Abenteuer beginnt vor der Haustür

Der Rucksack steht bereit. Die Jakobsmuschel, das Erkennungszeichen der Pilger, ist daran befestigt und auch die Route ist geplant: Am 2. Mai startet die Offenthalerin Eva Pforr ihr großes Abenteuer. Von ihrer Haustür aus wandert sie bis zur Kathedrale von Santiago de Compostela den Jakobsweg.
Dreieich - 2500 Kilometer – über den Fernwanderweg nach Frankfurt, dort dem Jakobsweg folgend bis Bingen, von Koblenz bis Trier. Dort wechselt sie auf den Martinsweg und geht über Luxemburg und Südbelgien bis Reims in Frankreich, weiter an die spanische Grenze über die anspruchsvolle Strecke durch die Pyrenäen bis an die Nordküste Spaniens und dort über den Camino del Norte, den Küstenweg entlang bis nach Santiago de Compostela. Vier bis viereinhalb Monate wird sie mit ihrem Rucksack unterwegs sein.
Nicht die erste Wanderung
Es ist nicht die erste Wanderung von Eva Pforr. Die 31-Jährige ist 2017 den spanischen Teil des Jakobswegs schon einmal gelaufen. „Damals war es eine kleine Flucht, ich brauchte einen Tapetenwechsel“, erzählt sie. Die Wahl des Wegs ist nicht religiös motiviert: „Aber eine gewisse Spiritualität stellt sich auf dieser langen Strecke schon ein“, betont sie. Die fünfeinhalb Wochen haben ihr Leben verändert: „Das kann man schon so sagen. Ich habe gemerkt, wie wenig ich brauche, um glücklich zu sein“, erzählt die Elektronikerin, die bei der GSI in Darmstadt arbeitet und von ihrem Chef für die erneute Pilgerreise sechs Monate unbezahlten Urlaub genehmigt bekommt.
Die Leidenschaft fürs Reisen, die Neugier auf die Begegnungen mit fremden Kulturen und Menschen sind ihr in die Wiege gelegt. „Ich habe schon als kleines Kind am Strand mit einheimischen Kindern in Venezuela gespielt. Meine Eltern haben jede Ferien genutzt, um die Welt zu bereisen“, sagt sie. Beim Pilgern sei es einfach faszinierend zu erleben, nach vielen gelaufenen Kilometern fast meditativ unterwegs zu sein: „Man spürt nicht mehr, was alles weh tut, der Körper läuft einfach nur.“
Gute Vorbereitung
Für solch eine Unternehmung braucht es eine gute Vorbereitung. In Spanien ist der Pilgerweg gut ausgebaut. Es gibt viele Übernachtungsmöglichkeiten an der Strecke. Zu empfindlich darf man nicht sein, es sind meist Kloster, die größere Schlafsäle bieten. Für Deutschland und durch Luxemburg und Belgien hat Eva Pforr die Etappen geplant. Im Schnitt schafft sie 30 Kilometer am Tag. Auf ihrer längsten Etappe 2017 waren es 42 Kilometer. „Das Laufen hat einen enormen Trainingseffekt. In den ersten Tagen bin ich nur rund 20 Kilometer gegangen und alles tat weh. Mit jedem Tag wird es leichter“, hat sie ihre Ausdauer in guter Erinnerung.
Die Offenthalerin ist mit erstaunlich leichtem Gepäck unterwegs: „Sechs Kilo, aber ohne Wasser“, sagt sie. Die Rucksackfüllung ist pragmatisch: ein leichter Schlafsack, weil es in vielen Unterkünften keine Bettwäsche gibt. Außer den Wanderschuhen sind nur ein paar leichte Flip-Flops eingepackt. Bei der Kleidung setzt sie auf ein Minimum. Ein Hoodie, eine leichte Regenjacke. Dazu „die magischen Drei“, wie Eva Pforr es nennt: Drei Shirts, dreimal Unterwäsche, drei Paar Socken. „Dann hat man immer einmal eine Wechselmöglichkeit und trotzdem noch eine Reserve“, erläutert die Pilgerin. Am Wasserhahn in der Unterkunft wird gewaschen. „Wenn ich Glück habe, gibt es eine Waschmaschine.“ Ganz ähnlich verhält es sich mit der Dusche: In vielen Unterkünften ist sie kalt. „Dann weiß ich wieder, wie glücklich mich eine warme Dusche und ein bequemes Bett machen“, berichtet sie mit einem Lächeln. Wichtig ist außerdem die Reiseapotheke mit Pflastern, Paracetamol, Magnesium und Hirschtalgcreme für die geschundenen Füße.
Unterstützung
Ihr Mann unterstützt Eva Pforr bei ihren Plänen, wandert aber nicht mit. Er wird sie in Spanien an einigen Wochenenden besuchen. Das Laufen ohne Begleitung wird auf den ersten Etappen zur Herausforderung. „In Spanien werde ich viele Mitpilgerer haben. Überhaupt ist dort das Pilgern so alltäglich, auch die spanische Bevölkerung an der Strecke versorgt die Wanderer schon mal mit Obst aus dem Garten heraus.“ Damit alle Freunde, Bekannte und Verwandte auf dem Laufenden bleiben, wie es Eva Pforr auf ihren 2500 Kilometern ergeht, schreibt sie einen Reiseblog. Unter www.tonewhorizons.de können ihr alle Interessierten folgen. Auch Berichte über die Wanderung von 2017 und andere Reisen, wie nach Lappland oder eine Rucksacktour durch Italien, sind lesenswert.
Von Nicole Jost
