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Über eine Million Euro im Kreis Offenbach veruntreut – Großteil des Geldes verschwunden

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Von: Stefan Mangold

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Eine Angestellte des Eigenbetriebs Rettungsdienstes des Kreises Offenbach hat seit 2013 in die Kasse gegriffen. Jetzt muss sie für mehrere Jahre ins Gefängnis.

Dietzenbach – Sie galt als zuverlässig, aber irgendwann griff die frühere Angestellte des „Eigenbetriebs Rettungsdienst“ (ERD) des Landkreises Offenbach in die Kasse. Als das aufflog, hatten sich mehr als 1,1 Millionen Euro summiert. Nun kassierte die geständige Frau vor dem Schöffengericht in Offenbach ein Urteil von drei Jahren und zehn Monaten Gefängnishaft.

Staatsanwalt Dirk Schillhahn wirft der 63-Jährigen nicht die gesamte Schadenssumme vor, sondern den Betrag von 686. 846,45 Euro. Die Angeklagte hatte 2013 angefangen zu veruntreuen. Neun Jahre später kam alles ans Licht. Was vor 2017 passierte, gilt strafrechtlich als verjährt, wenn auch nicht zivilrechtlich. Schillhahn klagt wegen 273 Überweisungen an.

Zu einer Bewährungsstrafe wurde ein Mann nach Schüssen aus der Schreckschusswaffe verurteilt.
Kreisangestellte wegen Veruntreuung von über einer Million Euro zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. © Arne Dedert/dpa

Über eine Million Euro im Kreis Offenbach veruntreut: Überweisungen auf das eigene Konto

Die Buchhalterin hatte Rechnungen von Notärzten zu begleichen, die für den ERD im Einsatz sind. Die Frau veränderte dem Amt bekannte Namen leicht. Hieß etwa einer Dieter Kaiser oder Theodor Wiesengrund (Namen erfunden), schrieb sie Dieter Kaisers und Theodor Wiesgrund auf die Überweisungen. Für zehn Alias-Namen gab sie eine IBAN-Nummer an: die eigene.

Die Angeklagte wirkt mitgenommen, erzählt sehr leise, 2013 habe ihr Mann seinen Arbeitsplatz verloren, weshalb man in Schieflage geraten sei. Anfangs habe sie beabsichtigt, das Geld zurückzuüberweisen.

Der ergaunerte Betrag von 2013 über 6400 Euro wirkt bescheiden gegen die 204 .000 Euro von 2020. Richter Manfred Beck liest aus den Ermittlungsakten vor. Die Frau überwies beiden Kindern 100.000 Euro, die mittlerweile zurückflossen. Staatsanwalt Schillhahn interessiert, was mit der fehlenden Differenz von einer Million Euro passiert sei. Angeblich sei ja kein Cent übrig.

Die Frau erklärt, sie habe sich oft sehr großzügig verhalten, „meinen Kindern gab ich aber nie Bargeld“. Bei der Hausdurchsuchung im Februar 2022 war der frisch renovierte Zustand der Wohnung aufgefallen, die der Ehemann ein Jahr zuvor an die eigene Tochter verkauft hatte.

Mehr als eine Million Euro im Kreis Offenbach veruntreut: Depressionen und mangelndes Selbstwertgefühl

Die Angeklagte betont, „diese Wohnung musste meine Tochter finanzieren“. Beck und Schillhahn fragen ergebnislos nach geheimen Konten und Luxusurlauben. Rechtsanwalt Andreas Bruszynski erwähnt, seine Mandantin habe das Erbe ihrer verstorbenen Mutter als Quelle ihrer Generosität benannt.

Laut eines psychiatrischen Gutachtens kämpft die Angeklagte seit den 1990er Jahren mit einer Depression. Die Rede ist von mangelndem Selbstwertgefühl. Durch Geldgeschenke habe sie sich Anerkennung erhofft. Letztlich kam durch ihre seelische Krankheit alles ans Licht. Als die Angeklagte 2020 stationär in Behandlung musste, übernahmen andere ihre Arbeit. Irgendwann stutzte ein Steuerberater. Im Februar vergangenen Jahres veröffentlichte der Kreis Offenbach den Schaden.

In seinem Plädoyer erwähnt Schillhahn die jährliche externe Wirtschaftsprüfung, der ewig nicht aufgefallen sei, dass hinter zehn Namen dieselbe IBAN-Nummer stand und dafür Rechnungen fehlten: „Sie konnte schalten und walten, wie sie wollte.“

Über eine Million Euro im Kreis Offenbach veruntreut: Keine Spur von Vieraugenprinzip

Schillhahn hätte sich von der Angeklagten größere Anstrengungen zur Wiedergutmachung erhofft und erwähnt die vom Gatten an die Tochter verkaufte Wohnung, „der Mann hatte von dem Geld schließlich auch profitiert“. Der Staatsanwalt fordert 46 Monate Gefängnis. Verteidiger Bruszynski betont, wie leicht man es seiner Mandantin gemacht habe, keine Spur von Vieraugenprinzip, „Gelegenheit macht Diebe“. Niemandem sei geholfen, die mehrfach erkrankte, mittlerweile verrentete Frau ins Gefängnis zu stecken, „von ihr geht in Zukunft auch keine Gefahr aus“. Die im Wohnort engagierte Familie sei diskreditiert. Bruszynski fordert zwei Jahre Haft, ausgesetzt zur Bewährung. Weinend sagt die Frau, „ich kann mein Verhalten nicht mehr verstehen“.

Richter Beck und die beiden Schöffen verhängen schließlich die vom Staatsanwalt geforderten drei Jahre und zehn Monate Haft und den Geldwertersatz in Höhe von 686 846,45 Euro. Die Angeklagte habe die längste Zeit ohne wirtschaftliche Not und mit krimineller Energie gehandelt. Eine bewährungsfähige Strafe komme nicht infrage. Es gehe auch um das Signal, „sich privat nicht einfach an Steuergeldern bedienen zu können“. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. (Stefan Mangold)

In einer früheren Version des Artikels hieß es fälschlicherweise, dass die verurteilte Frau Angestellte der Stadt Dietzenbach gewesen war. Sie war Mitarbeiterin des Kreises Offenbach. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen. (Anm. d. Red.)

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