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Miteinander leben können

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Von: Anna Scholze

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Dursun Kilic kandidiert 2007 als Bürgermeister.
Dursun Kilic kandidiert 2007 als Bürgermeister. © ans

Die meisten Dietzenbacher kennen ihn als einstigen Bürgermeisterkandidaten. Dursun Kilic bewarb sich im Jahr 2007 um das Amt des Rathauschefs. „Ich habe mich damals über einige Dinge geärgert“, erinnert sich Kilic während des Erzählcafés mit dem Titel „Dietzenbacher Menschen“ in den Räumen des Vereins Caglayancerit. Dabei sei ihm klar gewesen, dass niemand kommen würde, um die von ihm gesehenen Probleme zu beseitigen, sondern dass er aktiv werden müsse.

Dietzenbach – Deshalb habe er für das Amt des Bürgermeisters kandidiert. „Doch die Zeit war damals noch nicht reif für solch einen Wechsel“, erklärt Kilic seine Niederlage und spielt dabei auf seine türkischen Wurzeln an, die wohl dazu geführt hätten, dass sich die Wähler schlussendlich gegen ihn entschieden haben.

„Ich habe hier meine zweite Heimat gefunden“

Die Zeit als Kandidat ist jedoch nicht das einzige Kapitel in seinem Leben, das den gebürtigen Istanbuler eng mit Dietzenbach verbindet. Wie Cengiz Hendek, der das Erzählcafé moderiert, den Gästen mitteilt, war Kilic bereits Vorsitzender des Ausländerbeirates und moderierte mehrfach das „Fest ohne Grenzen“.

In die heutige Kreisstadt ist Kilic mit seiner Familie im Jahr 1987 gezogen. „Wir haben damals eigentlich in Rödermark ein Haus gesucht“, erzählt er, denn dort oder vielmehr im Stadtteil Ober-Roden hat er seit seinem fünften Lebensjahr gelebt. Während der Haussuche stießen die Kilics jedoch unter anderem in Jügesheim aufgrund ihrer Herkunft auf Ablehnung. In Dietzenbach jedoch hätten sie viele Leute getroffen, die sie wohlwollend aufgenommen haben. Und so kommt es, dass der 56-Jährige heute sagt: „Ich habe hier meine zweite Heimat gefunden.“

Doch wer Dursun Kilic genau zuhört, erkennt, dass zumindest ein Stück seines Herzens in Oben-Roden geblieben ist. Beweis dafür ist nicht allein, dass er nach einer Reise in die Türkei erst das Gefühl hat, Zuhause angekommen zu sein, wenn er bei seiner Bank in der Nachbarkommune war. Sondern auch die Begeisterung, mit der er über manches Erlebnis aus seinen Kindertagen spricht. „Ich war der erste türkischstämmige Schulsprecher in Ober-Roden“, berichtet er. Freunde habe er hingegen etwa durch seine Leidenschaft für Fußball gefunden. Dabei hätten sie nicht immer auf ein richtiges Tor gezielt, häufig hätte eines der großen Kellerfenster zum Spielen gereicht. „Und damals hat sich niemand beschwert, wenn der Ball gegen die Scheibe gestoßen ist“, sagt Kilic. Das sei heute anders.

Antrag zur deutschen Staatsbürgerschaft zerrissen

Völlig ungetrübt sind seine Erinnerungen an die Zeit jedoch nicht. „Als bei der Weltmeisterschaft 1982 Deutschland gegen Frankreich spielte, habe ich meine Freunde gefragt, wie wir den Abend verbringen wollen“, berichtet Kilic rückblickend. Er habe damit herausfinden wollen, wo sie das Spiel gemeinsam schauen wollten. Auf den Satz: „Wieso, ihr (gemeint waren damit die Türken) seid doch nicht mit dabei“ war der heutige Dietzenbacher in keinerlei Weise vorbereitet. „Das hat mich sehr verletzt“, sagt er. Zudem habe dieses Erlebnis seine deutsche Staatsbürgerschaft um zehn weitere Jahre verhindert. Denn: „Eigentlich war der Antrag damals schon ausgefüllt“, so Kilic. Doch nach der Zurückweisung seiner Freunde habe er ihn zerrissen.

Und auch heute noch wünscht er sich, dass sich die Menschen gegenseitig als Menschen wahrnehmen, ohne ihr Gegenüber zu kategorisieren. „Es ist wichtig, dass die Ängste und Vorbehalte aus den Köpfen beseitigt werden“, betont der ehemalige ALB-Vorsitzende. Dazu brauche es in Dietzenbach etwa einen Ort der Kommunikation, an dem sich alle Kulturen miteinander austauschen könnten. „Doch es ist uns nie gelungen, so etwas zu erschaffen“, sagt Kilic. Dabei sei es entscheidend, dass jeder mit jedem leben könne, auch wenn man nicht für jeden Sympathie empfinde. (Anna Scholze)

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