Dreieich: Attacke mit Reizgas neue Stufe der Eskalation - Feuerwehrmann berichtet aus Silvesternacht

In der Silvesternacht werden zwei Feuerwehrmänner in Dreieich mit Reizgas angegriffen. Einer der Männer berichtet von dem Vorfall.
Dreieich – Auch am Dienstagmorgen (3. Januar) ist für Sven Bertog immer noch schwer zu begreifen, was ihm in der Silvesternacht widerfahren ist. Der Sprendlinger ist einer von zwei Feuerwehrleuten, die von einem betrunkenen 19-Jährigen mit Reizgas attackiert wurden. Beide mussten im Krankenhaus ambulant behandelt werden.
Ein Pflaster an der Stirn ist das sichtbare Zeichen nach einer Nacht, die Sven Bertog niemals vergessen wird. „Für mich ist das immer noch unerklärlich“, sagt der 39-Jährige, der seit 27 Jahren Mitglied der Feuerwehr ist und seinen Dienst ehrenamtlich verrichtet. Der verheiratete Familienvater kommt mit einem kleinen Einsatzfahrzeug gegen 1.45 Uhr aus Offenthal, wo es einen Brand zu löschen gab, und will zurück in die Feuerwache Nord an der Maybachstraße. Schon auf dem Weg nach Offenthal werden Fahrzeuge der Einsatzkräfte von Chaoten mit Raketen beschossen und mit Flaschen beworfen.
Auf dem Rückweg erlebt der stellvertretende Wehrführer der Sprendlinger Feuerwehr eine Situation, die ihm noch eine Weile zu schaffen machen wird: Als er von der Darmstädter Straße in die Hauptstraße abbiegt, wird Bertog – er ist allein im Fahrzeug – zu einer Vollbremsung gezwungen, weil ein junger Mann vors Auto springt. Sven Bertog beugt sich auf die Beifahrerseite, kurbelt die Scheibe runter und fragt, ob er helfen kann. Daraufhin sprüht ihm der Täter Reizgas ins Gesicht. Der ist nicht allein, sondern gehört zu einer Gruppe von fünf oder sechs Leuten.
„Mir ist erst mal die Luft weggeblieben“: Feuerwehrmann aus Dreieich berichtet von Reizgas-Angriff
„Mir ist erst mal die Luft weggeblieben, ich konnte kaum sprechen und fast nichts sehen“, schildert das Opfer. Dennoch gelingt es Bertog, mit dem Auto weiterzufahren, denn er will so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone. Auch schafft es der Feuerwehrmann, einen Notruf abzusetzen. Kurz darauf sind Kollegen, Polizei und Rettungssanitäter vor Ort, die Erste Hilfe leisten. Beim Anblick der herannahenden Einsatzkräfte ergreift der Täter die Flucht und attackiert dabei einen weiteren Feuerwehrmann mit Reizgas.
Angemerkt: Nicht in Watte packen
Knast statt Sozialstunden? Hoffentlich! Nicht nur in Berlin trieben in der Silvesternacht Krawallmacher ihr Unwesen, beschossen Rettungskräfte mit Raketen und verwickelten Polizisten in Straßenschlachten. Der 19-Jährige, der zwei Dreieicher Feuerwehrmänner mit Reizgas attackiert hat, gehört hart bestraft. Wer derart brutal und skrupellos vorgeht, darf nicht mit Milde rechnen. Der notwendige Strafrahmen ist da, er sieht sogar Freiheitsstrafen vor. Und sollte eine Strafe nicht eine abschreckende Wirkung haben? Menschen, die uns schützen, müssen wir auch schützen.
Frank Mahn
Im Rahmen der Fahndung schnappt die Polizei den Flüchtigen und nimmt ihn vorübergehend fest. Mehrere Zeugen identifizieren den 19-Jährigen, der 1,6 Promille Alkohol im Blut gehabt haben soll. Ihn erwartet jetzt ein Verfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Und nicht nur Sven Bertog hofft, dass sein Peiniger vor Gericht nicht mit einem milden Strafmaß davonkommt.
Dreieich: Feuerwehr nach Angriff an Silvesternacht geschockt
„Ich habe in der Nacht noch mehrfach geduscht“, sagt Sven Bertog. Ein Schock ist das Ereignis auch für seine Familie. „Meine Tochter hat den ganzen Morgen geweint, als sie es erfahren hat“, sagt der Sprendlinger. An seiner Motivation, als Feuerwehrmann für andere da zu sein und im besten Fall Leben zu retten, werde sich nichts ändern, meint Bertog.
„Wir machen unsere Arbeit aus Überzeugung“, ergänzt Stadtbrandinspektor Markus Tillmann. Er ist seit mehr als 40 Jahren im Geschäft, „aber das ist eine neue Stufe der Eskalation“. Fahrzeuge seien mit Absicht beschossen, Menschen mutwillig verletzt worden. Aber: „Das ist eine absolute Minderheit, 99,999 Prozent der Bevölkerung wertschätzen unsere Arbeit“, sagt Tillmann. Der Feuerwehrchef hält nichts von einem Böllerverbot, weil es auch die träfe, die sich an die Vorgaben hielten. » (Frank Mahn)