Syrisch-orthodoxe Gemeinde kauft das Hildegardishaus

In der vergangenen Woche kamen die Unterschriften unter den Kaufvertrag: Die katholische Gemeinde St. Martin hat das Hildegardishaus an die derzeit noch in Rodgau beheimatete Gemeinde der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien St. Maria verkauft. Fast 30 Jahre lang diente das auffallende Gebäude an der Ecke Hauptstraße und der Straße „Am Steinberg“ als Gemeindezentrum.
Dietzenbach - Indes war die Unterhaltung in der letzten Zeit zunehmend schwierig geworden. „Wir können die Kosten nicht mehr stemmen und erhalten auch keine entsprechenden Zuschüsse mehr“, sagt St. Martin-Verwaltungsratsmitglied Reiner Frank. Eine freudige Stimmung ob des Verkaufes gebe es nun keinesfalls. „Aber es ist eine finanzielle Last von der Gemeinde genommen.“
Umso beglückter zeigen sich allerdings derzeit die Käufer. Die christliche syrisch-orthodoxe Gemeinde ist seit fünf Jahrzehnten in Rodgau angesiedelt, die Gründerväter waren Türken, die mit einem sogenannten Gastarbeiterstatus nach Deutschland kamen. Vom ersten Tag an war die Glaubensgemeinschaft, die sich komplett selbst finanziert, auf Wanderschaft, meist in katholischen Kirchenhäusern, ein eigenes Gebäude konnte nie realisiert werden. „Aber wir haben es immer geschafft, die Gemeinde zusammenzuhalten und sind jetzt natürlich sehr glücklich über die eigene Unterkunft, wobei wir denen danken, die uns in all den Jahren aufgenommen haben“, sagt Yusuf Yüce, der Vorsitzende des Gemeindevereins.
Ungefähr 60 Familien kommen bei den Syrisch-Orthodoxen in Rodgau zusammen, für den Kauf des Dietzenbacher Hauses hat jeder sein Scherflein beigetragen. „Alle haben dem Erwerb zugestimmt und wir sind auch hier dankbar für jedes Engagement“, so Yüce. Insgesamt gehören deutschlandweit etwa 100 000 Gläubige der altorientalischen Kirche an. Als Ursprung gelten die Anfangsjahre des Christentums, Urvater ist der Apostel Petrus. Zwischen der katholischen und der syrisch-orthodoxen Kirche gibt es eine große Nähe, in den 1980er Jahren haben Papst Johannes Paul II und der Patriarch Mar Ignatius Zakka I eine Erklärung zur engen Zusammenarbeit unterzeichnet.
Dass das Hildegardishaus auch weiterhin für kirchliche Zwecke genutzt wird, sei eine Grundbedingung der Verkaufsverhandlungen gewesen. Nicht nur, weil das Grundstück im Bebauungsplan dafür ausgewiesen ist. „Der Baugrund war ein Geschenk einer Dietzenbacher Familie und das Haus soll auch für die kommenden Generationen so erhalten bleiben, wie es einmal gedacht war“, betont Frank. Dafür seien letztendlich auch beide Parteien Kompromisse eingegangen, nicht zuletzt beim Verkaufspreis, den die Beteiligten nicht nennen wollen.
Voraussichtlich im November will die syrisch-orthodoxe Gemeinde in das Hildegardishaus einziehen. „Wir planen keine großen Änderungen, streichen höchstens ein paar Wände neu“, sagt Vorstandsmitglied Bilant Dursun. Der Kirchenraum bleibe so wie er ist, „wir freuen uns sehr auf die ersten Gottesdienste.“ Dazu seien auch die Nachbarschaft und überhaupt die Dietzenbacher herzlich eingeladen. „Allerdings“, so erzählt der Vorstandsvertreter, „dauert bei uns ein Gottesdienst etwa zwei Stunden und wird in aramäischer Sprache gehalten.“ Die weiteren Räumlichkeiten sollen, wie unter der katholischen Regie auch, der Gemeindearbeit dienen, treffen werden sich Seniorengruppen, junge Familien oder Frauengruppen. Ein besonderes Augenmerk wird auf der Jugendarbeit liegen. Musa Dilmac, Religionslehrer der Syrisch-Orthodoxen betont: „Es ist der Wunsch vieler Eltern, dass wir unsere Jugend gut in die Zukunft führen, dazu brauchen wir nicht nur ein Zuhause, sondern auch Geduld, Wille und Wissen.“ Nahtlos weiterlaufen soll die Vermietung an eine Gruppe des Theresien-Kinder- und Jugendhilfezentrums Offenbach.
Sobald es die Pandemie zulässt, ist zur Einweihung ein Festakt geplant. „Dann wird es allerdings auch so sein, dass wir dem Gebäude einen neuen Namen geben“, kündigen die Vorstandsvertreter an. (Barbara Scholze)