Wirtschaftsförderer Michael Krtsch spricht im Interview über Eichler-Kammerer, Google und Lendjel

Dietzenbach – Michael Krtsch, Leiter der Wirtschaftsförderung, arbeitet bereits seit zehn Jahren für die Stadt Dietzenbach. Im Interview mit unsere Zeitung spricht er nun über die gescheiterte Ansiedlung der Unternehmensgruppe Eichler-Kammerer, über die Pläne des Technologieunternehmens Google und die Situation des Einzelhandels.
Herr Krtsch, Sie sind nun zehn Jahre im Amt – können Sie eine kurze Zwischenbilanz ziehen?
Ja, sehr gerne. Die kürzeste Version: ein dynamisch wachsender Standort, Vorreiter bei der digitalen Infrastruktur, interessierte, offene und liebenswerte Menschen. Etwas länger: Ich bringe meine Arbeitskraft und mein persönliches Engagement sehr gerne für die Kreisstadt Dietzenbach ein. Die positive Entwicklung in meinem Bereich erfährt von der Politik Wertschätzung und ich konnte mir in den vergangenen 10 Jahren ein sehr breites Netzwerk von Menschen aufbauen, die aus Unternehmen, Politik und Stadtgesellschaft kommen. Gemeinsam haben wir viel bewegt und werden auch weiterhin viel bewegen.
Ein Rückschlag war das Scheitern des Großprojekts mit der Unternehmensgruppe Eichler-Kammerer – lag es nur an der Corona-Pandemie?
Generell glaube ich, dass zu einer gesunden Entwicklung auch Rückschläge zählen. Bezüglich der Unternehmensgruppe Eichler-Kammerer, sehe ich keinen Grund, an den Aussagen der Geschäftsführung zu zweifeln. Wir haben mit dem Unternehmen von Beginn an sehr gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Um die Frage zuverlässig beantworten zu können, müsste mir der Einblick in die Unternehmensergebnisse und die internen Prozesse vorliegen. Alles andere ist aus meiner Sicht Spekulation.
Hat sich die Stadt im Jahr 2016 zu weit aus dem Fenster gelehnt, als sie die „größte zusammenhängende Unternehmensansiedlung in der Geschichte Dietzenbachs“ ankündigte?
Nein, wir haben uns nicht zu weit aus dem Fenster gelehnt. Bezogen auf die Fläche (rund 79 000 Quadratmeter) war es die „größte zusammenhängende Unternehmensansiedlung“. Auch in den darauffolgenden Jahren, haben wir ja, zusammen mit dem Unternehmen, viel erreicht.
Das heißt?
Wir haben die Zauneidechsen auf die gegenüberliegende Straßenseite umgesiedelt und somit ein neues Habitat geschaffen. Wir hatten für das komplette Projekt eine gültige Baugenehmigung erarbeitet, für die Firmenzentrale, einen Betriebskindergarten und ein Service Gebäude mit einer Höhe von rund 30 Meter, wo die Distributionsprozesse nach neuester und modernster Technik umgesetzt werden sollten. Die Planung der Gebäude und der Flächen erfolgten nach modernsten ökologischen und ökonomischen Prämissen. Daher: „Die größte zusammenhängende Unternehmensansiedlung“, die nie realisiert wurde – so kann das (Wirtschafts-)Leben eben auch sein.
Besteht die Möglichkeit, dass Eichler-Kammerer doch noch den Standort nach Dietzenbach verlegt?
Nein, diese Möglichkeit schließe ich aus.
Ende 2020 wurde bekannt, dass Google ein Grundstück in Dietzenbach gekauft hat. Können Sie inzwischen verraten, was dort geplant ist?
Ja, Ende 2020 waren wir der erste Standort in Hessen, wo Google Flächen erworben hat, kurz danach wurden weitere Flächen in der Region seitens des Unternehmens erworben und auch kommuniziert, dass das Rechenzentrumsgeschäft in der Metropolregion Frankfurt Rhein Main wachsen soll. Insofern verrate ich keine Geheimnisse mehr. Durch unsere räumliche Nähe zum größten Internetknoten der Welt (DE-CIX) und unsere flächendeckende Glasfaserverbindung sind wir natürlich ein präferierter Standort in der Metropolregion.
Vor einem Jahr lehnten die Stadtverordneten die Pläne aus der Wirtschaftsförderung zum Verkauf eines Grundstücks an die Fahrschule Lendjel ab – können Sie die Argumente der Stadtverordneten verstehen, die durch den geplanten Fahrschul-Campus unter anderem eine Zunahme der Verkehrsbelastung befürchteten und den Mehrwert für die Stadt und die Bevölkerung (zum Beispiel in Form von Arbeitsplätzen) anzweifelten?
Ja, da wurde damals sehr leidenschaftlich und emotional diskutiert. Allerdings zweifelten die Stadtverordneten nicht den Mehrwert von Arbeitsplätzen an, vielmehr wurde unter anderem darüber diskutiert, dass die nach der strategischen Zielplanung erforderliche Anzahl von Arbeitsplätzen bei dem Vorhaben nicht erreicht wurde. Vor dem Hintergrund einer nachhaltigen Standortentwicklung ist diese Argumentation aus meiner Sicht zu 100 Prozent nachvollziehbar. Wir werden auch künftig die Themenfelder Ökonomie, Ökologie und Soziales zusammen denken und somit eine qualitativ hochwertige Entwicklung als Ziel fokussieren.
Wie steht es um den Einzelhandel in Dietzenbach?
Der Einzelhandel in Dietzenbach ist, wie deutschlandweit, extrem betroffen von den Auswirkungen der Corona-Pandemie der letzten zwei Jahre. Zusammen mit dem Gewerbeverein Dietzenbach versuchen wir auf vielfältigste Art und Weise die Unternehmen zu unterstützen. Aktuell läuft gerade eine Maßnahme, wo wir den Unternehmen umfangreiche Hilfestellungen zum Thema „Digitalisierung“ anbieten, was bisher sehr gut genutzt wurde.
Gibt es viel Leerstand bei Gewerbeimmobilien in Dietzenbach?
Nach meiner Beobachtung ist der vorhandene Leerstand in Dietzenbach nicht besorgniserregend.
Was wünschen Sie sich als Wirtschaftsförderer in einer finanziell klammen Stadt von der Politik?
Ich gehöre wahrscheinlich zu einer Minderheit von Menschen, die auf diese Frage mit „Nichts“ antwortet. Gerne möchte ich Ihnen aber meine Antwort begründen. Ich erlebe die politischen Vertreter in Dietzenbach als sehr engagiert, offen für Veränderung, gesprächsbereit und an dem Wohl der Kreisstadt Dietzenbach im Höchstmaß interessiert. Dies ist meines Erachtens eine sehr gute Basis, die mir sehr gute Voraussetzungen liefert, um selber zum Nutzen unserer Kreisstadt tätig zu sein und zu agieren.
Das Gespräch führte Niels Britsch