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Zeichen gegen das Vergessen

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Von: Holger Klemm

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Ursula Heil, stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin, hielt die Rede auf dem Jüdischen Friedhof. Unten ist die Karte von Regina Hess zu sehen, die in Theresienstadt ermordet wurde.(c)Fotos: hok
Ursula Heil, stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin, hielt die Rede auf dem Jüdischen Friedhof. Unten ist die Karte von Regina Hess zu sehen, die in Theresienstadt ermordet wurde. © hok

Dreieich - Zum Gedenken an die Opfer der Pogromnacht vor 80 Jahren legt die Stadt gestern einen Kranz am Mahnmal auf dem Jüdischen Friedhof in Sprendlingen nieder. Von Holger Klemm

In ihrer Rede geht die stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Ursula Heil auf den 9. November 1938 in Sprendlingen ein. „Unter der Fahne von Rassenhass und Zerstörungswut“ wurde auch die Synagoge am historischen Rathaus in Brand gesetzt, jüdische Mitbürger wurden deportiert oder zur Emigration gezwungen. „Wie konnte es passieren, dass jeglicher Maßstab für Recht und Unrecht verloren ging?“, fragt Heil.

Auch heute seien Antworten notwendig, „um zu verhindern, dass diese Art von Hass sich in unserem Land erneut nährt und ungehemmt entlädt“, sagt sie angesichts der beunruhigenden Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und Hasskriminalität. Heil: „Wir sind deshalb gefordert, Toleranz, Respekt und sozialen Mut zu zeigen.“

Diese Werte bildeten das Fundament einer demokratischen Gesellschaft und seien das Rüstzeug, dann einzuschreiten, wenn andere Böses tun. „Denn wir erleben es heute wieder, dass Andersdenkenden, Andersglaubenden oder Andersaussehenden mit Intoleranz und Ablehnung begegnet wird, und extremes Gedankengut und Gewaltbereitschaft wieder Raum gewinnen. Hier dürfen wir nicht zusehen, sondern müssen aufklären oder einschreiten, um Unrecht zu verhindern“, so die stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin. Mit der gestrigen Veranstaltung werde die Erinnerung an die Menschen wachgehalten und ein Zeichen gegen das Vergessen gesetzt.

An das Schicksal einer jüdischen Familie aus Sprendlingen erinnert im Anschluss Wilhelm Ott von den Freunden Sprendlingens. Er berichtet vom kürzlichen Besuch von David Hess und seiner Frau Pamela aus den USA. Seine Urgroßeltern sind auf dem Sprendlinger Friedhof beerdigt und seine Großeltern, Daniel und Regina Hess, wurden 1943 aus Sprendlingen deportiert und in Auschwitz und Theresienstadt ermordet.

Ott hat auch Neuigkeiten zu der Postkarte, die vermeintlich von Regina Hess sechs Wochen vor ihrem Tod aus Theresienstadt an den Sprendlinger Georg Anthes geschickt wurde und die für das Ehepaar Hess sehr bewegend war. Der Enkel habe in einem Brief nun die Nachfahren von Anthes gefragt, ob die Karte dem Holocaust Memorial Museum in Washington zur Verfügung gestellt werden könnte. Diese haben zugestimmt

Auf der Karte war zu lesen, dass es Regina Hess gut gehe und sie sich über den zugeschickten Kuchen gefreut habe. Allerdings stimmte die Schreibweise des Textes nicht mit der Unterschrift überein. Auch weil Anthes keinen Kuchen geschickt hatte, befürchtete er eine Falle und verzichtete auf eine Antwort. Er hatte zudem Angst davor, dass die Karte bei einer eventuellen Hausdurchsuchung von Nazi-Schergen gefunden wird. „Mein Großvater hat deswegen eigens eine Schatulle mit einem Geheimfach anfertigen lassen“, erzählt Lore Schwarz. So überdauerte die Karte die Jahrzehnte und wird bald in Washington ihren Platz finden. Eine Kopie will Ott auf die Homepage der Freunde Sprendlingens stellen, um die Erinnerung an Regina Hess lebendig zu halten.

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