„Wir wollen die Kita-Gebühren nicht erhöhen“

René Bacher von den Grünen wird künftig die Position des Ersten Stadtrats übernehmen. Im November hatte sich eine knappe Mehrheit der Stadtverordneten für ihn entschieden.
Dietzenbach – Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt er erste Einblicke in seine Vorgehensweise als Stellvertreter des Bürgermeisters. Zudem spricht Bacher über die Machbarkeit einer Entlastung der Bürger sowie über die Bundes- und Landespolitik.
Wann werden Sie Ihr Amt antreten?
Zum 1. März nächsten Jahres.
Bleibt es bei der bisherigen Dezernatsverteilung?
Das kann ich heute noch nicht sagen, natürlich haben Dr. Dieter Lang und ich uns schon darüber ausgetauscht. Was ich vielleicht heute schon sagen kann: Dass jetzt nicht alles umgeworfen wird, denn das wäre auch für die internen Arbeitsabläufe sicherlich nicht vorteilhaft.
Was wollen Sie in den Bereichen, für die Sie zuständig sind, ändern?
Dort werde ich vor allem erst einmal die Menschen kennenlernen und da nicht wie ein Elefant im Porzellanladen reingehen. Natürlich habe ich Visionen und eine Idee, was ich gerne erreichen möchte, aber eine Verwaltung – und das ist jetzt im besten Sinne des Wortes gemeint – ist ja nun nicht etwas, was sich von heute auf morgen verändert. Veränderungen brauchen Zeit. Wenn man zu schnell agiert, passieren Fehler, und wenn man mit öffentlichen Geldern umgeht, sollten Fehler möglichst nicht passieren.
Wissen Sie denn schon, wo Sie als Erster Stadtrat Schwerpunkte setzen wollen?
Das ist natürlich davon abhängig, welche Dezernate ich am Ende bekomme. Dann werde ich sehen, welche Schwerpunkte ich letztendlich auch setzen kann. Im Bürgermeisterwahlkampf habe ich ja auch die Dietzenbacher Ideentafel entworfen, die habe ich immer noch und sie wird dann auch mit ins Rathaus einziehen. Diese vielen Ideen und Anregungen der Dietzenbacher Bevölkerung werde ich dann auch angehen und versuchen, umzusetzen.
Können Sie denn schon sagen, was Ihre ersten Amtshandlungen sind?
Erst einmal werde ich zuhören und lernen. Es ist wichtig, die Prozesse und die Menschen kennenzulernen.
Wie wird Ihr Führungsstil sein?
Das gemeinsame Umsetzen von Zielen funktioniert am besten kooperativ und nicht konfrontativ, entsprechend werde ich dann auch mein Amt angehen. Vielleicht ist auch mal eine klare Anweisung angebracht, aber weniger in den ersten Tagen und Monaten.
Als grüner Bürgermeisterkandidat hatten Sie dafür geworben, die Grundsteuer zu erhöhen, um zum Beispiel die Fernwärme-Kunden zu entlasten. Nun hat die Koalition die Grundsteuer erhöht, ohne gleichzeitig für Entlastungen zu sorgen. Wollen Sie ihr Versprechen noch einlösen?
Zunächst muss ich da erst einmal aufklären, dass ich falsch verstanden worden bin, denn Versprechen mache ich normalerweise nicht. Das haben mich schon früh die drei Fragezeichen (Detektiv-Hörbuchserie, Anm. der Redaktion) gelehrt, von denen es schon in einer der ersten Folgen heißt, dass es unklug ist, Dinge zu versprechen, die man nicht halten kann. Insofern mache ich das auch nicht. Ich habe nie versprochen, dass eine Entlastung stattfinden wird. Was ich gesagt habe: Ich möchte gerne, dass eine Transparenz geschaffen wird.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir haben damit schon angefangen und aus dem Aufsichtsrat der Stadtwerke einen Bericht an die Stadtverordnetenversammlung weitergeleitet. Das ist ein Novum und gab es bisher in dieser Form nicht. Es ist allerdings auch nicht klug, alles immer in der Öffentlichkeit zu beraten, aber es ist wichtig, nach den Beratungen Transparenz zu schaffen.
Entlastungen wird es also nicht geben?
Wo wir entlasten können, werden wir natürlich auch versuchen, es zu tun. Die allermeisten Gebühren sind ja so ausgearbeitet, dass sie die Kosten decken. Und wenn ein Überschuss entsteht, wie bei den Abfallgebühren, dann können wir diese auch vorübergehend senken. Aber es wäre in der aktuellen Situation, in der Energie insgesamt immer teurer wird, unverantwortlich, Entlastungen zu versprechen. Wo wir den Spielraum haben, können wir dafür sorgen, dass die Gebühren nicht weiter steigen. Zum Beispiel wollen wir die Kita-Gebühren nicht erhöhen, obwohl die Kosten dort ja nahezu explodieren.
