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Streetworker sprechen von Problemen bei der Unterbringung von Heranwachsenden

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Von: Anna Scholze

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Dietzenbach aus der Luft
Die Feierlichkeiten zu 800 Jahre Dietzenbach mussten aufgrund der Pandemie ausfallen. 50 Jahre zuvor war das zum Glück nicht der Fall. Über die „750-Jahr-Feier“ hat Klara Köhler ein Gedicht geschrieben. © Häsler

Streetworker berichten im Sozialausschuss davon, dass sie keine Anlaufstelle kennen, an diese Jugendliche verweisen können, die von Obdachlosigkeit bedroht sind.

Dietzenbach – Bei der Sitzung des Sozialausschusses gab es einen Moment im Stadtverordnetensitzungssaal, in dem betretenes Schweigen herrschte. Die Streetworker Malte Althoff, Yassir El Mallah und Hossein Mehranfard hatten am vergangenen Dienstag ihre Arbeit vorgestellt (ausführlicher Bericht folgt). Auf die Frage von Thomas Goniwiecha (CDU), welches das größte Problem unter den Jugendlichen sei, antworteten die drei städtischen Mitarbeiter nach einer kurzen Beratung untereinander:

„Obdachlosigkeit“. El Mallah berichtet etwa, dass er in dem Jahr, in dem er nun für die Kreisstadt arbeitet, rund zehn junge Menschen ihn aufgesucht hätten, da ihnen Wohnungslosigkeit drohte. In keinem der Fälle habe er gewusst, wie er mit dieser Situation umgehen solle. Denn obwohl er bereits mehrere Stellen angesprochen habe, konnte ihm bisher niemand sagen, an wen er sich wenden könne. Gut schlafen könne er an solchen Abenden nicht. Neben El Mallah war auch seinem Kollegen Hossein Mehranfard, der seit 2017 für das Boxprojekt verantwortlich ist, die Verzweiflung darüber anzuhören, dass er für solcherlei Krisen keine Lösungen zur Hand habe. „Ich kann die Heranwachsenden ja kaum in den Räumen des Boxprojektes übernachten lassen“, machte Mehranfard den Stadtverordneten die Problematik deutlich.

Dabei waren die Kommunalpolitiker allem Anschein nach mit dem Geschilderten überfordert – zumindest aber wussten sie nicht, wie sie auf das Gesagte reagieren sollen. Gleichzeitig machte sich auch unter den Verantwortlichen aus dem Rathaus Sprachlosigkeit breit. Denn weder Sozialdezernent René Bacher noch Peter Amrein, Leiter Soziale Dienste, oder der Bürgermeister Dieter Lang hatten an diesem Abend eine Erklärung parat.

Auf Nachfrage spielt man die Situation herunter und stellt zunächst klar, dass das Thema Obdachlosigkeit jenes sei, was die Streetworker am meisten emotional belaste. Inhaltlich die schwierigsten Themen seitens der Streetworker seien, wie im Sozialausschuss genannt, vorwiegend, dass wenige öffentliche Plätze für junge Menschen zur Verfügung stehen und Schutzräume und Kapazitäten/Ressourcen nicht ausreichen würden. Weiterhin beschwichtigt man im Rathaus, was die im Ausschuss angesprochenen Fälle betrifft und sagt, dass es bei den drei Beispielen, die El Mallah während der Ausschusssitzung schilderte, nicht zur Obdachlosigkeit gekommen sei. „Alle hatten andere Möglichkeiten der Unterkunft gefunden“, so die Stadt.

Weiterhin teilt man mit, dass der für Obdachlosigkeit zuständigen Stabsstelle keine minderjährigen Personen beziehungsweise Jugendlichen bekannt sind und waren, die ohne volljährige Erwachsene von Obdachlosigkeit betroffen gewesen seien. Kommt es jedoch zu der Situation, dass Menschen keine feste Meldeadresse haben, prüfe man ihre sozialen und familiären Umstände und bringe sie anschließend in enger Abstimmung mit dem jeweiligen Leistungsträger temporär unter. Eine Stelle, die sich speziell um wohnungslose junge Dietzenbacher kümmert, gibt es in der Kreisstadt indessen nicht. „Sollte es zu dem Fall kommen, dass ein Heranwachsender sein Obdach verliert, wird der familiäre Kontext betrachtet und das Jugendamt informiert“, erläutern die Zuständigen im Fachbereich 50. Weiterhin seien die dort beschäftigten Kollegen dank eines dichten Netzwerkes nah an der Zielgruppe und vielschichtig in Verbindung. Allerdings: Tritt die Krisensituation in den Abendstunden ein, gestaltet sich die Kontaktaufnahme mit einer helfenden Person schwieriger. Zwar seien Sozialarbeiterinnen und -arbeiter sowie Streetworker auch außerhalb von klassischen Büroarbeitszeiten erreichbar, jedoch nicht 24/7. „Eine kommunale Anlaufstelle rund um die Uhr gibt es nicht“, heißt es aus der Verwaltung. (Von Anna Scholze)

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