Dreieicher Handwerksmeister über den Wärmepumpen-Hype und andere Lösungen
Kreishandwerksmeister Dennis Kern spricht über den Wärmepumpen-Hype und sein Unternehmen in Dreieich. Diese Lösungen hat er im Gepäck.
Dreieich - Die Bundesregierung feilt an einem neuen Gesetz, ab 2024 sollen deutlich strengere Regeln beim Einbau neuer Heizungen gelten. Sie sollen mindestens mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden. Der Einbau von Anlagen, die ausschließlich mit fossilen Rohstoffen wie Öl oder Gas betrieben werden, wäre demnach nicht mehr erlaubt. Wir haben mit Kreishandwerksmeister Dennis Kern über die Pläne der Regierung gesprochen.
Herr Kern, rennen Ihnen jetzt alle Leute die Bude ein, weil sie Wärmepumpen haben möchten?
Wärmepumpen sind grundsätzlich gute Lösungen. Wir installieren derzeit viele, aber eben da, wo es sinnvoll ist. Die Pauschalaussage, alle müssen auf Wärmepumpen umstellen, ist in der Realität nur bedingt kurzfristig umsetzbar. Es müssen dabei mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Die energetische Qualität des Gebäudes und die Art des anhängenden Heizsystems spielen dabei eine enorm wichtige Rolle.
Nur wenn diese Faktoren für den Einsatz einer Wärmepumpe stimmen, lässt sich diese auch effizient und vor allem kostengünstig betreiben. Da sich jedoch viel zu viele Gebäude aus baulichen oder energetischen Gesichtspunkten nicht eignen, müssten diese vorher aufwendig energetisch saniert oder umgebaut werden. Die Vorstellung der Regierung, dass wir mit der Wärmepumpe kurzfristig die Energiewende hinbekommen, ist somit verrückt. Eine solche Umrüstung ab 2024 ist alleine vom Arbeitsvolumen, für die Anzahl unserer verfügbaren Fachkräfte, nicht möglich. Ganz zu schweigen von den Lieferzeiten und fehlenden Bauteilen.
Welche Gebäude sind denn geeignet, wo kann ich eine Wärmepumpe effizient nutzen?
Das ist sehr unterschiedlich und kann pauschal nicht beantwortet werden. Bei den meisten Gebäuden jüngeren Baujahrs oder bereits energetisch sanierten Gebäuden ist es oft kein Problem, wenn sich ein Ort für die Aufstellung der Außeneinheit und der Technik im Gebäude findet. Es ist empfehlenswert, erst einmal einen Energieberater ins Haus zu holen, um den tatsächlichen energetischen Zustand des Hauses zu ermitteln und die Schwachstellen zu erkennen.
Er erstellt einen Sanierungsfahrplan. Damit können wir schnell erkennen, ob eine Wärmepumpe möglich ist oder erst Sanierungsmaßnahmen vorgenommen werden sollten. Wir haben gerade in einem Gebäude aus den 80er Jahren eine solche Lösung installiert. Es ist ein Reihenhaus mit Fußbodenheizung.

In diesem Gebäude ließ sich eine Wärmepumpe von der Effizienz her gut darstellen, wenn das aber nicht der Fall ist, muss man mit explodierenden Energiekosten auf Strombasis rechnen. Und das will auch keiner. Denn der Einbau eines solchen Systems ist trotz Fördermitteln nicht gerade günstig. Dann möchte man ja zumindest auf lange Sicht bei den laufenden Kosten sparen.
Dreieich: „Nachfrage nach neuen Öl- und Gasbrennwertheizungen ist explodiert“
Ist die Wärmepumpe gerade die Heizlösung, die am meisten nachgefragt wird?
Die Nachfrage nach neuen Öl- und Gasbrennwertheizungen ist in den vergangenen Wochen und Monaten explodiert, weil viele Leute ihre alten Heizungen ersetzen wollen, aber die Kosten der energetischen Sanierung plus Wärmepumpe scheuen. Die sagen sich, ich baue mir lieber eine neue Ölbrennwertheizung rein, spare mir die Kosten für die energetische Sanierung und habe die nächsten 20 Jahre Ruhe. Der Beratungsaufwand ist dadurch enorm. Die Leute sind verunsichert und wollen von uns alle Möglichkeiten abgeklopft haben. Das kostet sehr viel Zeit, weshalb auch unsere Vorlaufzeiten für Beratungstermine und Angebotserstellungen stetig steigen. Dabei müssen wir leider bei einer Vielzahl der Anfragen von einer Wärmepumpe abraten. Sie lässt sich viel zu oft nicht sinnvoll darstellen. Denn letztlich sind wir die Fachleute, die daran gemessen werden, dass die Anlage am Ende richtig funktioniert und auch kostengünstig ist.
