Dreieicher Malermeisterin Jessica Jörges informiert junge Menschen zum Thema Handwerk

Handwerkliche Berufe: Das ist doch nur etwas für Männer! Auch wenn sich dieses hartnäckige Vorurteil in der heutigen Zeit immer häufiger als falsch herausstellt, sind Frauen in vielen Bereichen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert – so auch im Maler- und Lackiererhandwerk. Statistiken des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) zufolge lag die Anzahl weiblicher Azubis dort im Jahr 2019 bei lediglich 14 Prozent, während die Zahl der Meisterinnen mit elf Prozent sogar noch geringer ausfiel.
Dreieich - Jessica Jörges ist demnach also eine Ausnahme – und dazu noch eine äußerst talentierte. Die 24-Jährige arbeitet seit 2016 als Maler- und Lackiererin bei der Maler Schmidt GmbH in Dreieich – dem Familienbetrieb ihres Vaters. Bereits 2020 erhielt Jörges ihren Meisterbrief, nachdem sie im Jahr zuvor als Bundessiegerin an den World Skills – den Weltmeisterschaften der Berufe – im russischen Kasan teilnehmen durfte und den fünften Platz erkämpfte. Nun engagiert sich die junge Malerin auch beim „Girls’ Day“, wo sie jungen Mädchen Einblicke in ihren Job gewährt.
„Ich bin in diesem Beruf richtig aufgeblüht“, schwärmt Jörges. Umso verblüffender daher, dass eine Karriere im Handwerk für sie lange Zeit gar nicht zur Debatte stand. „Zwar habe ich im Kindergarten schon in Freundebücher geschrieben, dass ich mal Malerin werden will. In der Schulzeit habe ich diesen Traum aber größtenteils abgelegt“, berichtet die 24-Jährige. „Dort wird einem ja häufig erzählt, dass eher ein Studium der richtige Weg ist.“ Doch Jörges findet nach dem Abitur keinen Studiengang, der sie wirklich interessiert. „Mir ist es schon immer leichter gefallen, Dinge praktisch zu lernen, anstatt einfach nur Texte in Büchern durchzulesen.“
Frustriert und mit dem Druck im Nacken, möglichst bald eine Entscheidung zu treffen, entschließt sie sich 2016 dazu, eine Ausbildung im handwerklichen Bereich zu wagen – sie beginnt eine Lehre im Malerbetrieb ihres Vaters. „Das war für mich alles total neu. Ich habe vorher nie im Unternehmen meiner Eltern ausgeholfen oder irgendwelche Aufgaben übernommen“, so die Malermeisterin. Also muss sie, wie jeder Anfänger, Schritt für Schritt das Handwerk erlernen. „Ich habe dann schnell gemerkt, dass mir der Beruf sehr viel Spaß macht und mir die Arbeit liegt.“
Doch Jörges streicht und lackiert nicht einfach nur im Stillen vor sich hin. Auf ihrem Blog „Bunte Zukunft“ sowie dem gleichnamigen Instagram-Profil teilt die Sprendlingerin sämtliche Erfahrungen, die sie in ihrem beruflichen Alltag macht. „Vor meiner Ausbildung habe ich nach Informationen zur Malerlehre gesucht“, erläutert Jörges. Dabei sei sie jedoch schnell an die Grenzen der verfügbaren Materialien gestoßen: „Alles, was ich dazu gefunden habe, war entweder total kompliziert oder nicht authentisch erklärt. Nicht verwunderlich, dass sich niemand für den Beruf interessiert, wenn es gar nicht richtig greifbar ist.“ Und genau da möchte die junge Malerin ansetzen: „Ich will den Leuten ganz alltägliche Einblicke geben und zeigen, wie spannend ein handwerklicher Beruf oder die Ausbildung sein kann.“ Mithilfe persönlicher Erfahrungsberichte, Fotos, Videos und Interviews versucht Jörges über ihren Internetauftritt interessierten Menschen die berufliche Vielfalt, die das Handwerk zu bieten hat, näher zu bringen – und räumt dabei mit Klischees auf: „Nur weil jemand beispielsweise eine Ausbildung zum Maler macht, heißt das noch lange nicht, dass er sein Leben lang auf der Baustelle arbeitet. Durch die praktische Erfahrung stehen einem viele Türen offen – auch in Führungspositionen.“
Jörges beschränkt ihr Engagement jedoch nicht ausschließlich auf den digitalen Raum. Anlässlich des morgigen „Girls’ Days“ gewährt die Malermeisterin im Sprendlinger Mädchencafé, Benzstraße 51, von 9 bis 13 Uhr Schülerinnen aus den Klassen fünf bis zehn einen spannenden Einblick in ihren Beruf: „Wir werden mit verschiedenen Pinseln und Rollen auf Platten und Schablonen malen – die Trockenpausen nutze ich dann, um ein bisschen was über mich und meinen Job zu erzählen“, schildert sie den groben Ablauf. „Die Arbeit mit jungen Menschen macht mir einfach Spaß und wenn ich am Ende des Tages nur ein oder zwei Teilnehmerinnen für das Thema begeistern kann, bin ich schon zufrieden.“
Doch Frauen haben es aufgrund zahlreicher Vorurteile oftmals nicht leicht in handwerklichen Berufen – das weiß auch Jörges. „Viele müssen sich dumme Sprüche anhören oder werden von ihren Kollegen und Kunden nicht ernst genommen“, so die Sprendlingerin. Sie selbst habe bislang „zum Glück“ noch keine schlimmen Erfahrungen gemacht: „Wenn ich den Leuten erzähle, was ich mache, sind sie oft überrascht. Das schlägt dann aber schnell in positive Bewunderung um.“
Um negative Erfahrungen möglichst im Vorfeld auszuschließen, empfiehlt die 24-Jährige sich schon bei der Wahl des Ausbildungsbetriebs intensiv mit dem Unternehmen und dessen Führungsetage auseinanderzusetzen. „Dafür ist beispielsweise ein Praktikum während der Ferien super hilfreich“, sagt sie. Zudem rät sie, immer offen und ehrlich zu kommunizieren – auch die eigenen Schwächen: „Ich kann mit meinen Gesellen alles besprechen und wir hinterfragen uns auch gegenseitig. Ein gesunder Austausch ist wichtig, denn es bringt ja nichts, die eigenen Schwächen zu vertuschen.“
Ihre Entscheidung, eine Lehre als Maler- und Lackiererin anzufangen habe sie daher nie bereut – auch wenn es manchmal anstrengend war. „An das frühe Aufstehen musste ich mich erst mal gewöhnen und durch die körperliche Arbeit auf der Baustelle hatte ich am Anfang ganz schön Muskelkater“, berichtet Jörges. „Wenn du mit dem Herzen dabei bist, macht dir das aber nichts aus.“
Anmeldung
zum „Girls’ Day“ per Mail an maedchencafe-dreieich@web.de oder unter z 06103 370580.
Von Jan Lucas Frenger
