Eltern der Helen-Keller-Schule in Dietzenbach sprechen über ihre Sorgen

Die Helen-Keller-Schule in Dietzenbach könnte geschlossen werden. Die Schüler sollen dann die Georg-Büchner-Schule in Sprendlingen besuchen. Fünf Mütter äußern ihre Bedenken zu diesem Vorhaben.
Dietzenbach – Der Kummer ist ihnen anzusehen: Fünf Mütter berichten, was es für ihre Kinder bedeutet, wenn die Helen-Keller-Schule (HKS), eine Schule für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, in Dietzenbach geschlossen und mit der Georg-Büchner-Schule in Sprendlingen zusammengelegt wird. „Mein Sohn ist hörgeschädigt und könnte dem Druck in der Regelschule, auf die er eventuell wechseln müsste, emotional nicht standhalten“, sagt etwa Liesl Botar. Eine Regelschule habe er zu Beginn besucht und sei dort immer derjenige gewesen, der am längsten gebraucht habe und die größten Schwierigkeiten bei der Lösung der Aufgaben gehabt hätte. Das sei für ein Kind demotivierend und eine schlimme Erfahrung.
Auch die anderen Mütter erzählen, dass ihre Töchter und Söhne mit Förderbedarf vor ihrer Zeit auf der HKS traumatische Erfahrungen gemacht hätten. Die Zeit in den Regelschulen habe manches Mal gar Aggressionen und Depressionen ausgelöst. „Mein Sohn war am Anfang auf einer Grundschule in Heusenstamm“, erzählt Tanja M. Wenn er nach Hause gekommen sei, habe er teilweise ein bis zwei Stunden kein Wort geredet und habe dann plötzlich angefangen zu weinen, ohne selbst so recht zu wissen warum. Renate Wolter (Name von der Redaktion geändert) berichtet, dass die Regelschule, die ihr Sohn zunächst besuchte, sie eines Tages angerufen habe, weil der heute Zwölfjährige sich bewusst selbst verletzt habe. „Die Seele gerade unserer Kinder wird in einer Regelschule aufgefressen“, sagt sie und kann ihre Emotionen kaum zurückhalten.
Helen-Keller-Schule in Dietzenbach: Kinder könnten bei Schulwechsel in ein Loch fallen, fürchten die Eltern
Seit die Schüler jedoch auf die Helen-Keller-Schule gehen, so berichten die Mütter übereinstimmend, lebten sie auf. „Mein Kind kommt freudestrahlend nach Hause und sagt ,schau mal Mama, ich habe eine Eins geschrieben’“, erzählt Liesl Botar. Auch wissen die fünf Frauen den verständnisvollen Umgang der Lehrkräfte mit den Schülern sowie die kleinen Klassen und die eng zusammengewachsene Schulgemeinschaft sehr zu schätzen. Werden ihre Kinder nun aus der Helen-Keller-Schule herausgerissen, befürchten die Mütter, dass sie erneut in ein Loch fallen.
Und das, zumal die Georg-Büchner-Schule für sie dabei keine adäquate Alternative darstellt. „Mein Sohn war bereits dort und wurde von den größeren Schülern gemobbt“, berichtet Renate Wolter. Zudem macht sie sich, wie auch Tanja M., Sorgen, dass mit dem Zusammenschluss der beiden Förderschulen die Klassen zu groß werden und ihre Kinder nicht mehr die Unterstützung bekommen, die sie benötigen. Ein Teil der Eltern kritisiert zudem, dass der Schulweg nach Sprendlingen viel zu aufwändig sei. Liesl Botar hat nicht die Möglichkeit, ihren Sohn jeden Tag zu bringen und abzuholen. „Als berufstätige Mutter ist das nicht stemmbar“, macht sie deutlich. Auch der Bus sei für sie, wie für die anderen Frauen, keine Alternative. Da es keine direkte Verbindung von Dietzenbach zur Georg-Büchner-Schule gibt, befürchten die Eltern, dass die Kinder den Spaß mit Freunden der langen Fahrt vorziehen werden und gar nicht erst in den Bus steigen.
Regelschule ist keine Alternative zu Helen-Keller-Schule in Dietzenbach
Die Schüler jedoch erneut in die nächstgelegene Regelschule zu schicken, sei ebenso keine Option. Die Frauen monieren, diese seien nach wie vor nicht auf eine inklusive Beschulung vorbereitet. Evelyne Benhamen, die eine Tochter in der 8. Klasse der HKS hat, bemängelt etwa, dass die Heranwachsenden an den weiterführenden Schulen nur noch für wenige Stunden von einem Förderschullehrer unterrichtet werden.
Zudem machen sich die Mütter Sorgen, dass ihre Kinder von Mitschülern gemobbt werden. In der Hoffnung Gehör zu finden, richtet sich Renate Wolter deshalb an die Politik und sagt: „Mein Sohn ist ein Mensch und kein Projekt.“
Unterstützung die Eltern der Helen-Keller-Schule von dem Personalrat der Bildungsinstitution. In einer Resolution, die von mehreren umliegenden Regelschulen unterstützt wird, weist auch die Vertretung der Lehrer darauf hin, welche gravierenden Folgen die Schließung der HKS für die Schülerschaft hat. Zudem kritisieren die Pädagogen vehement das Vorgehen des Kreises Offenbach und des Hessischen Kultusministeriums. „Zu keinem Zeitpunkt wurde mit den Betroffenen die Option einer Schließung kommuniziert. Im Gegenteil, es wurde immer der Neubau in Aussicht gestellt“, heißt es in der Erklärung. Nur den Standort habe man noch diskutiert. Auch widerspricht der Personalrat der Aussage, dass die Schülerzahl stark gesunken sei und spricht lediglich von einem „geringfügigen“ Rückgang. Deshalb fordert die Lehrervertretung unter anderem, dass mit den Betroffenen gesprochen wird und der Plan, die Helen-Keller-Schule zu schließen, verworfen wird. „Bildung darf nicht von Finanzen diktiert werden“, heißt es abschließend in der Resolution. (Anna Scholze)