Zwei Herzen in des Bürgermeisters Brust

„Zwei Seelen wohnen, ach in meiner Brust“, heißt es im Goethe-Klassiker Faust. Eine innerliche Zerrissenheit, von der auch Dietzenbachs Bürgermeister Dieter Lang in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses (Hafi) zu berichten weiß: Die derzeitige Doppelfunktion als Kämmerer und Sozialdezernent lasse auch in seiner Brust zwei Herzen schlagen.
Dietzenbach – Es ist nicht der einzige Zwiespalt, mit dem das Stadtoberhaupt kämpft: Bei der Bewertung des städtischen Etats kommt Lang am Donnerstagabend zu zwei widersprüchlichen Ergebnissen, als er die Haushaltslage einmal als „prekär“ und kurze Zeit später als „nicht so schlecht“ bezeichnet. Da stellt sich – frei nach Goethe – die Frage: Wo also liegt des Pudels Kern?
Mehr als 60 Anträge haben die Fraktionen zum Haushaltsentwurf gestellt, die in der Hafi-Sitzung durchgegangen und besprochen werden, ehe sie in der Stadtverordnetenversammlung am kommenden Freitag abgestimmt werden sollen. Dabei wird klar: Die Koalition möchte einige soziale und ökologische Projekte finanziell fördern, die Oppositionsparteien FDP und CDU den zweiten Teil der im vergangenen Jahr beschlossenen Erhöhung der Grundsteuer B auf 800 Punkte (wir berichteten) rückgängig machen, und Jens Hinrichsen von den Freien Wählern vermisst immer noch die Wirtschaftsberichte der Städtischen Betriebe für die Jahre 2019 und 2020.
Dietzenbach: Altschulden von 105 Millionen Euro
„Jeder Cent, der durch die Grundsteuer reinkommt, hilft der Stadt, den Haushalt zu sanieren“, argumentiert Bürgermeister Lang gegen das Ansinnen von CDU und FDP, den Hebesatz bei 700 Punkten zu belassen. Die Stadt sei finanziell noch nicht konsolidiert und habe 105 Millionen Euro Altschulden, die abgebaut werden müssten, verteidigt er die von der Koalition im Juni beschlossene Steuererhöhung. Wie bereits damals glauben die Christdemokraten, das Geld ließe sich an anderer Stelle einsparen. Die Koalition nutze die Erhöhung „für diverse Großzügigkeiten“, so der Vorwurf von Fraktionschef Manuel Salomon. Eine Steuererhöhung dürfe nur „das letzte Mittel“ sein.
„Wir sind das Armenhaus des Landkreises Offenbach und wir tun nichts, um das zu ändern“, beklagt Stephan Gieseler (CDU). Denn der hohe Steuersatz mache Dietzenbach für Familien unattraktiv, so seine Argumentation. „An sozialen Projekten zu sparen, ist auch nicht der richtige Weg“, entgegnet die grüne Fraktionsvorsitzende Edeltraud Chawla zu den Sparplänen der Union. Sie erhält Unterstützung von Sabine Göser (SPD): „Die Erhöhung war notwendig, damit wir in die Kinder und Jugendlichen investieren können.“
Koalition in Dietzenbach will Schwimmbad-Eintritt reduzieren
So wollen die Koalitionsparteien SPD, Grüne und Linke unter anderem den Trägerverein des Aktivspielplatzes mit 40 000 Euro unterstützen, einen Sonderfond für Kinder- und Jugendarbeit einrichten und auch für die Arbeit der Beiräte Mittel zur Verfügung stellen. Er sei „überrascht“, dass sich der Bürgermeister in seiner Funktion als Kämmerer so ausgabefreudig zeige, kommentiert Gieseler spöttisch, was Lang zu dem Hinweis auf seine innere Zerrissenheit veranlasst: „Erlauben Sie mir, dass mein Herz auch als Sozialdezernent pocht.“
Außerdem thematisieren die Ausschussmitglieder einen Koalitionsantrag, in dem SPD, Grüne und Linke den Eintrittspreis für Kinder, Jugendliche und Studierende im Waldschwimmbad auf einen Euro begrenzen wollen. Jens Hinrichsen (Freie Wähler) befürchtet, dass das Schwimmbad dann von jungen Menschen aus dem Kreis „überrannt“ werde. Stephan Gieseler gibt zu bedenken, dass der niedrige Eintritt „unwirtschaftlicher“ sein könne, „als es umsonst anzubieten“, da dann die Kosten für das Kassenpersonal wegfielen.
Dietzenbach: Städtische Betriebe in der Diskussion
Auch über den Wirtschaftsplan der Städtischen Betriebe sprechen die Stadtverordneten im Ausschuss. Hinrichsen bemängelt einmal mehr das Fehlen der Abschlussberichte aus den vergangenen Jahren, während Gieseler anregt, die Städtischen Betriebe angesichts der „undurchsichtigen“ Verflechtungen mit den Stadtwerken aufzulösen und die Aufgaben in einem neu geschaffenen Fachbereich 70 der Stadt zu übertragen.
Die Beziehungen der beiden städtischen Unternehmen und die personellen Überschneidungen (Doppelfunktion von Stadtwerke-Geschäftsführer und Leiter der Städtischen Betriebe) waren indes auch schon Thema eines Akteneinsichtsausschusses Anfang des vergangenen Jahres. Passiert ist seitdem jedoch nichts, insofern könnte auch hier zum Abschluss ein Faust-Zitat passen: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ (Von Niels Britsch)