Protest verhallt: Wienand-Villa droht weiterhin der Abriss

Da das Gebäude nicht unter Denkmalschutz steht, wird der Erhalt der historischen Wienand-Villa in Dreieich immer unwahrscheinlicher. Auch der Bürgerprotest verhallt ungehört.
Dreieich – Die ersten Bäume sind gefällt, ein Bretterzaun soll das Gelände vor ungebetenen Gästen schützen und die Baustelle sichern. Der Protest ist ungehört verhallt. Der Abriss der Wienand-Villa ist nur eine Frage der Zeit, sie muss Platz machen für eine Neubebauung mit Wohnhäusern. Damit verliert der Stadtteil ein historisch wertvolles Gebäude, denn die Jugendstilvilla ist das letzte Überbleibsel der ehemaligen Zahnfabrik – der ersten bedeutenden Industrieanlage Sprendlingens.
Bei den Freunden Sprendlingens, dem Geschichtsverein Buchschlag und Corinna Molitor vom Dreieich-Museum – die Geschichte der Zahnfabrik ist dort dokumentiert – hat sich Ernüchterung breit gemacht. Vehement haben sich die Dreieicher Heimatfreunde für den Erhalt der Villa stark gemacht, wohl vergeblich. Nach einem Gespräch mit dem Investor, ein Projektentwickler und Bauträger mit Sitz in Dreieich, hat das Prinzip Hoffnung ausgedient. Mit ihren Argumenten und Anregungen drangen die Heimatbewahrer nicht durch, der Abrissplan hat Bestand.
Abriss der Wienand-Villa in Dreieich: „Kein schützenswertes Einzeldenkmal“
Bis vor ein paar Monaten diente das geschichtsträchtige Gebäude als Tagungsstätte des Hotels Best Western in der Eisenbahnstraße. Die Kette hatte den Komplex erst 2020 von Mercure übernommen. Davor schliefen Gäste dort unter dem Dach von Dorint. In diesem Jahr kam das Aus. Zum 30. Juni löste Best Western den Pachtvertrag mit der englischen Investmentgesellschaft auf, der die Immobilie gehörte. Als Gründe wurden Corona und Wasserschäden nach den heftigen Regenfällen im Sommer genannt. Das rund 6500 Quadratmeter große Grundstück weckte natürlich Begehrlichkeiten bei Investoren und wechselte zügig den Eigentümer. Der stellte einen Abrissantrag, um das Areal bestmöglich ausnutzen zu können.

Dieses Ansinnen ließ beim Heimatkundeverein Freunde Sprendlingens die Alarmglocken läuten. Gemeinsam mit dem Geschichtsverein Buchschlag und Corinna Molitor verfassten sie einen Offenen Brief an Investor, Stadt und Kreis, um den Abriss abzuwenden. Auch im Namen vieler Bürger appellierten sie an den Bauträger, den Abrissantrag zurückzuziehen und die stadtbildprägende Villa in das Neubauprojekt zu integrieren, „um ein Stück Heimat zu bewahren“. Das Beispiel Villa Schott zeige, dass so etwas möglich sei. Die wird gerade saniert, obwohl sie in einem katastrophalen Zustand war. Der Unterschied: Sie steht unter Denkmalschutz.
Der Unmut der Protestler richtet sich nicht nur gegen den neuen Eigentümer, sondern auch gegen die Entscheidung des Landesamtes für Denkmalpflege. Die Behörde verweigerte dem für die Lokalhistorie so bedeutsamen Gebäude den Denkmalschutz. Das Amt habe das Gebäude im Rahmen des Verkaufs sogar besichtigt, so Wilhelm Ott, Vorsitzender der Freunde Sprendlingens. Es habe aber eine Entscheidung bestätigt, die schon 1985 bei der Erstellung der Denkmaltopografie im Kreis Offenbach getroffen worden sei: Die Wienand-Villa sei kein schützenswertes Einzeldenkmal, weil drinnen zu viel umgebaut wurde. Sie ist lediglich als „erhaltenswert“ eingestuft. Das heißt: Stadt und Kreis haben keine Handhabe, den Abriss zu verhindern.
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Freunde Sprendlingens zur Wienand-Villa: „Halten die Entscheidung schlichtweg für falsch“
Die Villa wurde um das Jahr 1926 gebaut. Dort wohnte Dr. Heinrich August Wienand, einer von zwei Chefs der ehemaligen Zahnfabrik. Sie ist in eine parkähnliche Gartenanlage eingebettet. Die Architektur des Gebäudes strahle eine besondere Qualität aus, sagt Ott und nennt Sandsteinsockel, Rundbogenfenster und Eingangsbereich. In Sprendlingen gebe es nur wenige solcher Häuser. Ott: „Wir halten die Entscheidung des Landesamtes schlichtweg für falsch.“

In einem Gespräch mit den Vereinsvertretern erklärte der Investor, ein Gutachten habe ergeben, dass der Erhalt der Villa finanziell nicht wirtschaftlich sei, obwohl er technisch realisierbar wäre. Zudem gebe es kein realistisches Nutzungskonzept, das die hohen Renovierungskosten rechtfertigen könnte. Der Abrissantrag ist allerdings nach wie vor nicht genehmigt, wie Kreis-Pressesprecherin Ursula Luh gestern auf Anfrage bestätigte. „Die Bauaufsicht wartet auf eine Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde“, sagt Luh. Sie soll bis Januar vorliegen, möglich wäre allerdings auch eine Verlängerung der Frist. (Frank Mahn)