Bedarf an Betreuungsplätzen ist in Götzenhain größer als das Angebot

Drohender Engpass in der Karl-Nahrgang-Schule in Götzenhain: Nach aktuellem Stand gibt es zu Beginn des nächsten Schuljahres nicht genügend Betreuungsplätze für die Grundschüler. In einem Brief haben die AWO Soziale Dienste gGmbH als Trägerin der Betreuung und Schulleiterin Sandra Neubauer die Eltern über die zu erwartende Misere informiert.
Dreieich - In dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, verweisen die Verfasserinnen darauf, dass zum jetzigen Zeitpunkt nicht genügend räumliche Kapazitäten vorhanden sind, um den Bedarf zu decken. Auf der Anmeldeliste stehen 160 Namen. Im schlimmsten Fall könnte es nicht einmal bei den aktuell 145 Plätzen bleiben, eine Reduzierung auf 120 sei nicht auszuschließen. Der Grund: Durch die steigende Zahl an Erstklässlern müsse man vermutlich Räume abgeben, die wieder als Klassenzimmer benötigt werden.
„Über diese prekäre Situation wurden der Schulträger und die Kommune schon frühzeitig informiert“, ist in dem Brief zu lesen. Man sei auch im Austausch, aber eine konkrete und zeitnahe Lösung zeichne sich nicht ab. Zwar habe die Stadt ein angrenzendes Wohnhaus angeboten, bei dem aber „erheblicher Sanierungsbedarf“ festgestellt worden sei. Eine Nutzung nach den Sommerferien sei ausgeschlossen. Aktuell, heißt es weiter, prüfe der Kreis, ob Container als Übergangslösung dienen können. All das führe dazu, „dass wir Ihnen heute leider noch kein Angebot für einen Betreuungsplatz zum neuen Schuljahr unterbreiten können, da wir keinen Einfluss auf die räumliche Situation haben“.
Diese Perspektive ohne Planungssicherheit sorgt bei vielen Eltern für Frust. Die enttäuschte Mutter eines angehenden Erstklässlers, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, hat in einer Mail an die Redaktion Dampf abgelassen. Es sei ernüchternd, dass das seit Jahren bekannte Problem fehlender Räumlichkeiten seitens der Verwaltung bislang nicht gelöst werden konnte. Stattdessen würden die Familien von Verwaltung und Politik sehenden Auges im Stich gelassen. „Sicherlich hätte die Politik schon vor Jahren die Infrastruktur von Kindergärten, Schulen und Betreuung den aufgrund der Schaffung von Neubaugebieten absehbar steigenden Schülerzahlen entsprechend anpassen müssen. Dies wurde schlicht versäumt. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die öffentlichen Stellen wenigstens jetzt Hand-in-Hand – rechtzeitig – eine pragmatische Lösung gefunden hätten. Beiden Elternteilen der betroffenen Familien ist so eine Ausübung ihres Berufs schlicht nicht möglich (selbst halbtags bei Schulschluss um 11.30 Uhr nicht möglich). Für die betroffenen Familien ist das eine Katastrophe.“
Die Götzenhainerin hofft dennoch, dass sich die Dinge in der Kürze der Zeit noch zum Guten wenden und auch für künftige Jahrgänge eine Betreuung rechtzeitig sichergestellt werden kann. Im Gegensatz zur Kitabetreuung, bei der die Stadtverwaltung mit dem nicht beherrschbaren Problem des Personalmangels konfrontiert sei, gehe es bei der Schulbetreuung „nur“ um einen Mangel an Räumen, so die Mutter. Kurzfristig und kostengünstig, meint sie, müsse es möglich sein, vorübergehend Klassenräume zur Verfügung zu stellen.
