Kreis Offenbach als Untere Katastrophenschutzbehörde auf die Situation vorbereitet.
Guten Tag Herr Quilling, welchen direkten Einfluss haben Ukraine-Krieg und Energiekrise auf den Kreis?
Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine spüren wir im Kreis Offenbach. Einerseits haben bislang über 2 400 Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, bei uns Zuflucht und Schutz gefunden. Andererseits führen die Preissteigerungen für Energie auch bei uns zu Mehrkosten. Zudem sind Lieferschwierigkeiten und Kostensteigerungen immer mehr festzustellen, insbesondere beim Schulbau und der Digitalausstattung trifft uns dies.
Befürchten Sie, dass es im Kreis zu Engpässen bei der Energieversorgung kommen kann?
Experten halten dies bundesweit für möglich. Dies ist abhängig von der überregionalen Versorgungslage, dem Verbrauch von uns Gasnutzern und der Temperaturentwicklung des Winters. Auch sind mögliche Cyber-Angriffe – wie kürzlich auf die Deutsche Bahn – nicht auszuschließen.
Wie ist der Kreis allgemein auf Notsituationen vorbereitet?
Als Untere Katastrophenschutzbehörde ist es unsere Aufgabe, uns generell auf Krisenlagen in unserer Region vorzubereiten. Das reicht von Waldbrand über Extremwetter bis hin zu einem großflächigen Stromausfall. Diese Einsatzplanung gibt es bereits seit Längerem.
Hat der Kreis angesichts der außergewöhnlichen Situation auch besondere Maßnahmen ergriffen?
Aufgrund der aktuellen Situation haben wir gemeinsam mit den Kommunen entsprechende weitere Vorplanungen getroffen. So wurden Orte, wie beispielsweise Bürgerhäuser oder Hallen, geprüft, um diese im Notfall für die Betreuung von Menschen, die nicht in ihren Wohnungen versorgt werden können, zu nutzen. Gleichzeitig planen die Kommunen, wo sie Wärmeinseln für die Bevölkerung einrichten können. Ein weiterer Punkt ist die Kommunikation und Information der Menschen bei einem Stromausfall. Darüber hinaus sind wir mit den Ver- und Entsorgern im Austausch. Auch mit den Hilfs- und Katastropheneinheiten sind wir im Gespräch, ebenso mit den Leitungen der Feuerwehren. Regelmäßig finden Lagebesprechungen mit den Kommunen und der Polizei statt. Klar ist aber auch: Der Katastrophenschutz kann keine Ersatzversorgung von Energie sicherstellen.
Können Sie einzelne Maßnahmen wie Wärmeinseln oder das Vorplanen von Betreuungsplätzen im Detail erläutern?
Die Städte und Gemeinden haben geeignete Räumlichkeiten im Hinblick auf Energieversorgung und Belegungen ausgesucht. Wir als Untere Katastrophenschutzbehörde haben mit den Hilfsorganisationen die Vorplanung für die beiden Betreuungsplätze gemacht. Die Vorbereitungen für die Bewirtschaftung der jeweiligen Wärmeinseln liegt in der Hand der Kommunen.
Welche Folgen hätte beispielsweise ein großflächiger und länger andauernder Stromausfall?
Ohne Strom gibt es eigentlich keine Infrastruktur mehr, Bahn, Telefonie, Wasser, Gas, kurz: alles, was mit Strom betrieben und gefördert wird. Das öffentliche Leben würde dann ad hoc nahezu stillstehen. Das muss uns allen klar sein.
Wie ist beispielsweise die Stromversorgung von Krankenhäusern gewährleistet?
Die beiden Kliniken im Kreis sind jeweils mit einem Notstromaggregat für bestimmte Bereiche der Kliniken versorgt. Sie haben außerdem Notfallpläne und sind dementsprechend vorbereitet.
Können Sie noch mal kurz zusammenfassen: Wie sehen mögliche Notsituationen aus, und wie ist der Kreis darauf vorbereitet?
Die zwei Szenarien, die zu erwarten sind, sind einerseits ein flächendeckender anhaltender Stromausfall und andererseits ein Lieferengpass von Gas. Bei einem flächendeckenden Stromausfall kann der Katastrophenschutz kein Ersatznetz aufbauen. Deswegen werden viele gewohnte Informations- und Kommunikationswege entfallen. Erste Anlaufstellen für Informationen werden dann die Feuerwehrhäuser vor Ort sein. Zusätzlich soll die Bevölkerung auf Durchsagen achten und – falls das Internet und Mobilfunk noch funktionieren – auf Meldungen über hessenWarn. Ein Angriff auf die Stromversorgung geschieht unangekündigt. Anders sieht es beim Ausbleiben von Gas aus. Wenn es zu einer Gasmangellage kommt, deutet sich diese mit einer gewissen Vorlaufzeit an. Wir haben gemeinsam mit den Städten und Gemeinden Betreuungsstellen und Wärmeinseln definiert. In den Wärmeinseln können sich die Menschen kurzfristig aufwärmen.
Das heißt, über die allgemeinen Maßnahmen des Katastrophenschutzes hinaus hat der Kreis nur wenig Handlungsspielraum?
Ja, genauso ist es.
Wie müssen sich die Bürgerinnen und Bürger in einer solchen Notsituation verhalten?
Die Bevölkerung soll auf Lautsprecherdurchsagen von Polizei oder Feuerwehr und insbesondere bei einem örtlichen Stromausfall auf Rundfunkdurchsagen achten. Darüber erfolgen weitere Hinweise. Bei Notsituationen sind die Feuerwehrhäuser vor Ort die erste Anlaufstelle. Jeder ist gehalten, sich gegebenenfalls um Hilfsbedürftige zu kümmern.
Kann sich die Bevölkerung für den möglichen Krisenfall vorbereiten?
Wichtig ist, bereits jetzt Energie zu sparen, wo immer es möglich ist. Darüber hinaus gibt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe auf seiner Webseite Tipps, wie ein Haushalt Vorsorge treffen kann, beispielsweise wenn das Licht ausfällt, die Heizung nicht anspringt oder welche Lebensmittel in einen Notfallvorrat gehören. Ein weiterer wichtiger Hinweis geht an Menschen, die auf medizinische Geräte angewiesen sind. Diese sollten die technischen Geräte überprüfen lassen, sodass sie auch ohne eine direkte Stromzufuhr funktionieren, und gegebenenfalls entsprechende Vorkehrungen treffen.
Das Interview führte Niels Britsch
Infos im Internet auf der Seite des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe