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Sie tickt wieder

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Von: Lisa Schmedemann

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Initiator Reinhard Knecht ist in dem Gebäude einst zur Schule gegangen und freut sich, dass Elektriker Günther Balzer die Uhr reparieren konnte.
Initiator Reinhard Knecht ist in dem Gebäude einst zur Schule gegangen und freut sich, dass Elektriker Günther Balzer die Uhr reparieren konnte. © Schmedemann

Die Freude steht Reinhard Knecht ins Gesicht geschrieben. „Endlich geht sie wieder“, sagt er und blickt auf das Ziffernblatt, das gut sichtbar an der Fassade der Polizeistation den Betrachter wieder über die aktuelle Uhrzeit informiert. Die Zeiger hatten etwa fünf Jahre stillgestanden – ein Zustand, der dem 68-Jährigen ein Dorn im Auge war.

Dietzenbach – „Welchen Zweck hat eine Uhr, die nicht funktioniert?“, fragte er nicht nur sich selbst, sondern auch die Stadt. Doch bei der zuständigen Stelle schob man den Grund für den Stillstand auf das digitale Zeitalter. Da jeder inzwischen ein Handy bei sich trüge, lohne sich die Investition in die Reparatur nicht. Knecht, der selbst vor seinem Ruhestand bei der Stadt Offenbach beschäftigt gewesen ist, findet aber: „Man darf sich nicht kaputtsparen, auch eine Stadt nicht.“ Als gebürtiger Dietzenbacher liege ihm die Uhr beziehungsweise das Gebäude auch aus einem anderen Grund am Herzen: „Hier bin ich zur Schule gegangen, da unten war mein Klassenraum“, erzählt er und deutet auf eine Reihe Fenster im Erdgeschoss der „Alten Schule“. Das Gebäude wurde für diesen Zweck 1878 erbaut an der Darmstädter Straße 33, die „Groadgass“, und erfüllte diese Aufgabe bis Ende der 60er Jahre. „Die ersten beiden Schuljahre habe ich hier verbracht, danach gingen wir in die Dietrich-Bonhoeffer-Schule“, erzählt Reinhard Knecht. Sein Schulkamerad Peter-Uwe Metz erinnert sich auch „wie gestern“ an so manches Erlebnis aus der frühen Schulzeit. „Es gab mal einen Tag, an dem der Putz von der Decke kam, deswegen hatten wir dann frei“, erinnert er sich. Zwar wisse er nicht mehr den Grund – dafür war er zu jung – aber er sei sich sicher, dass das vielen Dietzenbachern im Gedächtnis geblieben ist. Und jetzt, da die Uhr wieder tickt, kommen all die Erinnerungen wieder hoch. „Ist das nicht schön?“, fragt Metz in die Runde aus ehemaligen Schülern und Betrachtern, die sich inzwischen vor dem Gebäude gebildet hat.

Für Knecht ist dieses Interesse die Bestätigung dafür, dass seine Hartnäckigkeit, die Zeiger wieder in Schwung bringen zu wollen, gerechtfertigt war. Den finalen Impuls setzte der Initiator an der Kerbandacht im Kirchhof im vergangenen Oktober. „Da kam ich mit dem Vorsitzenden des Kerbvereins ins Gespräch“, erzählt Knecht. Dort fiel seine Idee auf fruchtbaren Boden, der Verein fungierte schließlich als Brückenbauer zur Stadt als Inhaberin des Gebäudes – und zu einem Sponsor: Der Lions Club erklärte sich bereit, die Reparaturkosten von rund 1000 Euro zu übernehmen. „Das Geld stammt aus der Versteigerung eines Kunstwerkes von Dorita Jung“, berichtet Lions-Präsident Marcel Jung. Da sich die Künstlerin gewünscht hat, dass das Geld für die Erhaltung des Stadtbildes eingesetzt werden soll, habe der Club nicht lange überlegen müssen.

Die Reparaturkosten hätten auch deutlich höher liegen können, wenn die Mechanik des Uhrwerkes defekt gewesen wäre. „Glücklicherweise musste nur die Elektronik ausgetauscht werden“, erzählt Günter Balzer von der Firma Elektro Balzer, die für die Instandsetzung beauftragt worden ist. Der Elektriker führt aus: „Ich musste erst einmal schauen, wie das alles funktioniert – wir hatten ja keine Pläne vorliegen.“ Dazu konnte er, nachdem er zwei Fliesen entfernt hatte, von innen an die Rückseite der Uhr heran und fand dort eine Bedienungsanleitung aus dem Jahr 1985. Balzer vermutet: „Das Uhrwerk ist also schon einmal modernisiert worden.“ Das ließ den Schluss zu, dass auch 2022 das Uhrwerk schnell wieder in Gang gebracht werden konnte. „Aber vorher hatten wir das Uhrwerk erst einmal überbrückt, um zu schauen, ob ansonsten alles in Schuss ist.“ Aufmerksame Dietzenbacher konnten daher kurz vor Silvester beobachten, dass sich die Zeiger für ein paar Tage bewegten – ehe die Zeit wieder stillstand. Balzers Gedanken drehten sich hingegen weiter um das Thema, bis ihm buchstäblich ein Licht aufging. Neben einer neuen Funk-Elektronik installierte der Dietzenbacher auch eine Lampe mit Dämmerungssensor hinter dem Ziffernblatt. Der Elektriker findet: „Wenn ich schon daran arbeite und die Wand offen ist, kann ich das ja ausnutzen, um den Leuten eine Freude zu machen.“ Einfache handwerkliche Handgriffe mit großer Wirkung. Den Initiator Knecht freut das besonders: „Jetzt ist das Projekt abgeschlossen und ist noch schöner als vorher.“ (Von Lisa Schmedemann)

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