Bekannte Übersetzerin wohnt jetzt in Dreieichenhain

Fast jeder kennt den netten alten Pettersson, der mit seinem Kater Findus in Schweden lebt und mit den Mucklas, den kleinen Wesen, die im Küchenfußboden wohnen, so manches Abenteuer erlebt. Der Kinderbuchklassiker des schwedischen Autoren Sven Nordqvist fehlt vermutlich in keinem Kinderzimmer. Insbesondere die jüngeren Bücher der Reihe „Pettersson und Findus“ haben einen Bezug zu Dreieichenhain: Maike Dörries, seit einem Jahr in der Erbsengasse in der Altstadt zu Hause, ist die Übersetzerin.
Dreieichenhain - „Natürlich ist diese Serie eine Herzensangelegenheit, weil sie so erfolgreich ist und weil die Übersetzungen einfach nur Spaß machen. Aber diese Bücher sind nur ein Teil meiner Arbeit“, erklärt die 56-Jährige, die in Ostfriesland aufgewachsen ist. Nach ihrem Studium der Germanistik und Anglistik hat Maike Dörries noch die Skandinavistik und das Niederdeutsche dazu genommen. „In dem Studiengang war ein Sprachkurs dabei, aber der Fokus lag auf der Landeskunde und der Literatur“, berichtet die Übersetzerin. Die Liebe zu den nordischen Ländern, insbesondere Schweden, ist viel früher geboren. Als Kind ist sie mit Eltern und ihrer Schwester oft in Schweden. Dort lernen die Norddeutschen eine Familie mit fünf Kindern kennen. Es entsteht eine innige Freundschaft. Die Sprache fliegt ihr spielerisch zu, mit 17 besucht sie einen Schwedisch-Kurs.
Während das Studium ursprünglich auf Lehramt ausgerichtet war, weiß Maike Dörries schnell, dass sie Übersetzerin werden möchte. „Ich habe früh sehr selbstbewusste Übersetzungsproben an die großen Verlage geschickt – und sehr nette Absagen bekommen“, erzählt sie lachend. Kontakte mit skandinavischen Autoren und Verlagen knüpft sie dann in ihrer ersten Anstellung als Lektorin bei Beltz+Gelberg, die sie in Weinheim antritt. „Es gab damals noch kein Internet: Damals musste ich noch Klinkenputzen, das fiel mir nicht leicht“, erzählt Dörries. Mit den Jahren stellt sich der Erfolg ein, Dörries übersetzt aus dem Schwedischen, dem Dänischen und dem Norwegischen. Sie überträgt Bilderbücher, Kinderbücher, Krimis oder auch Kochbücher ins Deutsche. Sven Nordqvist kommt vor zehn Jahren dazu, auch die Neuauflage von „Wickie und die starken Männer“ stammt aus ihrer Übersetzungsfeder, ebenso Jo Nesbos „Der Leopard“: „Ich liebe die skandinavischen Krimis, aber manchmal grusele ich mich bei der Übersetzung selbst richtig.“
Ihre Arbeit ist eine einsame Angelegenheit. Dörries sitzt viele Stunden im Dachgeschoss über den Manuskripten und übersetzt. Dabei geht es – außer bei klassischer Literatur – nicht um Wort für Wort, sondern um einen guten Lesefluss. Bei der ersten Bearbeitung werden die Texte ins Deutsche übertragen, bei der zweiten Runde geht es um das Feintuning. Zwischen zehn und 15 Seiten schafft Maike Dörries am Tag. Inzwischen sind es über 300 Bücher, die sie alle in der Originalsprache und der Übersetzung in einem der vielen Regale in dem hübschen Fachwerkhaus aufbewahrt. „Darüber hinaus gebe ich Workshops, bin auf Buchmessen in Deutschland und Skandinavien und engagiere mich für den Übersetzernachwuchs“, erläutert sie.
Maike Dörries ist längst eine der großen Namen der Szene und hat in der vergangenen Woche den Rebekka Preis 2022 vom Freundeskreis zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen für ihr „übersetzerisches Gesamtwerk, die Vielseitigkeit ihres Schaffens und ihren unermüdlichen Einsatz für die Vermittlung skandinavischer Kinder- und Jugendbuch-Literatur“ verliehen bekommen. „Ich fühle mich sehr anerkannt und wertgeschätzt durch diesen Preis, der überhaupt erst das zweite Mal verliehen wurde. Es ist auch schön, wenn die von mir übersetzten Bücher Preise gewinnen.“ Selbst zu schreiben hat sie dabei nie in Betracht gezogen. Dabei hätte es eine gute Gelegenheit gegeben: Vor wenigen Jahren entdeckt sie in Gotland in einem Gästebuch eines Cafés einen Eintrag zweier Mädchen: „Der Sommer war doof, weil unsere Papas schwul geworden sind“. „Das war so eine grandiose Jugendbuchidee, die ich an den norwegischen Autor Endre Lund-Eriksen weitergegeben habe. Er hat das Buch geschrieben, ich habe es übersetzt und es ist unter dem wenig mutigen Titel ,Der Sommer, in dem alle durchdrehten’ erschienen.“
Vor einem Jahr ist sie mit ihrem Mann, einem Schulleiter, von Mannheim nach Dreieich gezogen: „Wir fühlen uns sehr wohl“ sagt sie. Im RHS-Chor und beim Sport hat sie schon Anschluss gefunden und freut sich besonders auf ihre ersten Burgfestspiele vor ihrer Haustür.
Von Nicole Jost