In den Pflegeheimen wird es teurer
Sein Altenpflegeheim-Platz kostete einen Dreieicher Senior bislang 2 302 Euro Eigenanteil im Monat. Die Pflegeversicherung trägt nur einen Bruchteil.
Dreieich – Anfang September flattert der Tochter eines Seniors aus Dreieich (Name der Redaktion bekannt) ein Brief ins Haus, der eine Erhöhung auf 3 089 Euro ankündigt. Fast 800 Euro mehr! Da schlägt das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung zu, das seit 1. September gültig ist. Dieses sieht vor, dass das Personal in den Heimen tarifgerecht bezahlt wird. Diese neue Regelung ist nicht der einzige Preistreiber, auch die Energiepreise sowie die Inflation lassen die Kosten davon galoppieren und bringen die Altenpflegeheime in die Situation, die Mehrbelastung auf die Bewohner umzulegen. „Ich bin ganz und gar nicht gegen eine Lohnerhöhung für die Pflegekräfte – diese Menschen arbeiten hart und müssen gerecht bezahlt werden. Aber es kann doch nicht sein, dass ein Mann von weit über 80 diese Kostensteigerungen alleine tragen soll. Das ist eine Preiserhöhung um fast 35 Prozent – ohne dafür irgendwelche besseren Leistungen zu erhalten“, sagt die Tochter.
Ihr Vater sei bisher in der Lage gewesen, die Kosten aus seiner guten Rente zu tragen. „Der Eigenanteil für das Heim macht einen großen Teil der Ausgaben aus, aber mein Vater möchte auch zum Friseur, die Fußpflege kostet Geld, es gibt Ausgaben für Medikamente und es bereitet ihm Freude, seinen Enkelkindern eine Kleinigkeit zum Geburtstag oder zu Weihnachten zu schenken“, berichtet die Dreieicherin. Bei 3 089 Euro Eigenanteil reicht die Rente nicht mehr. „Mein Vater ist noch in der glücklichen Lage, dass er Ersparnisse hat. Es wäre schlimm für ihn, wenn er jetzt zum Sozialamt müsste. Aber es geht ja Tausenden anderen Menschen in Zukunft auch so“, ist die Frau entsetzt. Bei fünf oder zehn Prozent Erhöhung, sagt sie, hätten sie nichts gesagt: „Aber 35 Prozent Preisaufschlag auf Pflegebedürftige abzuwälzen, die ihr ganzes Leben gearbeitet haben und deswegen jetzt Sozialhilfe beantragen müssen, ist einfach unwürdig.“
Dreieicher Pflegeheime: „Verhandeln einmal im Jahr ihre Preise“
Die drei Dreieicher Pflegeheime verweisen bei der Anfrage unserer Zeitung auf die Pressestellen ihrer Konzerne. Tanja Kurz, Sprecherin des Unternehmens Korian, Träger des Ulmenhofs, weiß, dass die Situation schwierig ist. „Die Einrichtungen verhandeln einmal im Jahr ihre Preise und seit Februar laufen uns alle Kosten davon. Derzeit können wir noch keine genauen Beträge nennen, weil wir mitten in den Verhandlungen stecken, aber die Mehrbelastung für unsere Bewohner wird bis zu 1 000 Euro oder sogar mehr liegen“, kündigt Kurz an. Die Pflegeheime seien verpflichtet, die Bewohner über die Preissteigerung zu informieren. Das ist im Ulmenhof bereits geschehen.

„Die Tariferhöhung und die Bezahlung nach Tarif für die Pflegekräfte ist wichtig, um den Beruf aufzuwerten und damit wieder mehr Pflegekräfte zu gewinnen“, ist Kurz überzeugt. Im Ulmenhof habe es zuletzt 2020 eine Erhöhung gegeben und derzeit seien 30 Prozent der Bewohner des Pflegeheims auf staatliche Unterstützung angewiesen. „Diese Quote ist im Vergleich zu anderen unserer Häuser eher gering und wird jetzt vermutlich deutlich steigen. Es ist ein großes Problem, dass alle Erhöhungen jetzt bei den Bewohnern hängen bleiben und es ist wichtig, endlich über eine Reform der Kostenverteilung in der Pflege zu entscheiden.“
Eigenanteil nötig: Dreieichenhain wird Bewohner nicht verschonen können
Das betont auch Theresa Reuther, Pressesprecherin der Pflegeheime der Johanniter Seniorenheime, Träger des Haus Dietrichsroth. Dort orientieren sich die Preise ebenfalls am System der Pflegesätze. „Unser momentaner Pflegesatz hat eine gewisse Restlaufzeit, daher gab es bisher keine Preiserhöhungen“, sagt sie auf Anfrage. Dietrichsroth bezahlt seine Pflegekräfte schon nach Tarif. „Die geplanten Tariferhöhungen von 5,5 Prozent für unsere Mitarbeitenden ab Januar 2023 sind bereits im momentanen Pflegesatz verhandelt. Wir sind froh, dass wir frühzeitig die Tarifsteigerungen eingebunden haben“, so Theresa Reuther weiter. Aber auch das Haus in Dreieichenhain wird die Bewohner beim Eigenanteil nicht verschonen können.
Die enormen Kostensteigerungen für Energie, Benzin, Lebensmittel und sonstige Dienstleistungen wird auch die Pflege belasten und führe dann voraussichtlich zu Nachverhandlungen des Pflegesatzes. Wie hoch der Eigenanteil ausfällt, können die Johanniter noch nicht sagen. „Die seit Jahrzehnten geführte Diskussion zur Reform der Pflegeversicherung wird weiter verschärft und eine Lösung dringender denn je. Ein substanzieller Schritt in eine Richtung zur Entlastung der Pflegebedürftigen bei den Eigenanteilen ist wünschenswert, derzeit aber nicht in Sicht“, vermutet die Pressesprecherin der Johanniter.
Das dritte Haus in der Stadt, Kursana, möchte sich derzeit noch nicht zu den Kostensteigerungen äußern. Der Konzern wartet die Entscheidungen auf politischer Ebene ab. (Nicole Jost)
Das dritte Pflegeheim in Dreieich gibt es erst seit einigen Jahren. Während der Coronavirus-Pandemie waren auch die Heime in Dreieich von Infektionsfällen betroffen und reagierten mit Maßnahmen wie Unterstützung durch Soldaten und regelmäßige Tests.