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Neuer Anlauf zur letzten Ruhe

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Wilhelm Ott von den Freunden Sprendlingens und Kreis-Denkmalpflegerin Gesine Weber setzen die bei Bauarbeiten gefundenen menschlichen Knochen bei. Pfarrer Winfried Gerlitz sorgte für eine würdige Bestattung nach christlicher Tradition.  (c)Foto: Sauda Bis 1838 diente der Kirchhof in Sprendlingen als Ort für Bestattungen
Wilhelm Ott von den Freunden Sprendlingens und Kreis-Denkmalpflegerin Gesine Weber setzen die bei Bauarbeiten gefundenen menschlichen Knochen bei. Pfarrer Winfried Gerlitz sorgte für eine würdige Bestattung nach christlicher Tradition.  (c)Foto: Sauda Bis 1838 diente der Kirchhof in Sprendlingen als Ort für Bestattungen © Sauda

Sprendlingen - Die Kirchenglocken läuten, Pfarrer Winfried Gerlitz spricht ein Gebet am Grab. An diesem Tag sieht er sich keinen trauernden Angehörigen gegenüber, er steht auch nicht auf dem Friedhof am Lacheweg. Von Cora Werwitzke

Selten waren die Umstände einer Beisetzung für den evangelischen Pfarrer ungewöhnlicher: Menschliche Gebeine aus dem frühen 19. Jahrhundert, eventuell auch noch älter, sollen ihre letzte Ruhe finden. Beim letzten Mal reichte dieser fromme Wunsch nur für grob geschätzt 200 Jahre.

Hintergrund ist, dass die Erasmus-Alberus-Gemeinde einen Teil ihres Kirchhofs per Erbpacht zur Verfügung gestellt hat. Der Pächter baut an der Mariahallstraße derzeit ein Haus, bei den Erschließungsarbeiten stießen die Bauarbeiter auf die menschlichen Knochen – einen vollständigen Schädel und etliche Schädelteile. Ein Fall für den Kreis-Denkmalschutz: Fachfrau Gesine Weber sichtete die Gebeine und knüpfte Kontakt zu den Freunden Sprendlingens. Die in einem Verein organisierten Heimatkundler waren sich einig, dass die Knochen „nicht einfach entsorgt werden sollten“, wie es Dr. Wilhelm Ott formuliert. Zusammen mit Pfarrer Winfried Gerlitz sprachen sie sich für eine würdige Bestattung aus. „Als Geste diesen Menschen gegenüber, die einst Wünsche, Gefühle und Träume hatten“, sagt Ott. Von wie vielen Personen die Überreste stammen, lässt sich nach seinen Worten nicht sagen. „Es wurde ja keine wissenschaftliche Untersuchung vorgenommen.“

Als Ort der nun wirklich letzten Ruhe wählte die Gemeinde einen geschützten Winkel im Kirchgarten aus – nicht weit entfernt von jener Stelle, an der die Knochen gefunden wurden. Selbst im Aushub der kleinen viereckigen Grube kamen angesichts der früheren Tradition, Verstorbene neben der Kirche zu bestatten, weitere Gebeine zum Vorschein. Denkmalpflegerin Gesine Weber und Wilhelm Ott von den Freunden Sprendlingens übernahmen die Rolle der Bestattungshelfer und ließen die bei den Bauarbeiten gefundenen Knochen in das 1,20 Meter tiefe Grab hinab. Künftig soll wieder eine Grasnarbe über die mit Erde aufgefüllte Bestattungsstätte gelegt werden. Es ist nicht vorgesehen, so Ott weiter, das Grab ansonsten kenntlich zu machen.

Bestattung auf Britisch

„Wenn man neben einer Kirche ein Loch gräbt, findet man immer etwas, das ist normal“, berichtet Kreis-Denkmalpflegerin Gesine Weber. Rund um die Erasmus-Alberus-Kirche sind jedoch erst mal keine weiteren Knochenfunde zu erwarten. Nach Worten von Wilhelm Ott sind die Bauarbeiten beendet. Allerdings stießen Bauherren bereits vor einigen Jahrzehnten im direkten Umfeld der Kirche auf menschliche Überreste. „Als in den 1950er Jahre ein Teil des damals noch größeren Kirchhofs verkauft und bebaut wurde, kamen bei Kellerarbeiten seinerzeit schon Knochen zum Vorschein.“

Dass diese Gebeine mindestens 175 Jahre alt sein müssen, rührt daher, dass der Heimatforscher die letzte im Kirchhof erfolgte Bestattung konkret auf das Jahr 1838 datieren kann. „So lange war der Kirchhof als Bestattungsort im Betrieb.“ In jenem Jahr sei schließlich der Friedhof im Lacheweg eingeweiht worden. Die direkte Vorgängerkirche der Erasmus-Alberus-Kirche entstand übrigens 1716, sie war ein ganzes Stück kleiner als das heutige Gotteshaus.

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