Dietzenbacher tritt bewusstlosen Rentner

In der Nacht vom 15. auf den 16. Januar dieses Jahres wurde am Steinberg-Kreisel fast ein Mensch getötet. Scheinbar grundlos attackierte der 36-jährige A. einen 64-jährigen Anwohner brutal. Mehr als ein dutzend Mal schlug und trat A. auf den Pensionär ein. Selbst als das Opfer schon bewusstlos am Boden lag, traf ihn der Schuh des Jüngeren mit voller Wucht auf den Kopf. Jetzt muss sich der Trockenbauarbeiter wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Darmstadt verantworten.
Dietzenbach – Nur zwei Verhandlungstage hat die Schwurgerichtskammer unter Vorsitz von Volker Wagner für den Prozess angesetzt. Mehrere Augenzeugen – inklusive des Geschädigten selbst – und eine in südöstlicher Richtung angebrachte Überwachungskamera machen ein Abstreiten der Tat zwecklos.
Angeklagter: „Vorm Haus auf der Straße wurde ich total panisch“
Verteidigerin Caroline Jacob verliest das Geständnis ihres ebenfalls in Dietzenbach wohnhaften Angeklagten: „Ja, ich habe auf ihn eingetreten, als er schon am Boden lag. Ich bin zu weit gegangen. Ich wollte das nicht.“ Die Vorgeschichte ist recht schnell erzählt. Allerdings gibt es da – wie fast immer in Fällen schwerer Körperverletzung – so einige Differenzen zwischen den Berichten des Täters, seiner Lebensgefährtin und der des Opfers. Die gilt es nun, richtig einzuordnen. Richter Wagner setzt in solchen Fällen routinemäßig auf ein großes Kontingent an Zeugen, das der Kammer ein möglichst dichtes Verhaltensbild des Angeklagten liefern soll.
„Wir sind mit unserem Hund zu viert zu seiner Wohnung gelaufen, um bei ihm Gras zu kaufen. Meine Freundin war bereits ein paar Mal bei ihm gewesen, deshalb ging sie hoch und wir warteten unten. Dann hab ich oben Schreie gehört, bin sofort hoch und habe an die Tür gehämmert.“ Das verliest Anwältin Jacob. Der Pensionär habe aufgemacht und mit einer Eisenkette so heftig auf ihn eingeschlagen, dass das Blut an die Wände gespritzt sei. „Dann schlug er die Tür wieder zu. Ich lief runter und holte ihren Ex-Mann. Gemeinsam schafften wir es, sie da raus zu holen.“ Allerdings sei der 64-Jährige mit einem Metallgegenstand hinter ihm hergelaufen. „Vorm Haus auf der Straße wurde ich total panisch, war auch noch benommen von der Kette. Ich rechnete mit einer erneuten Attacke und ging zum Angriff über. Es war mein instinktiver Überlebenswille.“
Der ehemalige Fernmeldetechniker schiebt sich am Rollator in den Gerichtssaal
Die Folgen für den Älteren: Ein Schädelbruch hinter dem Augapfel, zehn Tage Krankenhaus und in Kürze die zweite Operation. Der ehemalige Fernmeldetechniker schiebt sich am Rollator in den Gerichtssaal, wurde im Februar zwangspensioniert, ein Betreuer regelt dessen Privatgeschäfte. Diese Umstände seien durch den Vorfall im Januar mitverursacht worden. „Tatjana (Name von der Redaktion geändert) kam nur zu mir, um zu reden. Ich bin doch kein Dealer, rauche lediglich ab und zu einen Joint wegen meiner schmerzhaften Erkrankung.“ A. habe Sturm geklingelt, als er öffnete, habe er sofort eine Faust ins Gesicht bekommen, zur Fahrradkette gegriffen und in seine Richtung geschleudert. „Dann kam die zweite Faust, mein neues Gebiss ging zu Bruch und ich schlug nochmal mit der Kette zu.“ Wagner will wissen, warum er dem Angreifer und seiner Freundin auch noch mit einem Schuhlöffel hinterher gelaufen sei. „Ich hatte Angst, dass er sie unten verdrischt. Ich wollte doch nur mit ihm reden.“ Schon Ende der Woche könnte das Urteil fallen. (Silke Gelhausen)