Sprendlinger Turngemeinde: Ball bringt Jubiläum ins Rollen

Die Sprendlinger Turngemeinde (STG) eröffnet die Feierlichkeiten zu ihrem 175-jährigen Bestehen. An der Vorstandsspitze des Dreieicher Vereins gibt es einen Wechsel.
Dreieich – Es hätte der Werbetrailer einer Baumarktkette sein können. In schneller Folge zeigt der Animationsfilm, wie Leute ein Dach abreißen, Fliesen abschlagen, den Fußboden rausstemmen und mit allerlei schwerem Gerät sonstige handwerkliche Tätigkeiten verrichten. Der rasante Clip dokumentiert die Arbeiten des Bauteams am umfangreichsten Projekt der Sprendlinger Turngemeinde (STG) in den vergangenen Jahrzehnten: Abriss und Wiederaufbau der Vereinsturnhalle in der Rhönstraße, deren Einweihung 2022 endlich gefeiert werden konnte.
Der knapp 1200 Mitglieder zählende Sprendlinger Traditionsverein hat am Samstagabend im Bürgerhaus mit einem akademischen Ball die Feierlichkeiten zu seinem 175-jährigen Jubiläum eröffnet. Es ist ein in mehrfacher Hinsicht historisches Wochenende für die Turngemeinde. Denn am Sonntag schließt sich die Jahreshauptversammlung an, in der sich ein Wechsel an der Spitze vollzieht. Das „Power-Duo“ Matthias Matthes und Adrian Schrock, die treibenden Kräfte beim Projekt Hallenneubau, tritt nach zehn Jahren ab. Während manch anderer Verein händeringend Mitglieder sucht, die Verantwortung übernehmen, ist die Turngemeinde gut aufgestellt. Zu Matthes’ Nachfolger wird Maxim Kuznetsov gewählt. Der 24-Jährige war zuvor sechs Jahre Beisitzer im Vorstand und leitete bislang die mit fast 300 Mitgliedern stärkste STG-Abteilung Parkour. Als Stellvertreterin steht Sandrine Wolfraum (25) an seiner Seite. Zum Führungsteam gehören außerdem He Rong Huang, Benedikt Walter und Eduard Wilhelm.

Zurück zum Jubiläumsauftakt am Samstag: Maxim Kuznetsov und He Rong Huang führen als Moderatoren-Duo durch den Abend, bei dem ein Blick in die Geschichte nicht fehlen darf. Geschäftsführerin Anke Schmidt-Hiel und Kim Lehnert, Geschichtsstudentin und STG-Mitglied, haben recherchiert, alte Fotos und Dokumente gesichtet, Interviews mit Zeitzeugen geführt – und daraus einen kurzweiligen, auch mit vielen historischen Fotos garnierten Vortrag „gebastelt“, der von den Anfängen des Vereins bis in die Gegenwart führt. Dazu nur so viel, um den Rahmen nicht zu sprengen: Die Keimzelle der STG entstand 1848 im Gasthaus „Zum Löwen“ (später „Darmstädter Hof“), als sich einige junge Sprendlinger trafen, um einen Turnverein zu gründen. Was in 175 Jahren alles passierte, ist Inhalt einer Chronik, die Mitte des Jahres erscheint. Weitere Highlights des Jubel-Jahres werden die Turnschau sein, die nach sechs Jahren ihr Comeback feiert, und das Hooschebaafest auf dem Lindenplatz.
Dass die Turngemeinde nicht nur eine feste sportliche Größe der Stadt ist, sondern auch eine wichtige gesellschaftliche Rolle spielt, hebt Bürgermeister Martin Burlon in seinem Grußwort hervor. Vor allem mit Blick auf das Hooschebaafest, das der Verein von den Freunden Sprendlingens 2016 übernommen hat. Vor den Verdiensten des scheidenden Vorstands-Duos zieht Burlon seinen Hut. „Es ist schon der Wahnsinn, was die beiden geleistet haben“, lobt der Rathauschef das Engagement von Matthes und Schrock.
Landrat Oliver Quilling verweist darauf, dass die STG der älteste Turnverein im Kreis sei. „Mehr Tradition geht nicht. So alt wird man aber nur, wenn man mit der Zeit geht.“ Auch Ulrich Müller ist nicht bange um die Zukunft der Turngemeinde. Die STG könne stolz auf die vielen jungen Leute sein, die sich in der Vereinsarbeit einbringen, sagt der Präsident des Hessischen Turnverbands.

An Jörg Wagner, Vorsitzender des Sportkreises Offenbach, ist es, Mitglieder für besondere Verdienste auszuzeichnen. Dreimal verleiht er die Ehrenplakette in Gold: an Werner Kluck, der gut 25 Jahre die Geschicke des Vereins lenkte und seine Nachfolger weiterhin mit Rat und Tat unterstützt; an Christel Kluck, die immer da ist, wenn bei Veranstaltungen eine helfende Hand gebraucht wird und unter anderem das „Herzstück des Catering-Teams“ (Wagner) ist, und an Erika Breidert. Im Alter von 86 Jahren leitet sie die „Wohlfühlgymnastik“ für Senioren. Breidert gehört der Turngemeinde seit 65 Jahren an.
Auszeichnungen des Landessportbundes wurden Harald Schröder, Winfried Ossner, Wolfgang Bruch sowie – aus bekannten Gründen – Matthias Matthes und Adrian Schrock zuteil. Schröder verantwortet das Seniorenprogramm des Vereins und organisiert einmal monatlich einen Ausflug oder eine andere Aktivität. Ossner ist seit mehr als 50 Jahren Übungsleiter in der Turnabteilung. Bruch hat als Bauingenieur den Umbau der Halle begleitet und seine Expertise eingebracht.
Kein Ball ohne Musik. Das STG-Orchester – früher Spielmannszug – hat sein Repertoire unter Leitung von Marc Zimmer „verjüngt“, kommt mit einem erfrischenden Medley von Beatles-Hits daher, ehe ein DJ die Regie übernimmt und die Gäste nach anfänglicher Zurückhaltung zum Tanzen in die Nacht animiert. (Frank Mahn)
Angemerkt: Mischung aus jungen Wilden und alten Hasen
Als Matthias Matthes 2013 mit Adrian Schrock an seiner Seite im Alter von 33 Jahren den Posten des Vorsitzenden bei der STG übernahm, war so mancher Altvordere skeptisch. Schließlich verfolgten die „Jungspunde“ mit der Sanierung der Vereinshalle ein großes Ziel. Kriegen die das hin? Haben sie. Es hat länger gedauert als geplant, aber bei welchem Bauprojekt tut’s das nicht. Nun legt der Traditionsverein noch eine Schippe drauf. Matthes’ Nachfolger Maxim Kuznetsov ist gerade mal 24 Jahre, seine Mitstreiter im Vorstand sind kaum älter. Junge Menschen für eine derart verantwortungsvolle Tätigkeit zu gewinnen, ist absolut außergewöhnlich. Man muss sie halt auch mal machen lassen. Bei der STG stimmt die Mischung aus jungen Wilden und alten Hasen. (Frank Mahn)