„Priorität Nummer eins hat die Schule“

Zeitgleich zur Bundestagswahl wird im Kreis Offenbach auch der Landrat gewählt. Carsten Müller (SPD) und Robert Müller (Grüne) fordern Landrat Oliver Quilling (CDU) heraus.
Dietzenbach – Wir haben die Kandidaten porträtiert und in Interviews zu ihren politischen Zielen befragt. Heute starten wir mit den Fragen an Amtsinhaber Quilling.
Herr Quilling, warum wollen Sie Landrat bleiben?
Gerne möchte ich die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre fortsetzen und den notwendigen Wandel in den kommenden Jahren zukunftsorientiert gestalten. Dazu gehören innovative Ideen, sei es bei den Themen Bildung, Mobilität, Digitalisierung oder Klimaschutz. Es gilt, Bewährtes zu erhalten und Bestehendes weiterzuentwickeln, um weiterhin zu den attraktivsten Regionen Deutschlands zu gehören – und immer offen für neue Entwicklungen zu sein.
Warum sollen die Menschen im Kreis Offenbach Ihnen ihre Stimme bei der Landratswahl geben?
Weil ich Kommunalpolitiker aus Überzeugung bin. Seit Jahren gehe ich in meiner politischen Arbeit vor Ort mit den Menschen direkt ins Gespräch. Meine Aufgaben verstehe ich als Auftrag der Wählerinnen und Wähler und setze diese weniger unter parteipolitischen Gesichtspunkten, sondern vielmehr ziel- und lösungsorientiert um. Das schafft Vertrauen. Außerdem zeigt die Bilanz der vergangenen Jahre, dass die entscheidenden Zukunftsthemen – wie gesagt: Bildung, Mobilität, Digitalisierung und Klimaschutz – schon seit einiger Zeit auf meiner Agenda stehen und die Weichen im Kreis gestellt sind, zum Beispiel durch die Schaffung der Stelle eines Klimaschutzbeauftragten.
Was sind die größten Baustellen im Kreis?
Der Kreis Offenbach ist ein attraktiver Standort, das bedeutet wachsende Einwohnerzahlen und damit auch Schülerzahlen. Daraus resultieren notwendigerweise Anpassung und Ausbau der Infrastruktur. Hohe Priorität hat derzeit der Ausbau der Schulen. Wir brauchen mehr Klassenräume und mehr Betreuungsmöglichkeiten. Außerdem muss die Digitalisierung vorangebracht werden. Hier beginnt schon im Herbst der bedarfsgerechte Anschluss an das Glasfasernetz für die Schulen, die noch nicht über einen leistungsfähigen Anschluss verfügen. Auch in den ÖPNV und in die Verkehrssysteme muss investiert werden. Über das Leitbild Mobilität arbeiten wir mit der Hochschule Darmstadt und unseren 13 Städten und Gemeinden an zukunftsfähiger Nahmobilität. Dazu gehört der Ausbau der Radschnellwege.
Eine weitere aktuelle Baustelle, auf die der Kreis allerdings nur wenig Einfluss nehmen kann, ist die Verfügbarkeit von weiterem Wohnraum. Wir haben beispielsweise das Institut für Wohnen und Umwelt beauftragt, mit unseren Städten und Gemeinden den örtlichen Bedarf unter Berücksichtigung der jeweiligen Gegebenheiten zu identifizieren.
Hohe Priorität hat in den kommenden Monaten ebenfalls die Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes in unserer Verwaltung, die den Bürgerinnen und Bürgern den digitalen Zugang zu zahlreichen Verwaltungsleistungen ohne lästiges Warten ermöglicht.
Wo besteht der dringendste Handlungsbedarf?
Priorität Nummer eins hat die Schule. Eines hat sich in der Pandemie aber wieder deutlich gezeigt: Im Kreis besteht, wie in der ganzen Republik, Handlungsbedarf bei der Vereinfachung von Verwaltungsverfahren. Es ist schon schwierig, Eltern zu vermitteln, dass es an der schnellen Beschaffung von digitalen Präsentationstechniken hapert, weil die Regeln des Vergabegesetzes eingehalten werden müssen. So hat der legitime Einspruch eines Anbieters gegen die Vergabe die Anschaffung erheblich in die Länge gezogen. Das gilt aber auch für die Umsetzung von anderen Projekten, besonders im Baubereich.
Welches Projekt im Kreis liegt Ihnen besonders am Herzen, wofür wollen Sie sich besonders einsetzen?
