1. Startseite
  2. Region
  3. Dreieich

Ruhestand ist nicht ihr Ding

Erstellt:

Von: Frank Mahn

Kommentare

Eingespieltes Team: Edith Schaffrinski führt ein weitgehend selbstbestimmtes Leben. Wenn sie Unterstützung braucht, steht ihr Betreuer Klaus Weiland zur Seite.
Eingespieltes Team: Edith Schaffrinski führt ein weitgehend selbstbestimmtes Leben. Wenn sie Unterstützung braucht, steht ihr Betreuer Klaus Weiland zur Seite. © behindertenhilfe

Zum Internationalen Frauentag am heutigen Mittwoch können die unterschiedlichsten Geschichten erzählt werden. Eine besondere stammt von Edith Schaffrinski aus Dreieich, die sich nicht unterkriegen lässt und auch im Alter von 65 Jahren einen neuen Job gefunden hat.

Dreieich - Edith Schaffrinski könnte seit ein paar Monaten im Ruhestand sein – doch daran verschwendet sie keinen Gedanken. „Da habe ich keine Lust drauf. Was soll ich denn zu Hause?“ So suchte sie sich mit 65 einen neuen Job, nachdem ihr Arbeitgeber betriebsbedingt vielen Kolleginnen und Kollegen gekündigt hatte. Sie bewies sich bei einem Praktikum und arbeitet nun mit einer festen Anstellung in Fechenheim.

Viel Tatendrang

Tatendrang zeichnet Edith Schaffrinski aus. Sie gestaltet ihr Leben aktiv nach ihren Wünschen und so selbstbestimmt wie möglich. Von den unzähligen Barrieren, die Menschen mit einer geistigen Behinderung im Alltag erleben, lässt sich Schaffrinski nicht beirren. Sie hat eine positive Sicht auf die Dinge. „Wir haben alles schon hingekriegt“, fasst sie zusammen. „Sie ist eine Frau, die weiß, was sie möchte. Und sie steht zu ihren Entscheidungen“, beschreibt sie ihr Betreuer Klaus Weiland. Er unterstützt Schaffrinski seit 2019.

Gerade beim Thema Wohnen und Arbeiten hatten Menschen mit Behinderung vor einigen Jahrzehnten kaum Auswahl. So arbeitete auch Edith Schaffrinski zunächst in einer geschützten Werkstatt – bis es ihr dort nicht mehr gefiel und sie in eine andere Werkstatt wechselte. In der integrativen Kindertagesstätte Tabaluga der Behindertenhilfe Offenbach arbeitete sie ebenfalls einige Jahre, wechselte dann noch zweimal den Arbeitgeber und hatte immer große Freude an der Arbeit.

Auch ihre aktuelle Tätigkeit macht ihr viel Spaß. Bei einem Großhändler für Anhängerersatzteile und Zubehör ist sie die einzige Frau in einem Männerteam, doch davon lässt sich Edith Schaffrinski nicht einschüchtern: „Ich lasse mich nicht unterkriegen und kann mich da auch durchsetzen“, erzählt sie lachend. „Sie fühlt sich dort sehr wohl“, weiß Klaus Weiland. Den Weg nach Fechenheim und zurück legt sie selbstständig mit Bus und Bahn zurück.

Selbst in die Hand genommen

Ihre Wohnsituation nahm Edith Schaffrinski ebenfalls in die Hand: Sechs Jahre lang lebte sie in der Offenthaler Wohngruppe der Behindertenhilfe. „Dann wollte ich nicht mehr in einer WG wohnen. Ich wollte selber kochen, waschen und den Haushalt machen. Das habe ich gesagt und mein damaliger Betreuer und ich haben eine eigene Wohnung für mich gesucht.“ Vor knapp 20 Jahren zog sie in eine Wohnung in Sprendlingen und wird seither von Mitarbeitenden des Ambulant Betreuten Wohnens einmal in der Woche unterstützt, vor allem bei Briefen und Anträgen. Ihren Alltag mit den zwei Katzen Heintje und Heino organisiert sie selbst.

Sehr gerne besucht Edith Schaffrinski Freizeitangebote wie den Freitagsclub des Fördervereins Behindertenhilfe Dreieich oder die Neu-Isenburg-Runde, bei der sich Klientinnen und Klienten und Mitarbeitende des Ambulant Betreuten Wohnens treffen. Sie freut sich jedes Mal sehr, die anderen zu sehen. „Wir kennen uns ja alle gut, einige kenne ich sogar noch aus der Zeit in der Wohngruppe Offenthal – also seit mehr als 20 Jahren“, erzählt sie.

Zweimal am Tag schaut Edith Schaffrinski Nachrichten, interessiert sich für das Weltgeschehen und ihre Mitmenschen, macht sich Gedanken – und bleibt dabei nicht tatenlos. Am Herzen liegen ihr Gerechtigkeit und Frieden. „Wenn Edith Schaffrinski etwas ungerecht findet, möchte sie darüber reden und sich engagieren. Dann gibt sie auch nicht auf.“, berichtet Klaus Weiland. Mithilfe ihres früheren Betreuers schrieb sie vor vielen Jahren einen Brief an die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Begrenzung von Waffenexporten der deutschen Rüstungsindustrie. Auch was Ungerechtigkeiten betrifft, die sie aufgrund ihrer Behinderung erfährt, lässt sie nicht locker. Als Redakteurin der Zeitschrift „Fragezeichen“ des Ambulant Betreuten Wohnens sagt sie ebenfalls ihre Meinung.  fm

Auch interessant

Kommentare