Steinerne Zeugen der Geschichte

Sprendlingen: Wilhelm Ott ist eine Art Schatzsucher. Der Sprendlinger fahndet in alten Landkarten und Archiven nach längst verschwundenen Grenzen in der Dreieich. Von Cora Werwitzke
Entlang der aufgestöberten Linien sucht er nach „steinernen Zeugen der Vergangenheit“, wie er sie selbst nennt – vor allem nach Grenzsteinen, aber auch nach Sühnekreuzen und Gedenksteinen.
Seit zwei Jahren ist der 64-Jährige Grenzsteinobmann für den Westkreis Offenbach. 80 solcher Obmänner gibt es in Hessen, sie arbeiten dem Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation zu, indem sie historische Steine ausfindig machen und sie katalogisieren.
Einen historisch vermerkten Stein tatsächlich zu orten, gehört zu den Glücksmomenten in seiner Tätigkeit. „Einen durch alte Fotos oder Dokumente belegten Standort leer vorzufinden, ist dagegen bitter“, sagt Ott. Erst vor gut zwei Wochen gelang es dem Verein Freunde Sprendlingens, in dem auch der Obmann aktiv ist, den über Jahrzehnte vermissten Gedenkstein des 1862 tragisch verunglückten Langeners Jeremias Herth wieder an alter Stätte aufzustellen (wir berichteten). Dabei half der Zufall kräftig mit: Eine Isenburger Familie informierte sich im Internet nach dem rätselhaften Sandstein im Garten ihres Mietshauses – und erkannte auf Wilhelm Otts Webseite, dass es sich dabei um Jeremias Herths Gedenkstein handelt.
Sühnekreuze besonders interessant
Doch besonders zwei Fälle von verschwundenen Steinen treiben den gebürtigen Sprendlinger weiterhin um. „Es handelt sich um mittelalterliche Sühnekreuze“, schildert er. Beide seien geklaut worden. „Und fristeten bestimmt ein Dasein in umliegenden Gärten“, vermutet er. Die Freunde Sprendlingens haben sich entschieden, für Hinweise, die zu einer Rückgabe der Kreuze führen, jeweils eine Belohnung von 500 Euro auszusetzen. „Historische Steine haben ihren ideellen Wert dort, wo sie noch an ihren ursprünglichen Standorten stehen“, begründet der Heimatforscher.
Die Beschreibung der beiden Sühnekreuze ist wie folgt: Das eine stand an der Kreisstraße K 173 zwischen Götzenhain und Dietzenbach (schräg gegenüber Kilometer „021.14“) dicht an einem anderen Kreuz, das jetzt im Dreieich-Museum steht. Es wurde 1974 bei Straßenbauarbeiten gestohlen. Das Kreuz hat leicht abgerundete Kanten und einen Abschlag an einem Arm.

Das zweite, im Jahr 1969 gestohlene Sühnekreuz stand zusammen mit dem jetzt noch existierenden Kreuz an der Einmündung der Philippseicher Straße in die B 486 zwischen Langen und Offenthal. Es besaß stark abgerundete Kanten und Arme. Auf einer Seite war ein Kreuz eingemeißelt. „Das benachbarte Kreuz an der Einmündung war übrigens ebenfalls schon mal weg“, erzählt Wilhelm Ott. „Nach einem Aufruf in der Offenbach Post – das muss so 1979 gewesen sein – hat es am nächsten Tag jemand zurückgebracht.“
Auch den Garten des Sprendlingers schmücken etliche Steine. Allerdings selbst gefertigte Werke aus Sandstein. „Das ist schon immer meine Passion“, sagt Ott. Mit Heimatkunde hatte er von Berufs wegen wenig zu tun. Er war Chemiker in einem internationalen Pharmavertrieb. Inzwischen ist er in Altersteilzeit, zum Grenzsteinobmann wurde er nun eher zufällig. „Ich bin da so reingerutscht, aber die Kombination aus Touren in der Natur, Historie, Computertechnik und GPS ist faszinierend und sinnstiftend.“
Weitere Informationen finden Sie auch auf der Homepage von Wilhelm Ott