Noch mal zum Stichwort Transparenz: Im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft von Ex-Bürgermeister Jürgen Rogg im Wirtschaftsrat setzen sich die Grünen für mehr Transparenz ein, gleichzeitig will man nicht verraten, welche Unternehmen öffentliche Projekte wie den Raum für Leichenwaschung in der Trauerhalle finanzieren – wie passt das zusammen?
Wichtig ist hier, dass man zwischen Verwaltungshandeln und bürgerlichem Engagement unterscheiden muss – also ob es darum geht, über die Verwendung von Steuergeldern Transparenz zu führen oder über private Spenden. Kontraproduktiv wäre, es verpflichtend zu machen, bürgerliches Engagement auf Heller und Pfennig darzustellen, weil davon einige abgeschreckt werden könnten. Bei Verwaltungshandeln würde ich immer auch Transparenz einfordern. Aber in diesem Falle ist es die Entscheidung des Ausländerbeirates und der einzelnen Spenderinnen und Spender, ob diese öffentlich genannt werden.
Aber es handelt sich doch um Umbau-Maßnahmen in einem öffentlichen Gebäude ...
Wir als Verwaltung haben das gemacht, was wir machen können, nämlich die Kosten dafür offen gelegt. Intransparentes Vorgehen wäre gewesen, hätten wir diese nicht vorgelegt und gesagt: Wenn jetzt nur 2000 Euro zusammenkommen, weiß ja niemand, dass wir noch 5000 Euro dazu buttern.
Richten wir mal den Blick über Dietzenbach hinaus: Im Bund gibt es nun die Ampelkoalition mit grüner Beteiligung – was sagen Sie als Grüner zum Koalitionsvertrag?
Es ist eine Chance, einen Politikwechsel zu vollziehen von einer konservativen, handlungsarmen und eher abwartenden Haltung zu einer proaktiven, progressiven und auch zukunftsfähigen Mehrheit. Natürlich ist es nicht in Gänze meine Wunschkonstellation, da muss ich gar nichts schönreden. Eine Dreierkonstellation ist immer schwieriger als eine Zweierkonstellation, da muss man immer noch mehr Kompromisse eingehen. Aber der Koalitionsvertrag ist das Beste, was man aus diesem Wahlergebnis herausholen konnte. Zwar blutet mir das Herz an der einen oder anderen Stelle ...
... an welcher?
Also zum Beispiel, wenn es um Mobilität geht. Aber dafür sehe ich, dass bei den Erneuerbaren Energien ein – für deutsche Verhältnisse – großer Schritt in eine andere Richtung gegangen wird.
Wechseln wir mal von der Bundespolitik in die Landespolitik: Im Hessischen Landtag hat sich die schwarz-grüne Koalition im Lübcke-Untersuchungsausschuss von der AfD zu einer notwendigen Zweidrittelmehrheit verhelfen lassen, um die öffentliche Vernehmung einer Zeugin zu verhindern – für Sie ein Tabubruch?
(seufzt) Ein Tabubruch wäre es gewesen, wenn diese Konstellation mit Absicht von der Koalition herbeigeführt worden wäre. Nach allem, was ich aber dazu gehört und gelesen habe, war das nicht der Fall. Insofern sehe ich da keinen Tabubruch. Hier wurde aus Regierungssicht Verantwortung für einen Menschen übernommen und ich bin mir sicher, dass jede andere demokratische Regierungsmehrheit genauso gestimmt hätte. Aber es war offenbar das Ziel der Opposition, hier einen Skandal zu forcieren. Ansonsten wäre es jedes Mal auch ein Tabubruch, wenn die Opposition gemeinsam mit der AfD gegen Regierungsvorlagen stimmt.
Zum Abschluss eine etwas provokante Frage: Wenn jetzt im Bund, im Land Hessen und in Dietzenbach nun die Grünen mitregieren – auf wen wollen Sie das Scheitern grüner Ziele künftig schieben?
Es ist nicht meine Art, irgendjemandem die Schuld zuzuschieben. Wir leben in keiner Diktatur und deshalb kann man auch Ziele nicht hundertprozentig umsetzen. Natürlich möchte ich möglichst schnell vorankommen und mit Maximalgeschwindigkeit grüne Ziele umsetzen, aber tatsächlich Verantwortung zu übernehmen heißt auch, Kompromisse einzugehen. Demokratie bedeutet, auch mal Ziele mit einer angezogenen Handbremse zu verwirklichen. Was einen aber nicht daran hindern soll, maximal zu denken und zu fordern.
Das Gespräch führte Niels Britsch.