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Familien-Bäckerei in Dreieich hat Nachwuchssorgen

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Von: Nicole Jost

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Wenn der Vater mit dem Sohn: Hartmut und Matthias Weller sind die Chefs des Unternehmens mit an die 150 Mitarbeitern. Die Personalsituation in ihrem Handwerk bereitet den beiden große Sorgen.
Wenn der Vater mit dem Sohn: Hartmut und Matthias Weller sind die Chefs des Unternehmens mit an die 150 Mitarbeitern. Die Personalsituation in ihrem Handwerk bereitet den beiden große Sorgen. © jost

Seit Jahrzehnten ist die Bäckerei Weller in Dreieich erfolgreich. Die Suche nach dem Bäckernachwuchs gestaltet sich jedoch zunehmend schwierig.

Dreieich - Montag, 9 Uhr, in der Bäckerei Weller in der Dieselstraße in Dreieich. Die Theken sind gefüllt mit Broten, belegten Brötchen, Stückchen und Kuchen. Es herrscht viel Betrieb. Viele Kunden kaufen nur schnell ein Brot, andere holen sich eine Zeitung, bestellen einen Kaffee und setzen sich nach draußen, um in den Tag zu starten.

Hartmut (69) und Matthias Weller (42), Senior- und Juniorchef des Betriebs, haben da schon etliche Stunden Arbeit hinter sich. In dritter Generation hat sich die Bäckerei, die einst mit einem Laden in Sprendlingen begann, von einer Backstube mit dem Chef und zwei Gesellen in ein Unternehmen mit 25 Filialen bis nach Frankfurt und rund 150 Mitarbeitern entwickelt.

Nachwuchssorgen in Dreieicher Bäckerei: Suche nach Angestellten gestaltet sich schwierig

Der Bäckerberuf hat sich mit den Jahrzehnten erheblich verändert: „Ein Bäcker knetet am frühen Morgen nicht mehr hundert Kilo Teig zu Brotlaiben. Das übernehmen heute Maschinen. Aber bei uns wird trotzdem noch alles selbst gemacht, aus Mehl, Salz, Hefe und Wasser. Natürlich lernen Azubis, ein Brot von Hand zu formen oder ein Croissant mit dem Rollholz. Aber noch mehr lernen sie eben, die Maschinen zu bedienen“, erklärt Matthias Weller. Der technischen Weiterentwicklung hat sich die Familie nie verweigert. „Das finden die jungen Leute auch spannend, und es ist körperlich nicht mehr so anstrengend wie noch vor dreißig Jahren“, ergänzt der Seniorchef.

Die Suche nach dem Bäckernachwuchs und auch nach Fachverkäufern gestaltet sich dennoch zunehmend schwierig. „Als ich ins Geschäft eingestiegen bin, hatten wir eine Auswahl bei den Lehrlingen. Da konnte ich eben besser geeignete junge Menschen aussuchen. Auch die Eltern haben sich früher bei uns vorgestellt. Das war gut, da konnten wir sehen, dass sie hinter diesem Lehrberuf stehen. Heute erreichen wir die Eltern kaum noch“, erzählt Hartmut Weller.

Azubi-Mangel im Handwerk ist gesellschaftliches und politisches Problem

„Es war auch vor Corona schon schwierig, die Lehrstellen zu besetzen, aber wir haben immer mal wieder einen guten Schulpraktikanten gewinnen können. Und die sind in den vergangenen zwei Jahren komplett ausgefallen“, berichtet Matthias Weller. Der Azubi-Mangel im Handwerk ist in den Augen der Wellers ein gesellschaftliches und politisches Problem: „50 Prozent aller Schüler machen Abitur und die anderen gehen sehr viel länger in die Schule als früher, weil sie diverse Berufsvorbereitungsklassen durchlaufen. Die Azubis sind heute meist volljährig, wenn sie bei uns anfangen“, schildert Matthias Weller. Dazu sei die Quote der Abbrecher höher als früher. Den jungen Leuten werde eingeimpft, möglichst lange zur Schule zu gehen und dann zu studieren.

Sie haben die Abschlussprüfung bestanden: Matthias Weller gratuliert (von links) Angelo Petroni, Jaqueline Bresch und Biniayam Afewerki zur Übernahme.
Sie haben die Abschlussprüfung bestanden: Matthias Weller gratuliert (von links) Angelo Petroni, Jaqueline Bresch und Biniayam Afewerki zur Übernahme. © p

Für das jetzt beginnende Ausbildungsjahr nimmt die Bäckerei zwei Bäckereifachverkäuferinnen in Ausbildung. Eigentlich könnten Wellers in dieser Sparte zehn Plätze besetzen. Und: Für die drei Bäckerlehrstellen hat sich bislang noch gar niemand gemeldet.

Bäckerei in Dreieich: Unternehmer legen Wert auf Pünktlichkeit, Motivation und Zuverlässigkeit

Dabei machen die Unternehmer bei den eigenen Ansprüchen schon Abstriche: Wenn das Deutsch anfangs nicht so gut ist, ist das nicht ganz so schlimm, auch ein mittelmäßiger Hauptschulabschluss schreckt den Bäckermeister und seinen Sohn, der selbst einen Uni-Abschluss in BWL hat, nicht. „Aber es gibt Dinge, die müssen die jungen Leute sofort lernen. Die Jungs kommen in der Backstube zur Tür reingeschlappt und sagen nicht mal guten Morgen. Ich schicke sie dann wieder raus. Sie müssen dann noch mal reinkommen und ordentlich guten Morgen sagen“, erklärt Hartmut Weller. Auch Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind wichtig. „Wenn ein Praktikant am ersten Tag pünktlich um sieben da ist, dann aber an Tag zwei und drei erst um fünf nach sieben oder um viertel nach sieben kommt, braucht er nicht mehr zu kommen. Es geht nicht um die fünf oder fünfzehn Minuten, aber unser Betrieb ist so organisiert, dass der Mitarbeiter, der die Teige macht, eben vor dem da sein muss, der die Öfen bedient. Darauf müssen wir uns verlassen können. Am allerwichtigsten ist uns dabei die Motivation, die Lust, mit uns zu arbeiten“, betont Matthias Weller.

Nachwuchssorgen in Bäckerei in Dreieich: Handwerksausbildung gilt als absolut krisensicher

Im Gegenzug kann der Betrieb einiges bieten. Die Handwerksausbildung ist absolut krisensicher, das Produkt Brot wird es immer geben. Wer eine gute Ausbildung macht, sich engagiert, wird übernommen. Außerdem können die Mitarbeiter in der Backstube spätestens am Mittag sehen, was sie gearbeitet haben.

Auch die Entwicklungsmöglichkeiten sind gut: „Wer sich bei uns engagiert, profitiert von unseren Strukturen. Es gibt Abteilungsleiter, Verkaufsleiter, da gibt es Stellen, die gut bezahlt sind“, wirbt Matthias Weller. Die Arbeitszeiten sind klar umrissen. In mehreren Schichten wird ab 23 Uhr in der Backstube der nächste Tag vorbereitet. „Aber nie nimmt man Arbeit mit nach Hause. Unsere Leute ziehen die Schürzen aus und haben dann auch Feierabend.“ (Nicole Jost)

Eine weitere Familien-Bäckerei im Kreis Offenbach hat sich kürzlich die Unternehmensnachfolge gesichert.

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