Schule, AWO, Stadt und Kreis sind nach Angaben von Sandra Neubauer seit einem Jahr in Gesprächen, um einen Ausweg zu finden. „Das Problem hat sich noch zugespitzt, da der jetzt kommende Jahrgang möglicherweise dreizügig ist, es dann eine erste Klasse mehr gibt und entsprechend ein Klassenraum mehr benötigt wird“, so die Schulleiterin. Stand jetzt gebe es zu wenig Betreuungsplätze. „Wir können natürlich die Plätze erst vergeben, wenn wir wissen, wie viele wir sicher haben. Da braucht es noch etwas Geduld.“ Auch Neubauer sehnt eine Lösung herbei, denn die Schulleiterin weiß um die Situation vieler Eltern, für die eine verlässliche Betreuung extrem wichtig sei.
Das benachbarte Haus sei für dieses Jahr keine Option, könne aber mittelfristig das Problem beheben, meint Neubauer. Die Schule habe in den vergangenen Jahren bereits viel getan, so könnten die Kinder der Betreuung die Turnhalle ab halb zwölf mitnutzen und auch für die Hausaufgaben würden Räume in der Schule genutzt. „Wir sind Grundschule mit Ganztagsprofil, bei uns werden Sie nie mittags um zwei kommen und alle Räume sind leer. Die meisten sind noch bis in den Nachmittag belegt“, sagt Neubauer.
Die Stadt habe in den vergangenen Wochen gemeinsam mit der DreieichBau AöR verschiedene Lösungsmöglichkeiten geprüft und stufenweise Erweiterungsmaßnahmen entwickelt – mit dem Ziel, mindestens die derzeitigen 145 Betreuungsplätze zum Schuljahr 2022/2023 zu erhalten, so Rathaus-Sprecherin Claudia Scheibel. Eine Interimslösung könne allerdings nur in Abstimmung mit dem Schulträger und mit der Zustimmung der Bauaufsicht des Kreises umgesetzt werden. Das gelte beispielsweise auch für eine Containerlösung. Scheibel gibt sich optimistisch. „Wir sind noch zuversichtlich, dass wir dem Träger der Betreuung zum neuen Schuljahr geeignete Räumlichkeiten zur Sicherstellung des Betreuungsangebots anbieten können. Voraussetzung ist allerdings, dass alle Akteure zügig mitwirken.“ Die Sprecherin betont, dass die Schulkindbetreuung im Unterschied zum städtischen Hort nicht in der alleinigen Verantwortung der Stadt liege.
Kreis-Pressesprecherin Ursula Luh bestätigt auf Anfrage, dass die Fachleute in Dietzenbach momentan prüfen, ob an der Götzenhainer Grundschule die Möglichkeit besteht, Container aufzustellen. » Angemerkt
Ständig wird mit heißer Nadel gestrickt
Als ob die Kinder vom Himmel fallen. Seit Jahren schon hat die Karl-Nahrgang-Schule Schwierigkeiten, ausreichend Räumlichkeiten für die Betreuung vorzuhalten. Im Schuljahr 2021/22 konnte die Lücke gerade noch rechtzeitig geschlossen und die Zahl der Plätze auf die benötigten 145 aufgestockt werden. Damals wurden Klassenräume umgewidmet, um Härtefälle zu vermeiden. Wenn jetzt nicht schnell eine praktikable Lösung gefunden wird, sind 40 Kinder nach den Sommerferien ohne Betreuungsplatz – für Eltern kann das auch eine Existenzfrage sein. Im Brief an sie steht folgender bemerkenswerter Satz: „Zusammen mit der Schule haben wir (Anm. d. Red. die AWO) den Kreis Offenbach und die Stadt Dreieich auf die Situation des Raummangels schon 2019 aufmerksam gemacht.“ Und was ist in den drei Jahren passiert? Augenscheinlich nichts! Dabei steht das angrenzende Haus nicht erst seit gestern dort. Aufgrund seiner Lage, es gehört zum Schulgelände und ist über den Hof zu erreichen, kann das Gebäude das Problem lösen. Dass es sanierungsbedürftig ist, wird im Rathaus nicht erst seit gestern bekannt sein. Man hätte es halt angehen müssen, statt jetzt auf den letzten Metern wieder mit der heißen Nadel zu stricken. fm
Von Nicole Jost Und Frank Mahn