Vor 50 Jahren wird Dietzenbach Entwicklungsbereich

Die Stadtentwicklung hat Dietzenbach vorangebracht. Der Weg dorthin war jedoch mit erheblichen Wachstumsschmerzen verbunden, die auch heute noch zu spüren sind.
Dietzenbach - Vor 50 Jahren, am 16. Januar 1973, erklärte das Land Hessen Dietzenbach im Rahmen des Städtebauförderungsgesetzes zum Entwicklungsbereich, wie unter anderem in dem Buch „775 Jahre Dietzenbach“ von Gisela Rathert und Detlev Kindel nachzulesen ist. Altstadt sowie die Lücke zwischen dem ehemaligen Ortskern und Steinberg galt es von nun an unter Beteiligung des Landes zu entwickeln.
Um das Vorhaben umzusetzen, wurde die Stadt aufgefordert, Grundstücke aufzukaufen und sie gewinnbringend wieder zu verkaufen. Vorkaufsrecht hatten die ehemaligen Grundstückseigentümer. Weigerten sie sich, ihr Areal zu verkaufen, wurden sie zwangsenteignet, erzählen Rathert und Kindel. Das durch die Veräußerung eingenommene Geld sollte in die Infrastruktur investiert werden. Zum Entwicklungsträger wurde damals die „Deutsche Stadtentwicklungs- und Kreditgesellschaft GmbH, Frankfurt“ (DSK) bestimmt.
Die Maßnahme erhielt jedoch einen Dämpfer, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Deutschland befand sich in einer Wirtschaftsrezession. Auch bekam Dietzenbach vom Land einen deutlich geringeren Kredit bewilligt als zunächst erhofft. Das größere Problem war jedoch der Widerstand in der Bevölkerung. So ist den Erläuterungen von Rathert und Kindel zu entnehmen, dass im Herbst 1974 eine Interessengemeinschaft aus Grundstückseigentümern erstmals rechtlich gegen die Maßnahmen vorging. Die sogenannten Normenkontrollverfahren wurden jedoch im Jahr 1980 vom Verwaltungsgerichtshof in Kassel zurückgewiesen. In den sechs Jahren vor dem Urteil erschwerten die Verfahren die Weiterentwicklung Dietzenbachs jedoch deutlich.
Bürger wollen Altstadt retten
Die Klagen der Bürger hatten zur Folge, dass kein Geld in die Kasse gespült wurde, gleichzeitig jedoch die Infrastruktur ausgebaut werden musste. So entstanden etwa im Jahr 1975 das Waldschwimmbad sowie das -stadion und 1976 das damals neue Rathaus. Um die Ausgaben dennoch decken zu können, erkämpften sich Stadt und DSK eine Erhöhung des Kredits auf 70 Millionen Mark. Das Land bewilligte das Geld jedoch nur unter der Voraussetzung, dass die Stadt zahlt, wenn es durch Verzögerungen zu weiteren Kosten kommen würde. Eine Vereinbarung, die sich Jahre später erheblich auf den Haushalt auswirken sollte.
Zuvor hatte sich allerdings der Verwaltungsspitze ein anderes Problem aufgedrängt. Mit der vom Land angestoßenen Stadtentwicklung wurde auch die Altstadt im April 1973 zum Sanierungsgebiet auserkoren. Der alte Ortskern entsprach schon seit Mitte der sechziger Jahre nicht mehr den damaligen Standards. Mit den Neugestaltungs-Plänen der Stadt zeigten sich die Bürger trotz des fehlenden Komforts dennoch nicht einverstanden. Schließlich sollte aus dem einstigen Ortskern ein neues Einkaufs- und Verwaltungszentrum werden. Dazu wollte die Verwaltung breitere Straßen sowie mehrere Fußgängerzonen anlegen und Häuser mit drei bis sieben Stockwerken errichten. Aufgrund der Proteste des im Jahr 1977 gegründeten Aktionskreises „Rettet das Dorf in der Stadt“, der sich insbesondere gegen die Zerstörung der alten Hofreiten wehrte, ruderte man im Rathaus jedoch zurück. Nach einem Entschluss der Stadtverordnetenversammlung mussten sich Neubauten dem bisherigen Bild der Altstadt anpassen und der Anteil des Gewerbes fiel deutlich geringer aus. Die Entwicklungsmaßnahme konzentrierte sich von da an hauptsächlich auf die neue Stadtmitte zwischen dem alten Dorf und Steinberg. Bereits 1976 hatte man zur Gestaltung des Zentrums einen Ideenwettbewerb ausgerufen.
Seit Ende des Jahres 2018 ist die städtebauliche Entwicklungsmaßnahme offiziell beendet. Ein Schlussstrich allerdings, der noch immer einen großen Teil der derzeitigen Stadt-Schulden in Höhe von rund 113 Millionen Euro verursacht. Für Unruhe sorgten zudem vor ein paar Jahren von Land und Stadt geforderte sogenannte Ausgleichszahlungen an mehrere Grundstückseigentümer. (Von Anna Scholze)