„Sie lassen Familien im Stich“: Mutter droht Jobverlust wegen fehlender Kita-Plätze
Fehlende Kita-Plätze sind großes Problem in Dreieich. Eine Alleinerziehende sucht verzweifelt einen Platz für ihren Sohn und fühlt sich im Stich gelassen.
Dreieich – Der kleine Sohn von Katrin Müller wirbelt durch sein Zimmer. Der Zweieinhalbjährige spielt mit einem Laster und versteckt sich lachend in seinem kleinen Zelt. „Er hätte Spaß im Kindergarten und bräuchte auch ganz dringend den Kontakt zu anderen Kindern“, sagt Katrin Müller. Eigentlich hat die Flug-Sicherheitsassistentin geplant, zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes mit etwas mehr als einer halben Stelle an den Flughafen zurückzukehren. Als Mitarbeiterin einer Fraport-Tochter hat sie keine Chance auf einen der Fraport-Kita-Plätze. Bei der Stadt ist sie bei ihren Bemühungen um einen Krippenplatz bislang gescheitert.
„Ich habe den Kleinen nach dem Wochenbett im Oktober 2020 – er ist im Juli geboren – bei der Stadt für einen Krippenplatz im Juli 2022 angemeldet. Ich bin nicht zum Zug gekommen“, erzählt die alleinerziehende Mutter. Das Kind steht auf der Warteliste in Dreieich im Kreis Offenbach sowie bei den Tagesmütterzentralen in Langen, Neu-Isenburg und Dietzenbach. Es sind nur noch wenige Monate bis zum dritten Geburtstag. Den Krippenplatz benötigt sie jetzt nicht mehr, ein Kindergartenplatz im Sommer ist ihr umso wichtiger. Ihr Arbeitgeber möchte nach zweimaliger Verlängerung der Elternzeit jetzt verständlicherweise Klarheit.

Fehlende Kita-Plätze in Dreieich: Alleinerziehender Mutter droht Kündigung
„Bis spätestens im April will mein Chef Bescheid wissen, ob ich im Juli wieder einsteigen kann“, berichtet die 38 Jahre alte Sprendlingerin. Das Wort Kündigung fällt in diesem Zusammenhang auch. „Ich habe als alleinerziehende und alleinverdienende Mutter Angst um meine Zukunft und die meines Sohnes, wenn ich meinen Arbeitsplatz verliere.“ Katrin Müller lässt sich anwaltlich beraten, seit einem dreiviertel Jahr läuft eine Klage gegen das Jugendamt im Kreis, das den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz erfüllen muss. Bislang ohne Erfolg.
„Ich möchte meinen Arbeitgeber, der bislang wirklich sehr kulant war, informieren, ob es mit meinem Wiedereinstieg im Juli klappen wird. Aber bei der Stadt ist derzeit kein Durchkommen, ich kann keinen Ansprechpartner erreichen.“ Müller hat es über das Telefon versucht und per Mail. Es läuft ein Band mit der Ansage, dass die Kita-Vergabestelle bis 1. März nicht besetzt ist und zwischen März und Mai über die Vergabe der Kita-Plätze entschieden wird. Per Mail kommt die gleiche Antwort und ein Brief bleibt ohne Reaktion.
Klage um Kitaplatz in Dreieich bislang erfolglos
Die automatisierten Antworten bezeichnet die Anwältin von Müller, eine Fachanwältin für Verwaltungsrecht, als „eine Frechheit“. Sie schreibt in einer Mail an die Stadt: „Sie lassen damit die Familien, die dringend auf einen Betreuungsplatz angewiesen sind, komplett im Stich und vernachlässigen Ihre ureigene Aufgabe.“ Für die Mutter ist die Nichterreichbarkeit quälend: „Ich würde einfach gerne in einem persönlichen Gespräch erklären, dass es für mich jetzt um meine Existenz geht. Ich habe bislang keine Sozialleistungen in Anspruch genommen und möchte das auch in Zukunft nicht“, ist die Mutter verzweifelt.
Nach der Klage um einen Krippenplatz wollte sie eine zweite für einen Kindergartenplatz eigentlich vermeiden. „Aber ich weiß mir ehrlich gesagt nicht anders zu helfen“, fürchtet sie, dass sie ihre Anwältin für eine zweite Klage engagieren muss.
Stadt Dreieich äußert sich zu fehlenden Kita-Plätzen: „Wir haben im Augenblick keine Kapazitäten“
Für die Stadt ist die Situation schwierig. Annemarie Stein, Ressortleiterin Kinderbetreuung, erläutert, warum es befristet für den Februar die automatisierten Antworten aus dem Rathaus gibt: „Wir haben im Augenblick keine Kapazitäten – nicht bei den Hortplätzen, nicht bei den Kindergartenplätzen und auch nicht in den Krippen. Die nächste reguläre Möglichkeit, einen Betreuungsplatz zu erhalten, ist im September nach den Ferien. Durch die Einschulung werden Kapazitäten in den Kindergärten frei und in Folge sind dann auch Krippenplätze nachzubelegen“, so Stein.
Daran ändere ein persönliches Gespräch leider nichts, auch wenn sie die Not und den Ärger der Familien sehr gut nachvollziehen kann. Ab März sind die Sprechzeiten wieder gesichert. Wie hoch die Chancen sind, dass der Sohn von Katrin Müller im September einen Platz bekommt, kann Stein derzeit nicht sagen. Bei der Vergabe der Kindergartenplätze zählt nach den Richtlinien der Stadt – neben zwei weiteren Kriterien – das Alter der Kinder. In den seltensten Fällen wird eine Einzelfallentscheidung getroffen.
Fachkräftemangel ist ein Grund für fehlende Kita-Plätze in Dreieich
Ein Vorrang für Alleinerziehende oder bei Mehrlingsgeburten gibt es nur bei der Vergabe der Krippenplätze. Der Sachstandsbericht Kinderbetreuung, den die Verwaltung jährlich erstellt, besagt, dass im Aufnahmejahr 23/24 166 Kinder keinen Platz in Dreieich bekommen. Die Zahl erhöht sich durch den Fachkräftemangel im Ü3-Bereich auf fast 300 fehlende Plätze.
„Wie es im September tatsächlich aussehen wird, können wir derzeit nicht genau sagen. Wir wissen nicht, in welchem Umfang es uns gelingt, neue Fachkräfte zu gewinnen, ob Mitarbeiter kündigen, ernsthaft erkranken oder schwanger werden. Wir wissen nicht, ob alle Kinder, die wir jetzt für die Einschulung einplanen, tatsächlich in die Schule kommen. Vielleicht sind es mehr, vielleicht sind es weniger, zumal Kinder auch bereits mit fünf Jahren eingeschult werden können.“ Stein bedauert die schwierige Lage der Eltern. (Nicole Jost)
Zuletzt sorgte in Dreieich ein Raser für Aufregung. Er fuhr mit 92 km/h durch die 30er-Zone.