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Zwischen Karriere, Fußball und Koran

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Dietzenbach - Seine Schützlinge, aber auch er selbst haben mit mehr als einem Vorurteil zu kämpfen: „Erstens sind wir Marokkaner und zweitens kommen wir aus Dietzenbach“, sagt Abdelali Ettahri, Jugendbeauftragter der marokkanischen Tawhid Moschee. Von Katharina Platt

„Wenn man das in einer Bewerbung liest, kommt das oft nicht gut an.“ Der Jugendbeauftragte wünscht sich ein besseres Image für seine Landsleute. Auch deshalb engagiert er sich ehrenamtlich in der marokkanischen Gemeinde. Erst seit Ende letzten Jahres gibt es die Position des Jugendbeauftragten in der Moschee an der Justus-von-Liebig-Straße, eine Aufgabe, die der 27-Jährige gerne übernimmt. Er kennt die Probleme, mit denen die Jugendlichen zu kämpfen haben, aus eigener Erfahrung. Als Elfjähriger kam er aus Marokko. Kein Wort Deutsch sprachen er und seine Familie damals. „Mein Vater konnte mir nicht bei den Hausaufgaben helfen, aber er hat mir immer wieder gesagt, wie wichtig gute Noten sind, und wenn es sein musste, habe ich zu Hause gelernt, anstatt Fußball zu spielen.“ Die Mühen haben sich gelohnt. Abdelali Ettahri hat eine Ausbildung zum Mechatroniker gemacht, sein Abitur nachgeholt und vier Jahre die Technikerschule besucht. Heute ist er Maschinenbautechniker und arbeitet in Obertshausen. Er wünscht sich, dass die Jugendlichen aus seiner Gemeinde ihre Chancen ebenso nutzen und nicht auf die schiefe Bahn geraten. „Wir haben die gleichen Chancen wie deutsche Jugendliche“, sagt er überzeugt. In seiner Position als Jugendbeauftragter bietet er nicht nur Nachhilfe, die Übersetzung von Predigten, Arabischunterricht und Beratung an, sondern ist auch Ansprechpartner für Eltern und die Polizei. Es sei wichtig, dass den Eltern die Bedeutung von Bildung klar wird. „Opfer sind die Kinder, und das hat Folgen für die ganze Stadt“, fasst es der junge Marokkaner zusammen.

Um die Jugendlichen von der Straße zu holen, hat Ettahri einen Jugendtreff ins Leben gerufen. Jeden Freitagabend treffen sich bis zu 80 Jugendliche in den Räumen der Moschee. Hauptsächlich Jungs kämen zu den regelmäßigen Treffen, bei denen Vorträge gehalten und verschiedene Projekte umgesetzt werden. Einmal referiert Ettahri, ein anderes Mal die Neun- bis 28-Jährigen selbst. „Es geht nicht immer um Religion“, versichert er. „Die Moschee ist ein Ort, der verbindet.“ Dennoch warnt er vor der Bildung von „Ländergruppen“ – Jugendcliquen, die sich von anderen Nationalitäten abgrenzen.

Die Arbeit mit den Jugendlichen sei nicht immer einfach. „Die Pubertät ist eine schwierige Zeit.“ Auch mit straffällig gewordenen Teenagern hat er schon gearbeitet. Der passionierte Fußballspieler fühlt sich gut integriert. Nicht nur in der Gemeinde ist er aktiv, sondern auch als Fußballtrainer in Ober-Roden. Mehrere Projekte stehen auf der Agenda der marokkanischen Jugendlichen. Ein Kampfsport-Projekt, ein Fußballturnier und eine Beteiligung am „Fest ohne Grenzen“ sind in der nächsten Zeit geplant. Viele Angebote sind nicht nur für Marokkaner gedacht. „Wir sind offen für jeden“, sagt Ettahri. In seinem hellen Wohnzimmer erinnert viel an die Heimat seiner Eltern. Der Koran, verziert mit goldenen arabischen Buchstaben, liegt in einer hölzernen Buchstütze. Auf einem runden Tisch steht ein silbernes Tablett. In zierlichen Gläschen dampft süßer, marokkanischer Pfefferminztee. Hier lebt der engagierte Moslem mit seiner Frau und seiner zweijährigen Tochter. Die Familie ist in Dietzenbach angekommen. Das Gefühl, zuhause zu sein, wünscht er auch anderen. Das Projekt „Jugendarbeit“ in der Moschee ist erfolgreich gestartet, dennoch würden sich Ettahri und seine Mitstreiter mehr Unterstützung von der Stadt wünschen. „Mehr Weiterbildungsmöglichkeiten für junge Menschen wären toll.“

Fast jeden Abend geht Abdelali Ettahri in die Moschee zum Gebet. Nur dann nicht, wenn er seine Fußballmannschaft trainieren muss. Das Training geht vor.

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