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Schlägerei am Steinberg-Kreisel: Mann tritt bewusstlosen Rentner – Gericht fällt Urteil

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Schlägerei am Steinberg-Kreisel: Angeklagter zu drei Jahren Gefängnis verurteilt
Schlägerei am Steinberg-Kreisel: Angeklagter zu drei Jahren Gefängnis verurteilt © Arne Dedert/dpa/Symbolbild

Nach einer brutalen Attacke in Dietzenbach fällt das Landgericht Darmstadt das Urteil. „Hier sollte das Opfer erfahren, wer der Stärkere ist“, so der Richter.

Dietzenbach – Im Prozess um die brutale Attacke am Steinbergkreisel ist vor dem Landgericht Darmstadt das Urteil gefallen. Der 36-jährige A. wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der ursprünglich angeklagte versuchte Totschlag an dem 64-jährigen Rentner ist damit vom Tisch – diesen Vorsatz konnte die Schwurgerichtskammer dem bis zum Tatabend redlich lebenden Dietzenbacher Bürger nicht nachweisen.

Eigentlich war zwischen den beiden Männern bis zum 16. Januar nie etwas vorgefallen. A. kannte den am Kreisel wohnenden Senior noch nicht mal persönlich. Kontakt gab es nur über A.s Freundin Tatjana (Name v. d. Red. geänd.), die im Vorfeld ein paar Mal bei dem „Dealer“, wie er genannt wurde, zu Besuch war. Angeblich, um Gras zu kaufen. Was sie auch an diesem Abend wieder vorhatte. A. und ein befreundetes Pärchen warten unten vor dem Haus, während Tatjana im zweiten Stock das Cannabisgeschäft abwickeln soll.

Dietzenbach: Urteil wegen Schlägerei am Steinberg-Kreisel

Doch irgendwas stimmt diesmal nicht. A. hört Geschrei, ruft die Freundin an. Dann geht er selbst hoch und klingelt. Ab hier unterscheiden sich die Aussagen des Angeklagten und die des Geschädigten. Während A. behauptet, der Rentner habe ihn sofort mit einer Eisenkette auf den Kopf geschlagen, besteht der Ältere darauf, dass A. ihn als erster mit der Faust ins Gesicht geschlagen habe. Erst dann habe er zur Kette gegriffen. Nicht unerhebliche Blutspuren im Treppenhaus bestätigen die Verletzung A.s. Verteidigerin Caroline Jacob hält die Version des Rentners für unglaubwürdig. Ebenso seine Behauptung, nicht mit Drogen zu handeln. Die Polizei fand später in der Wohnung einige Päckchen Marihuana, die angeblich alle nur zum Eigenkonsum waren, beziehungsweise jemand anderes gehörten.

Staatsanwältin Isabelle Schad sieht die Aussage mit dem Faustschlag ebenfalls kritisch, das Vorspiel aber nicht ausschlaggebend für die Strafzumessung. Denn das, was danach auf der Straße passiert, wurde von einem Anwohner als Film verewigt, ist damit unanfechtbar. A. und Tatjana verlassen die Wohnung, der Senior läuft hinterher. Und zwar nicht unbewaffnet: In der rechten Hand ein langer metallener Schuhlöffel, dessen Griff mit Klebeband verdickt ist. Am Steinberg-Kreisel angekommen, dreht A. sich um, kurzer Wortwechsel, dann greift er an.

Dietzenbach: Angriff am Kreisel – Mehrfach auf bewusstlosen Rentner eingeschlagen

Mehr als ein Dutzend Mal schlägt und tritt er auf ihn ein, meist auf den Kopf. Auch noch, als der Kontrahent schon bewusstlos am Boden liegt. Das Opfer erleidet einen Bruch des Augenhöhlenbodens, Operation und zehn Tage Krankenhaus sind die Folge. Beide der Verhandlung beiwohnenden Gerichtsmediziner sind sich einig: Das Verletzungsbild, die Tritte gegen den Kopf, waren potenziell lebensgefährlich. Schad fordert im Strafspektrum zwischen sechs Monaten und zehn Jahren trotzdem „nur“ vier Jahre Haft, sieht den Rücktritt bei der Tatausführung: „Auch wenn Freundin Tatjana dazwischen gegangen ist, A. hätte problemlos weitermachen können. Ein versuchter Totschlag ist nicht eindeutig nachzuweisen. Allenfalls ein Eventualvorsatz: Er hat den Tod scheinbar billigend in Kauf genommen.“

Auf der Positivseite verbucht die Staatsanwältin seine fehlenden Vorstrafen, die eigenen nicht unerheblichen Verletzungen und dass bei dem Rentner keine bleibenden Schäden zurückblieben. „Strafschärfend ist allerdings die rohe Brutalität und das Nachtatverhalten zu werten. Anstatt Hilfe zu leisten oder zu holen, ist A. einfach abgehauen.“ Einige Tage später wird der Dietzenbacher gefasst, sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Mann aus Dietzenbach vor Gericht: „Hier sollte das Opfer erfahren, wer der Stärkere ist“

Anwältin Jacob plädiert auf Freispruch. Sie sieht den emotionalen Ausnahmezustand nach dem massiven Angriff seitens des Rentners an der Wohnungstür. „Mein Mandant hat eindeutig im Sinne des Paragrafen 33 gehandelt.“ In diesem Teil des Strafgesetzbuchs heißt es: „Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.“

Um den Störungsgrad genau festzustellen, fordert die Verteidigerin ein psychiatrisches Gutachten. Dem will der Vorsitzende Richter Volker Wagner nicht folgen. „Die Bilder sprechen eine eigene Sprache. Jeder, der das Video gesehen hat, wird verstehen: Hier ist nicht nur Notwehrwillen am Werk. Auch wenn ihm ein gewisses Maß an Notwehr zugestanden sein soll: Hier sollte das Opfer erfahren, wer der Stärkere ist. A. wollte Vergeltung für die Kopfwunden, hat sich da hineingesteigert, bis der Ältere völlig wehrlos am Boden lag.“ Man könne von Glück reden, dass die Attacke so glimpflich ausgegangen sei. (Silke Gelhausen)

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