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Bluttat im Drogenrausch: Geständnis ohne Erinnerung an Details

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Im Drogenrausch ersticht ein Dietzenbacher in seinem Zimmer einen Mann und flüchtet. Erst Tage später wird die Leiche gefunden. Nun hat der Prozess gegen den Täter begonnen.

Dietzenbach – Mit mindestens 20 Messerstichen wurde Anfang April letztes Jahr ein 39-jähriger Frankfurter regelrecht niedergemetzelt. Die Tat ereignete sich in der Asylunterkunft in der Paul-Brass-Straße. Seit gestern muss sich Mohammad K. (35), seit zwei Jahren Bewohner der Einrichtung, wegen Totschlags vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Darmstadt verantworten. Der Angeklagte ist stark drogenabhängig und erinnert sich nur noch bruchstückhaft an den Gewaltausbruch.

Das Besondere an der Bluttat: Die Leiche liegt noch für einen unbestimmten Zeitraum zwischen wenigen Tagen und zwei Wochen unentdeckt unter dem Bett des Angeklagten. Um sie zu verbergen, zieht K. die Decke ein Stück vom Bett herunter und schiebt den Kühlschrank davor. Dann schließt er das Zimmer ab und taucht unter. Am 17. April setzt ein Mitbewohner schließlich eine Meldung bei der Polizei ab: K. sei seit zwei bis drei Wochen vermisst. Die alarmierten Beamten lassen sich das Zimmer vom Hausmeister öffnen.

„Schon auf dem Flur roch es komisch, und unsere Vermutung bestätigte sich, dass der Geruch aus dem Zimmer kam. Der Raum schien leer zu sein, wir sahen Blut-Anhaftungen an Wand und Boden. Dann stießen wir auf die Leiche unter dem Bett“ erzählt der Dietzenbacher Polizeioberkommissar, der als erster vor Ort war. Den Umständen entsprechend ist es dann auch nicht mehr überraschend, dass es sich beim Leichnam nicht um den eigentlichen Bewohner, sondern um eine fremde Person handelt.

Dietzenbacher gesteht die Tat vor Gericht

Am ersten Verhandlungstag hat der Vorsitzende Volker Wagner gleich 22 Zeugen geladen. Vier Sachverständige sollen darüber hinaus für Aufklärung sorgen. Besonders wichtig für das spätere Strafmaß ist das Gutachten des Psychiaters Dr. Peter Haag, der über die Suchtgeschichte und Schuldfähigkeit des Angeklagten referieren wird. Eigenen Aussagen zufolge soll K. seit einigen Jahren täglich konsumiert haben: Heroin und Crack, seltener Kokain.

Tatort in der Paul-Brass-Straße in Dietzenbach: In einem der Zimmer soll die Leiche noch tagelang nach der Tat unter einem Bett gelegen haben.
Tatort in der Paul-Brass-Straße in Dietzenbach: In einem der Zimmer soll die Leiche noch tagelang nach der Tat unter einem Bett gelegen haben. © ans

Verteidiger Ulf Köper gibt für seinen Mandanten eine Erklärung ab: „Es ist alles zutreffend. Ich gestehe die Tat, weiß aber nicht, wann und wie es genau passiert ist.“ Das Opfer habe er in einem Frankfurter Druckraum kennengelernt und habe ihn regelmäßig getroffen. Er sei auch sein Dealer gewesen. „Wir haben zusammen konsumiert, er war oft bei mir, auch über Nacht.“ erklärt K. mithilfe des Dolmetschers die Vorgeschichte. Am Tattag habe er in Frankfurt mehr als üblich konsumiert: 80 Milligramm Methadon geschluckt, mehr als je zwei Gramm Crack und Heroin geraucht.

Das käme ab und an mal vor. Dann habe er meistens Wahnvorstellungen, Stimmen im Kopf, die ihm Befehle gäben. „Ich hatte Geld von ihm bekommen, so konnte ich bezahlen und auch konsumieren. Ich bin spät mit der S-Bahn zurück nach Dietzenbach gekommen, er war wieder bei mir zu Besuch, ich legte mich hin. Irgendwann wurde ich wach und er stand mit einem Messer vor mir.“ Sofort seien wieder die Stimmen da gewesen, ihr Befehl ist eindeutig: „’Nimm das Messer und greif an!’ Ich habe mich bedroht gefühlt und gewehrt. Auf einmal lag er auf dem Boden und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich wollte die Leiche nicht sehen.“

Dietzenbach: „Ich habe lange über alles nachgedacht, aber es fällt mir nicht ein“

Dass er sie unters Bett geschoben hat, daran kann K. sich nicht erinnern. Auch nicht daran, die Blutspuren verwischt zu haben. Das große Küchenmesser soll im eigenen Mülleimer gelandet sein. „Ich habe lange über alles nachgedacht, aber es fällt mir nicht ein.“ Richter Wagner spricht von fünf Versionen, die K. seit seiner Festnahme schon offenbart hat. Bei seiner Festnahme soll er ein Bushäuschen zertrümmert haben. Dr. Haag will mehr dazu wissen. Die Antwort klingt ähnlich der Messerattacke: „Da war ich total verwirrt, mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich hab mich verfolgt gefühlt.“ Letzteres war in diesem Fall ja sogar zutreffend.

Von den mutmaßlich mit der linken Hand ausgeführten Stichen trafen zwölf in den Hals, einer war zehn Zentimeter tief. Die weiteren Stiche gingen in die Körperrückseite des Opfers, drangen teilweise bis in den Bauchraum ein. Der 39-Jährige verblutete innerlich und äußerlich. K. ist angeblich Rechtshänder. Für den Prozess sind sechs Sitzungstage eingeplant. (Silke Gelhausen)

Vergangenes Jahr beschäftigte das Landgericht Darmstadt der Fall eines Mannes, der seine Frau bei Rödermark (Kreis Offenbach) töten wollte. Er legte ein Geständnis abgelegt. Es bleiben aber Fragen offen.

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