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Mit Blaulicht über den Bosporus

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Von: Nicole Jost

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Gemeinsam mit Helfern aus anderen Bundesländern brachte Frank Müglich Zelte in die Türkei, um obdachlosen Erdbebenopfern ein Dach über dem Kopf zu geben.
Gemeinsam mit Helfern aus anderen Bundesländern brachte Frank Müglich Zelte in die Türkei, um obdachlosen Erdbebenopfern ein Dach über dem Kopf zu geben. © privat

Elf Tage lang war Frank Müglich unterwegs, um gemeinsam mit vielen DRK-Helfern aus dem ganzen Bundesgebiet 40 doppelwandige Winterzelte in die Türkei zu bringen. Der Chef der Bereitschaftsleitung des Dreieicher DRK ist vor zwei Wochen als Verbandführer einer Lkw-Kolonne in Fritzlar aufgebrochen. Insgesamt waren 15 Lastwagen aus Hessen, Berlin und dem Saarland unterwegs in das von Erdbeben hart getroffene Land, um den obdachlosen, verletzten und traumatisierten Menschen mit den Großzelten, die richtige Türen, Böden, Heizungen und auf Wunsch auch Notstromaggregatoren ein Dach über dem Kopf und Schutz vor der eisigen Kälte zu geben.

Dreieich - „Es ist manchmal ein bisschen schwer zu kommunizieren, weil auch Menschen hier in Dreieich gerne helfen möchten. Aber es macht keinen Sinn, Wolldecken aus Deutschland in die Türkei zu transportieren“, sagt der erfahrene Helfer, der 1995 im ehemaligen Jugoslawien und im Sommer 2021 mehrfach im Ahrtal im Einsatz war. Die Hilfsanfrage kam nicht über die Länder, es war ein Hilferuf des Türkischen Roten Halbmondes – der Schwesterorganisation des DRK in der Türke.

Geplatzter Reifen

Vier Tage ist der Konvoi unterwegs, über Österreich, Italien, die Fähre in Ancona und nach Griechenland bis auf türkisches Gebiet. Geschlafen wird im Hotel, wenn das nicht klappt im Lkw. Ganz reibungslos verläuft die Tour nicht. Schon nach 50 Kilometern gibt es den ersten geplatzten Reifen, in München strandet die Gruppe mit einem defekten Steuergerät, 50 Kilometer vor der türkischen Grenze fallen in einem Lastwagen zwei Batterien aus. „In München sind wir schnell dran gekommen und in Alexandropoli hatten wir Glück, dass wir im Hafen Batterien kaufen konnten. Man darf nicht zu ungeschickt sein, wenn man auf so eine Tour geht, die Batterien haben wir selbst eingebaut“, erzählt der Dreieicher. Als „Angstmoment“ beschreibt Müglich das Befahren der Fähre – ein Teil der Lkw musste rückwärts auf das Schiff gefahren werden. Die DRK-Fahrer sind Rechtsanwälte, Ingenieure, Handwerker – keine Berufskraftfahrer. „Aber auch das haben wir hinbekommen“, ist der Dreieicher zufrieden.

Der Gruppe ist beim Start nicht klar, ob sie direkt ins Erdbebengebiet fahren kann. Im ständigen Kontakt mit dem Roten Halbmond wird sie nach Ankara delegiert, in das Hauptlager der Hilfsorganisation. An der türkischen Grenze gibt es eine Warteschlange von sechs Stunden – die Helfer werden vorgelassen. Nach der Grenzstation wartet eine Überraschung: die restlichen 700 Kilometer durch die Türkei wird der Konvoi von der türkischen Polizei mit Blaulicht eskortiert. Keine Ampel, kein Stoppschild, kein Verkehr hält die Lkw mehr auf. „Das war ein Erlebnis: Mit Blaulicht mitten in der Nacht über die große, bunt beleuchtete Brücke am Bosporus zu rollen“, erzählt Müglich.

An der richtigen Stelle

In Ankara wird das DRK von den türkischen Kollegen empfangen. Innerhalb von acht Stunden sind die hessischen und saarländischen Transporter ausgeladen, die Berliner Gruppe braucht etwas länger. „Die Hauptlager in Ankara waren komplett leer. Aus der großen Kaserne heraus werden die Zelte in die Regionen gebracht, wo sie gebraucht werden. Der Rote Halbmond übernimmt den Aufbau und auch den Betrieb der Unterkünfte für die Erdbebenopfer. Wir hatten einen sehr guten Eindruck, alles läuft organisiert und strukturiert. Und die Türken waren sehr dankbar für unsere Hilfe“, ist Müglich überzeugt, dass die Spende im Wert von mehreren hunderttausend Euro an den richtigen Stellen ankommt,

Der Rückweg ist wieder ein bisschen aufregend. Die Fähre ist voll, erst auf dem übernächsten Schiff ist Platz. Nach elf Tagen kommt Müglich zu Hause an. Ein bisschen müde, aber auch mit dem guten Gefühl, wirklich helfen zu können. „Ich würde es immer wieder tun“, sagt er und gibt zu, dass bei einem solchen Einsatz auch die Abenteuerlust mitspielt.

Von Nicole Jost

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