Dreieicher Traditionsunternehmen in Schieflage
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Als ob die Zeiten nicht schon unsicher genug wären. Für die rund 140 Mitarbeiter der Jean Bratengeier Bau GmbH mit Sitz im Gewerbegebiet Buchschlag steht die Vorweihnachtszeit unter einem schlechten Stern.
Dreieich - Das Tiefbauunternehmen, 1888 als Pflasterbetrieb in Sprendlingen gegründet, ist in finanzielle Schieflage geraten. Das Amtsgericht Offenbach hat das Insolvenzantragsverfahren eingeleitet, das voraussichtlich zum 1. Januar eröffnet wird. Der vom Gericht eingesetzte Gläubigerausschuss hat sich für die Fortführung des Geschäftsbetriebs ausgesprochen.
Die familiengeführte Baugesellschaft ist vornehmlich im Rhein-Main-Gebiet und im Rhein-Neckar-Raum tätig. Sie ist Bestandteil einer Firmengruppe mit mehreren Niederlassungen und zählt zu den größten mittelständischen Straßenbau-Unternehmen in Hessen. Der Betrieb wird in vierter Generation geführt und übernimmt Projekte für öffentliche und privatwirtschaftliche Auftraggeber. Zur Einordnung: 2020 machte die Bratengeier GmbH einen Umsatz von circa 27 Millionen Euro. Für 2021 liegen Götz Lautenbach die abgestimmten Zahlen noch nicht vor, aber er geht von einem ähnlichen Volumen aus.
Den Juristen von der Kanzlei BBL Brockdorff hat das Gericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Er ist optimistisch, eine Sanierungslösung für den angeschlagenen Betrieb zu finden. „Die Belegschaft ist bereit mitzuziehen. Auch bei den Auftraggebern sind wir nicht auf Ablehnung gestoßen“, sagt Lautenbach. „In enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung haben wir zwischenzeitlich den Geschäftsbetrieb stabilisiert, erste notwendige Restrukturierungsmaßnahmen vorbereitet und wir werden zeitnah ein tragfähiges Fortführungskonzept entwickeln.“ Lautenbach will noch keine Aussage treffen, warum die Gesellschaft in die Bredouille geraten ist. Die Ursachenforschung sei noch nicht abgeschlossen.
Entlassungen seien derzeit kein Thema, sagt Lautenbach, der alle Arbeitsplätze erhalten möchte. Die seien bis Ende Dezember durch Insolvenzgeld zu hundert Prozent gesichert. Gelungen sei dies im Schulterschluss mit der Bundesagentur für Arbeit und einer Bank, die die Gehälter vorfinanziert habe. Bei der Liquidität des Unternehmens sieht Lautenbach Fortschritte. Einige Auftraggeber seien inzwischen ihren Zahlungsverpflichtungen nachgekommen.
Für die Zukunft sei vieles denkbar. Lautenbach plant, die Gesellschaft im Rahmen einer sogenannten übertragenden Sanierung dauerhaft zu stabilieren. Dazu führt der Fachanwalt für Insolvenzrecht Gespräche in alle Richtungen. Eine Möglichkeit ist der Einstieg eines Investors in Form einer Beteiligung. Eine andere die Übernahme durch einen Mitbewerber, auch der Kreis der bisherigen Gesellschafter könnte eine entscheidende Rolle übernehmen. Mitte Januar, so Lautenbach, gebe es vielleicht schon mehr Klarheit.
Wichtig für die Perspektive 2023: Die Hauptauftraggeber haben nach Lautenbachs Worten die Bereitschaft signalisiert, weitere Aufträge zu erteilen, um damit die Grundlage für die angestrebte Sanierung zu schaffen. Ideal wäre ein milder Winter, damit der Betrieb nach der Weihnachtspause nicht lange ruht. Für den Fall, dass es witterungs- oder konjunkturbedingt schlecht läuft, könnte Kurzarbeit eine Alternative sein.
Nach Einschätzung von Johannes Schader von der IG Bau „sieht es wohl ganz gut aus“ für das Unternehmen. „Wir hoffen, dass es weitergeht“, sagt der Gewerkschaftssekretär. Was die Gründe für die drohende Zahlungsunfähigkeit angeht, hat Schrader zumindest eine ausgemacht: die mangelhafte Zahlungsmoral öffentlicher Auftraggeber. „Tiefbauunternehmen sind von öffentlichen Aufträgen abhängig“, sagt der Gewerkschafter. Kommunen ließen sich aber häufig Zeit, die Rechnungen zu begleichen, reklamierten oft erst mal Mängel. Wenn ein Bauunternehmen mehrere solcher „Kunden“ habe, könne es finanziell in die Klemme kommen. Auch Schader hofft, dass die Auftragslage zu Jahresbeginn eine gute sein wird.
Von Frank Mahn