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Diskussion bei Dreieicher FDP zur Energieversorgung

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Über die Energiesicherheit diskutierten (ab Zweiter von links) René Rock, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag, Markus Weinbrenner (IHK) und Steffen Arta (Stadtwerke). Links ist Moderator Jan Blumenthal zu sehen.
Über die Energiesicherheit diskutierten (ab Zweiter von links) René Rock, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag, Markus Weinbrenner (IHK) und Steffen Arta (Stadtwerke). Links ist Moderator Jan Blumenthal zu sehen. © strohfeldt

Es ist das beherrschende Thema, mit vielen Ängsten behaftet. Die Rede ist von der Energiekrise. Um etwas Klarheit zu schaffen, lädt der Dreieicher FDP-Ortsverband zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Wie sicher ist die Energieversorgung in Dreieich: Weiße Weste oder droht ein Blackout?“ am Dienstagabend ins Foyer des Bürgerhauses. Eine der wenigen positiven Erkenntnisse ist die, dass die Gefahr eines Blackouts eher gering ist.

„Wir schätzen solche Runden, um sich austauschen, zu diskutieren und Argumente mitzunehmen“, sagt der stellvertretende Dreieicher FDP-Vorsitzende Jan Blumenthal, der die Moderation übernommen hat. René Rock, FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag und Energieexperte, spricht über die politische Seite, Markus Weinbrenner, Hauptgeschäftsführer der IHK Offenbach, über die Sorgen der Unternehmen und Steffen Arta, Geschäftsführer der Stadtwerke, über die Situation vor Ort. Angesichts der komplexen Materie werden aus den vorgesehenen Eingangsstatements von knapp fünf Minuten drei Referate mit zahlreichen Aspekten, die gar nicht alle aufgeführt werden können.

Rock, der in Berlin zum Thema Energie auch am Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen mitgearbeitet hat, möchte eine realistische Energiepolitik ohne Ideologie. In der jetzigen Situation nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine kann er die Position der Grünen zum Ausstieg aus der Kernenergie nicht nachvollziehen. Diese sei für die Versorgungssicherheit wichtig, zumal mit den AKWs auch erhebliche Summen an CO2 eingespart werden könnten. Im Koalitionsvertrag seien mit der erneuerbaren Energie und Gas als Zwischennutzung zwei Säulen der Versorgung festgelegt worden. Nach dem Wegfall des russischen Gases, das 60 Prozent des Bezugs in Deutschland ausgemacht hat, müsse über alles nachgedacht werden. Rock macht deutlich, dass die regenerative Energie nie alleine ausreichen werde, da es immer Wochen ohne Wind und Sonne geben wird. Es wird auch auf moderne Technologien zum CO2-Sparen und zur Energiegewinnung ankommen. Auch Themen wie Fracking in Deutschland zur Gewinnung von Gas müssten auf den Tisch, betont er auf Nachfrage. Rock hält das für sicher. Aber es sei schwer, gegen die öffentliche Meinung anzukommen. Zugleich macht er eine gewisse Naivität in Sachen Klimaschutz aus: „Wenn Strom aus Frankreich importiert wird, kommt dieser aus Atomkraftwerken.“ Für verwunderlich hält er das Verzögern der Strompreisbremse, die fast wichtiger sei als die Gaspreisbremse.

Von einer schwierigen Lage der Betriebe spricht Markus Weinbrenner von der IHK. Nach Corona mit den Problemen bei Lieferketten und Vorprodukten sowie dem Fachkräftemangel kommen nun die Inflation, die Kaufzurückhaltung und die hohen Energiepreise in Folge des Krieges hinzu. Bei einer Umfrage in der Region sagten 33 Prozent der Unternehmen, dass sie um ihre Existenz fürchten. Sorgen bereitet auch die Zurückhaltung bei den Investitionen. Weinbrenner befürchtet eine Deindustrialisierung des Landes. Angesichts preiswerterer Energiekosten im Ausland könnten Betriebe weggehen. Zugleich hebt er hervor, dass die Unternehmen dafür seien, alles zu nutzen, was Strom erzeugt und damit auch Kernkraftwerke. Positiv findet er, dass die Bundesregierung schnell die Terminals für Flüssiggas auf den Weg gebracht hat.

Stadtwerke-Chef Steffen Arta hält die Stromversorgung für Dreieich für gesichert. „Ich ärgere mich über die Diskussionen zu möglichen Blackouts.“ Unterbrechungen gebe es immer mal wieder, aber die Gefahr von längeren Ausfällen sei angesichts des europaweiten Netzes gering. Sorgen bereiten ihm aber mögliche Cyberattacken. Schlechter sehe es beim Gas aus. Bei einer Mangellage wären 8500 Haushalte in Dreieich betroffen. Es würde dauern, alle wieder ans Netz zu bekommen, da erst einmal alle Anschlüsse gesichert werden müssten.

Die Stadtwerke hätten auch die Grundpreise für Strom und Gas erhöhen müssen. Dank der langfristigen Einkaufspolitik lägen die Preise aber unter denen der diskutierten Strom- und Gaspreisbremse. Allerdings geht Arta davon aus, dass einige Familie die Preise nicht bezahlen können. Sorgen bereiten ihm zudem zusätzliche Kunden von Energieanbietern, die Konkurs anmelden müssten. Um alle versorgen zu können, müssen die Stadtwerke möglicherweise am Markt teuer nachkaufen, was die Kalkulation durcheinanderbringe.

Trotz aller Unwägbarkeiten zeigen sich die Experten zuversichtlich, in Sachen Gasversorgung durch den Winter zu kommen. Es dürfe halt nicht zu kalt werden. Und es müsse durch jeden gespart werden. Schwerer dürfte es aber im Winter 2023/24 werden, da dann kein russisches Gas für die Speicher mehr zur Verfügung steht.

Aus dem Publikum kommen zahlreiche Fragen, unter anderem zur Nutzung von Solarstrom. Zum Abschluss des Abends fragt Blumenthal nach einem Wunsch der Experten – abgesehen von dem, dass der Krieg gegen die Ukraine schnell zu Ende geht. Alle drei sprechen sich für mehr Rationalität in der Diskussion und auch mehr Technikoffenheit aus.

Von Holger Klemm

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