Dreieich: iPad im Unterricht wird immer mehr zum Standard

Auf dem digitalen Board der R 6b an der Heinrich-Heine-Schule in Dreieich erscheint ein Bild auf Google Earth von Ägypten. Geschichtslehrer Simon Koser lässt sich von den Kindern das Bild beschreiben. Die Jungen und Mädchen erkennen auf der Luftaufnahme unter anderem weite Wüsten und Ansiedlungen im Norden des Landes am Mittelmeer und entlang des Nils. Der Lehrer notiert auf dem iPad mit einem speziellen Stift die Ergebnisse. Zeitgleich tauchen diese Notizen auf dem Board auf, damit alle die bereits gesammelten Antworten sehen können.
Dreieich - „Das ist einer der großen Vorteile dieser digitalen Ausstattung. Der Lehrer steht nie mit dem Rücken zur Klasse, wie früher bei einem Tafelbild. Er kann so immer in Kommunikation mit den Schülern bleiben“, sagt Sigrid Neuner, Leiterin der Gesamtschule. „Darüber hinaus lässt sich das Tafelbild auch abspeichern und bleibt für alle Schüler abrufbar – ideal, um Stundeninhalte zu wiederholen, ohne zuvor lange abschreiben zu müssen.“
Die Europaschule hat in den Jahrgängen fünf bis acht iPad-Klassen etabliert. Bis zur Klasse acht gibt es mindestens eine Klasse im gymnasialen Zweig, die den Großteil ihrer Schulzeit mit dem technischen Gerät gestaltet. Tendenz steigend, die Nachfrage wird immer größer. In den sechsten Klassen gibt es ab dem Realschulzweig bereits iPad-Klassen. Schüler und Eltern haben mit dem Eintritt ins fünfte Schuljahr die Wahl, ob sie den digitalen Weg einschlagen oder weiterhin Heft und Bücher vorziehen.
Tatsächlich müssen die Kinder aus den iPad-Klassen deutlich weniger Gewicht mit sich herumschleppen. „Wir haben die Lizenzen der Schulbücher auch im digitalen Format angeschafft“, erläutert Simon Koser. Das bedeutet, dass die Kinder ihre Unterlagen in Unterordnern auf ihrem Gerät finden – Buch vergessen zählt als Ausrede also nicht mehr. Gleichzeitig das Buch aufschlagen und die Schreiboberfläche benutzen ist dank des geteilten Bildschirms kein Problem. Alle schriftlichen Arbeiten können auf dem Display erledigt werden. „Wenn ein Schüler lieber auf Papier schreibt, ist das auch kein Problem. Die Kinder wissen, wie sie die Seiten einscannen und abspeichern können“, sagt Koser, während seine Sechstklässler zumeist auf den iPads in Zweierteams Mindmaps zu Ägypten, dem Klima und dem Nil verfassen.
Auch das erweist sich als überaus praktisch: Statt zeitaufwendige Plakate zu malen, geben alle Gruppen ihre Mindmap für die ganze Klasse frei. Dabei fällt auf, dass alle Grafiken sehr ordentlich aussehen. Die Zeit der krakeligen Striche und Kreise ist vorbei: „Mit einer einfachen Tastenkombination richtet das Gerät unsere Zeichnungen ordentlich aus“, verrät Schüler Thomas mit einem Grinsen.
Natürlich hat die Technik auch ihre Tücken. „Für die Fünftklässler ist die Bedienung der Geräte schon eine Herausforderung“, berichtet Koser. Die Lehrer investieren im ersten halben Jahr immens viel Zeit darauf, wie die Kinder die im voraus aufgespielten Apps benutzen können, wie sie ihre Dateien auf der Schulcloud hochladen, speichern und mit der Klasse oder ihrem Lehrer teilen können. Geübt wird auch, wie Blätter eingescannt und gespeichert werden. „Wir nehmen die Schüler eng an die Hand. Aber es zahlt sich aus. Schon mittelfristig ist der Einsatz der Technik eine große Arbeitserleichterung für uns Lehrer und eröffnet sehr viele Möglichkeiten im Unterricht. Die Kinder gehen jetzt im zweiten Jahr sehr selbstverständlich mit der Technik um“, beobachtet Koser.
Sechstklässler Finn bereut die Wahl in die iPad-Klasse kein bisschen: „Ich kenne mich gut mit der Technik aus. Manchmal helfe ich meiner Mathelehrerin sogar, wenn bei ihr etwas nicht auf Anhieb klappt. Ich liebe es, mit dem iPad zu arbeiten“, sagt der Junge stolz. Basma gibt zu, dass ihre Mutter die Entscheidung für die digitale Klasse getroffen hat. „Aber das war gut. Es macht Spaß und es hat viele Vorteile.“
Die Finanzierung der Geräte inklusive Stift ist auch heute noch, wo alle nach mehr Digitalisierung in der Bildung rufen, Sache der Eltern. „Wir bestellen die iPads bei unserem Anbieter. Wer den kompletten Betrag nicht gleich stemmen kann, hat die Möglichkeit einer Finanzierung über drei Jahre“, erklärt die Schulleiterin. Auch die Lizenzgebühren für die Bücher werden noch nicht vom Land übernommen. Das sind noch mal gut zwanzig Euro pro Schuljahr, die von den Eltern zu zahlen sind. Die Lehrer an der Heine-Schule sind zumeist offen für die Technik, die mit der Pandemie rasend schnell Einzug gehalten hat. „Ich würde mal sagen, es sind von 95 Kollegen fünf, die nicht so viel Spaß dran haben. Wir sind aber auch ein sehr junges Kollegium. Wobei es nicht unbedingt die Älteren sind, die etwas Berührungsängste haben“, verrät Neuner. Von den sieben neuen fünften Klassen, die im Sommer an der Europaschule starten, sind mindestens zwei iPad-Klassen.
Von Nicole Jost
