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Uhus vertreiben Turmfalken

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Von: Lisa Schmedemann

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Beobachtet seine neue Umgebung genau: Diesen jungen Uhu hat Vogelexperte Rudolf Keil mit seiner Kamera eingefangen.
Beobachtet seine neue Umgebung genau: Diesen jungen Uhu hat Vogelexperte Rudolf Keil mit seiner Kamera eingefangen. © Privat

Da staunt Bruno nicht schlecht, als er seine übliche Morgenrunde im Garten dreht. Der Schäferhund bellt, sein Frauchen tritt daraufhin ebenso verwundert an seine Seite: Auf dem Hochbeet der Dietzenbacherin sitzt ein Uhu.

Dietzenbach – Dessen zausiges Federkleid verrät, dass es sich um einen Jungvogel handelt. Als er es aufstellt, um dem Hund einen Schrecken einzujagen, wird man sich seiner Größe bewusst. „Die Mama geht mir sogar bis zur Hüfte“, beschreibt Schmid, die die Vogelfamilie nun seit ein paar Wochen vermehrt beobachten konnte. Neben den Gartenbesuchern gehören zur Familie Uhu noch der Vater sowie zwei Geschwister, die etwas weniger abenteuerlustig sind. Ein schöner und bisher ungewöhnlicher Anblick in der Kreisstadt.

„Seit etwa einem halben Jahr berichten Menschen, dass sie die Rufe der Uhus hören“, erzählt der Vogelexperte des Nabus Dietzenbach, Rudolf Keil. Viele seien sich nicht sicher gewesen, ob sie Rufe richtig deuten, da die größte Eulenart bislang in Dietzenbach nicht ansässig gewesen ist.

Im Odenwald, so Keil weiter, könne man die Vögel schon länger beobachten. „Es ist aber keine Sensation, dass die Uhus hier nun brüten“, betont Keil. Denn seitdem die Tiere nicht mehr bejagt werden, kehren sie allmählich von den Alpen herab ins Flachland zurück. Die Brutplatzwahl mag für den Laien verwunderlich sein: Die Uhu-Eltern haben nicht etwa eine Baumkrone im Wald bezogen, sondern ein Turmfalkenpaar von einem Bürogebäude vertrieben. „Uhus nisten an Felswänden – der Vorsprung an der Fassade ist also optimal“, erläutert Keil.

Ansonsten bietet die Kreisstadt den gefiederten Neubürgern gute Voraussetzungen: Das Angebot an Ratten, Tauben und Krähen sind ein wahres Schlaraffenland. Um fehlende Kita-Plätze müssen sich die jungen Eltern indes nicht sorgen. „Die jungen Uhus bleiben zwanzig Wochen bei ihren Eltern“, weiß Keil. Eine bemerkenswerte Zeitspanne verglichen mit anderen Vogelarten. „Wenn die Alten merken, dass die Jungen selbstständig genug sind, werfen sie sie aus dem Nest.“ Dann werden sie sich eine eigene Bleibe mit eigenem Jagdrevier suchen müssen, da das Pärchen mit großer Wahrscheinlichkeit in der alten Turmfalkenresidenz bleiben wird. „Man kennt es ja auch von uns Menschen: Wenn es uns irgendwo gefällt, bleiben wir dort wohnen“, sagt der Vogelexperte schmunzelnd.

Aber bis es so weit ist, haben die drei Geschwister noch viel zu lernen. Mit ihren leuchtend-orangenen Augen beobachten sie ihre Eltern und ihre Umgebung genau. Abends stehen meist Flugstunden mit Mama auf dem Plan, während Papa das Abendessen erbeutet. „Das ist immer herrlich zu beobachten, dann geht es von Baum zu Baum“, erzählt Teresa Schmid. Für den Ausreißer, der sich lieber in den Beeten der Nachbarschaft herumtreibt, gibt es sogar einen „Lieferservice“. Der Vogelexperte erläutert: „Die Eltern haben ihn trotzdem im Blick und füttern ihn.“

Geschlüpft sind die Küken vermutlich Ende Mai und stellen dabei den ersten erfolgreichen Brutversuch in der Kreisstadt dar. Wenn sie einmal ausgewachsen sind, haben sie eine Spannweite von bis zu 1,60 Metern. Sie sehen zwar massig aus, bringen aber nur etwa drei Kilo auf die Waage. „Nun wird es spannend, zu beobachten, wie sich die Vogelwelt in Dietzenbach verändern wird“, findet Keil. Dabei stellt er bewusst nicht die Frage nach der „Nützlichkeit“ oder „Schädlichkeit“ eines Lebewesens. „Es gibt immer zwei Seiten der Medaille.“ Natur sei Natur, und diese bahne sich ihren Weg. (Lisa Schmedemann)

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