Mir persönlich liegt das Thema Bildung besonders am Herzen. Auch die Gewinnung von qualifiziertem Fachpersonal gehört dazu. Sie garantiert unter anderem die gute Versorgung von Menschen im Gesundheitswesen, Sicherheit nicht nur in Notsituationen, hohe medizinische Standards und Beratungsangebote in vielen Lebenslagen sowie die gute Betreuung von Seniorinnen und Senioren. Die Pandemie hat in vielen Bereichen Spuren hinterlassen, gerade auch im Vereinsleben. Hier gilt es, unserer Vereinslandschaft besondere Unterstützung zu gewähren.
Was kann man auf Kreisebene angesichts sich häufender Wetterextreme gegen den Klimawandel machen und wie kann sich der Kreis gegen die Folgen wappnen – zum Beispiel beim Hochwasserschutz?
Im Katastrophenschutz sind wir sehr gut aufgestellt. Bislang konnten alle erforderlichen Einsätze nicht nur in unseren Kreiskommunen zügig und professionell erfolgen und das mit überwiegend ehrenamtlichen Kräften. Dafür an dieser Stelle einen Dank. Unsere Kommunen müssen unterstützt werden, wo bauliche Veränderungen notwendig sind. So hilft der Kreis beispielsweise seit Jahren bei der Renaturierung einzelner Rodauabschnitte. Maßnahmen in Bezug auf Klimawandel auf kommunaler Ebene sind zum Beispiel auch die energetische Sanierung von Gebäuden. Durch die dauerhafte energetische Optimierung der kreiseigenen Schulen wird ein signifikanter Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes geleistet. Er hat sich in den vergangenen Jahren mehr als halbiert. Außerdem setzen wir auf E-Mobilität, wie bei den Dienstwagen und auf den Ausbau des ÖPNV, wie zum Beispiel die Regionaltangente West und den sogenannten Hopper, die Weiterentwicklung des Anruf-Sammeltaxis.
Sie sind seit mehr als elf Jahren im Amt, gibt es etwas, das Sie im Nachhinein anders machen würden?
Es gibt immer Dinge, die man aus der Retrospektive an der einen oder anderen Stelle anders machen würde. So hätte ich beispielsweise gerne die Förderung im Bereich Ehrenamt, Sport und Kultur intensiviert, denn gerade das vielfältige bürgerschaftliche Engagement macht die besondere Lebensqualität im Kreis Offenbach aus. Da waren mir aber mit Blick auf die Haushaltssituation in der Vergangenheit Grenzen gesetzt. Ich habe mir manchmal gewünscht, ein Landrat hätte mehr Handlungsspielraum, um schnell und unbürokratisch etwas bewegen zu können. Persönlich bedauere ich, dass es trotz allen Engagements nicht gelungen ist, den Fährbetrieb in Mühlheim aufrecht zu erhalten.
Was würden Sie als größten Erfolg Ihrer bisherigen Amtszeiten bezeichnen?
Erfolge kann ein Einzelner, auch wenn er Landrat ist, nicht allein erreichen, sie sind nur in konstruktivem Miteinander möglich. Darum habe ich mich in vielen Bereichen für die Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit eingesetzt. Ein Vorzeigeprojekt ist der gemeinsame Auftritt der Wirtschaftsförderung unter dem Motto „Schneller, Stärker, Smarter“, an dem sich die 13 Kommunen mit IHK und Kreishandwerkerschaft beteiligen. Unser Kreis kann im bundesweiten Ranking als Wirtschaftsstandort deutlich punkten. Hier ist auch das Leitbild Mobilität zu nennen, das mit vielen verschiedenen Partnern entwickelt wird. Außerdem, und dies ist wirklich ein großer Erfolg, habe ich alles daran gesetzt, dass die Schulbewirtschaftung wieder in Händen des Kreises liegt. Die Übernahme durch die kreiseigene Gesellschaft Koreal ist 2019 ohne Reibungs- und Qualitätsverluste gelungen. Und beim Thema Ausbau der Schulkindbetreuung wird sich der Kreis zukünftig wieder an der Finanzierung durch die zuständigen Städte und Gemeinden beteiligen. Ganz oben in der Erfolgsbilanz steht ebenfalls die positive Entwicklung der Kreisfinanzen im letzten Jahrzehnt. So konnten beispielsweise 2020 die Kommunen beim Hebesatz entlastet werden.
Das Recherchenetzwerk Correktiv hat Daten zu Parteispenden an Kreisverbände der Parteien gesammelt, die Kreis-CDU verweigert bisher dazu aber Auskünfte. Warum?
Mir ist diese Anfrage nicht bekannt. Hier müssen Sie den Kreisverband fragen. Spenden ab 10 000 Euro müssen veröffentlich werden. Ich weiß aber, dass es eine Vielzahl von Parteispenden gibt im zweistelligen und dreistelligen Bereich, bei denen die Spender nicht genannt werden wollen. Ich glaube, das kann man auch respektieren. Datenschutz ist an dieser Stelle sicherlich außerdem zu bedenken.
Das Interview führte Niels Britsch.