Wie sieht es aus mit der Verfügbarkeit von Material für Heizungsanlagen?
Das ändert sich tatsächlich täglich und ist je nach Produkt sehr unterschiedlich. Durch die hohe Nachfrage nach Öl- und Gasbrennwertheizungen sind hier immer längere Lieferzeiten erkennbar. Diese reichen von einem Tag bis zu vier Monaten. Auf Wärmepumpen kann man bis zu einem Jahr warten.
In welche Richtung beraten Sie Ihre Kunden im Hinblick auf das zu erwartende Gesetz?
Ich sage immer, ich kann nicht in die Glaskugel schauen. So lange wir das Gesetz nicht schwarz auf weiß lesen können, wissen wir nicht, was passieren wird. In meiner Beratung habe ich schon immer sehr individuell das Gebäude betrachtet. Welches Heizsystem ist für meinen Kunden und sein Gebäude das richtige. Es gibt Kunden, bei denen macht eine Holzpelletheizung Sinn. Für andere wiederum ist eine solarthermische Unterstützung sinnvoll, eine Wärmepumpe ist eine andere Option. Manche sagen von vornherein, ich will auf jeden Fall wieder Öl oder Gas. Darüber hinaus gibt es auch Hybridlösungen: Das heißt, man kombiniert zum Beispiel eine Gasbrennwertheizung mit einer Wärmepumpe.
Dann kann ich den Kostenfaktor sparen, wenn das Gebäude nicht in dem Zustand ist, dass ich es mit einer Wärmepumpe effizient beheizen kann. Das bedeutet: Wenn die Wärmepumpe die notwendige Leistung nicht mehr effizient bereitstellen kann, springt die Gasbrennwertheizung ein und übernimmt die Spitzen. Das ist eine gute Lösung, aber durch die zwei Systeme mit erhöhten Erstellungs- und Wartungskosten verbunden.
Wenn Sie überlegen, eine Gasbrennwertheizung für ein Einfamilienhaus zu tauschen, sind Sie mit rund 15 000 Euro dabei. Wenn Sie eine Hybridanlage einbauen, sind Sie ganz schnell auch bei 45 000 Euro und mehr. Na klar gibt es dafür Förderungen, aber die Förderung übernimmt lange nicht die kompletten Mehrkosten gegenüber einer einfachen Gasbrennwertheizung und die Einsparung der laufenden Energiekosten ist dafür sehr gering.
„Die Energiewende muss unbedingt vorangetrieben werden!“
Was sind die Entscheidungskriterien bei Ihren Kunden?
Viele unserer Kunden entscheiden glaube ich aus dem Bauch heraus, denn es kann aktuell keiner sagen, was richtig oder falsch ist. Natürlich spielen auch finanzielle Möglichkeiten und das Alter der Besitzer eine starke Rolle. Gerade jüngere Hausbesitzer investieren gezielt mit Weitsicht in die Gebäudestruktur und in eine effiziente Heiztechnik.
Gibt es auch Leute, die sehr alte Heizungen haben, bei denen die Umweltverträglichkeit fraglich ist?
Wir betreuen einige Heizungsanlagen, die älter als 30 Jahre sind. Die sind längst überfällig, da kann ich die Politik auch verstehen, dass sie einen Hebel ansetzt und sagt, diese Dinger müssen endlich raus. Die Energiewende muss unbedingt vorangetrieben werden! Andererseits kann man die Regierungen auch in die Kritik nehmen, denn wir können das nicht mit der Brechstange lösen. Der Klimawandel ist seit Jahrzehnten bekannt und man hätte schon viel früher im Kleinen mit Vorgaben, Regelungen und Gesetzen anfangen können. Dann würden wir jetzt nicht da stehen, wo wir stehen!
Wie ist die Auslastung bei Ihnen im Betrieb und bei den Kollegen in der Region?
Energieberater und Heizungsbauer sind wahrscheinlich derzeit die gefragtesten Berater und Handwerker überhaupt. Bei mir ist es leider so, dass ich zwei Monate Vorlaufzeit für einen Beratungstermin mit Angebotserstellung habe. Ich bin bei den nächsten verfügbaren Terminen im Mai. Das hat sich aber die letzten Jahre schon entwickelt und verschärft sich immer weiter. Die meisten Betriebe sind am Anschlag und uns fehlt der Nachwuchs.
Der demografische Wandel macht auch vor unserer Branche keinen Halt. Wir brauchen unbedingt engagierte und technikinteressierte junge Leute, die Lust auf einen zukunftssicheren Beruf mit sehr guten Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Karrierechancen haben. Der Anlagenmechaniker im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik wird in Zukunft mehr gefragt sein denn je. Und in welchem Beruf kann man aktiver und nachhaltiger die Energiewende voranbringen?
Das Interview führte Nicole Jost