Dringend U3 Betreuungsplätze in Dreieich gesucht

Marta Encinas Pascual (42) ist verzweifelt: Zum Schuljahresbeginn will die Lehrerin wieder in ihren Job an der Gesamtschule in Lauterborn in Offenbach einsteigen. Bislang hat sie keine ausreichende Betreuung für ihre drei Söhne – fast zwei, fünf und sieben Jahre alt. Ihr Plan ist, mit einer 63 Prozent-Stelle ins Berufsleben zurückzukehren, das sind 16 Stunden vor der Klasse, Vorbereitungszeit und Schul- und Klassenkonferenzen, bei der ihre Anwesenheit Pflicht ist.
Dreieich - Die gebürtige Spanierin lebt mit ihrem Mann seit 2013 in Dreieichenhain. „Viele Dinge sind in Deutschland sehr gut geregelt. Ich habe das ganze Jahr Elternzeit bei allen drei Kindern sehr genossen“, sagt die dreifache Mutter. Aber mit der Betreuung sehe es schlecht aus.
Der älteste Sohn kommt nach den Ferien in die zweite Klasse der Ludwig-Erk-Schule. Einen Platz für die Betreuung oder den städtischen Hort hat die Familie nicht. „Das bedeutet, der Große kommt nach dem Unterricht jeden Tag um 11.30 Uhr nach Hause. Für den Mittleren haben wir einen Kita-Platz in der Winkelsmühle zumindest bis 13 Uhr“, berichtet Marta Encinas Pascual. Die größten Bauchschmerzen bereitet ihr Jüngster. Mit fast zwei Jahren wünscht sie sich für ihn dringend einen Platz in einer U3-Betreuung. Aber auch dafür hat sie eine Absage erhalten. „In dem Schreiben steht, dass wir uns an das Jugendamt im Kreis Offenbach wenden sollen“, sagt die Mutter.
Sie hat gemeinsam mit ihrem Mann beschlossen, beim Kreis Widerspruch einzulegen und auch den Klageweg nicht auszuschließen. Das alles hilft aber zum Start des beruflichen Wiedereinstiegs erst einmal nicht. Die dreifache Mutter steht mit ihrem Mann alleine vor der Betreuungsaufgabe. Sie hat auch andere Wege gesucht, sich um eine Tagesmutter bemüht, die Möglichkeiten für ein Au-Pair-Mädchen durchdacht, bislang noch ohne Lösung. „Ganz ehrlich, meine Freundinnen in Spanien können es nicht glauben, dass es hier solche Probleme gibt. Deutschland verkauft sich nach außen wie ein Bilderbuch-Land bei solch organisatorischen Dingen. Ich habe langsam das Gefühl, dass es nicht erwünscht ist, dass Frauen mit Kindern arbeiten gehen. Uns werden viele Steine in den Weg gelegt.“
Dabei hat sie sich mit ihrer Ausbildung viel Mühe gegeben, sehr um die Verbeamtung in Deutschland gekämpft. Sie ist an einer Brennpunktschule beschäftigt, ihre Aufgabe sei wichtig: „Ich selbst habe viel Glück in meinem Leben, ich kann für diese Kinder, die es zum Teil wirklich nicht leicht haben, die Chancen verbessern“, betont Marta Encinas Pascual. Auch ihr Mann engagiere sich als Reserveoffizier für die Gesellschaft, habe im vergangenen Jahr viele Tage im Ahrtal bei der Flutkatastrophe geholfen. Aber auch die steigenden Kosten für die Lebenshaltung und die Energie seien ein Argument für ein zweites Gehalt in der fünfköpfigen Familie.
Wenn sich jetzt bis zum September die Situation nicht ändert, muss die Familie noch enger zusammenstehen. „Mein Mann ist Ingenieur, er kann zwei Mal in der Woche Homeoffice machen, wir holen die Großeltern ins Boot und ich muss versuchen, meinen Stundenplan so familientauglich wie irgendwie möglich zu gestalten. So werden wir es versuchen. Aber wenn ich merke, es geht nicht, wenn die Kinder drunter leiden, muss ich eben weniger arbeiten“, hofft die 42-Jährige noch auf gute Nachrichten aus der Stadtverwaltung.
Ganz viel Hoffnung kann ihr Claudia Scheibel, Pressesprecherin der Stadt, derzeit nicht machen. „Es ist ja keine neue Nachricht, wir haben nicht ausreichend Plätze für alle Anfragen. Die, die wir haben, werden nach den festgeschriebenen Kriterien vergeben“, erläutert Scheibel.
Die Stadt habe viele Familien auf der Warteliste für die U3-Plätze, die im Hinblick auf die Stundenzahl der Arbeitszeit einen größeren Bedarf haben. Die Kriterien sehen vor, dass berufstätige Alleinerziehende zuerst Plätze bekommen, dann Eltern, die Vollzeit arbeiten, so geht die Vergabe mit sinkender Stundenzahl weiter, bis die Kapazität erschöpft ist. Bei den U3-Plätzen ist es derzeit so, dass die geringste Betreuungsumfang bei 40 Stunden liegt, Eltern also nur einen Platz bekommen, wenn sie mindestens einen Platz für acht Stunden am Tag brauchen. Mit der baulichen Kapazität in den Kitas könnte die Stadt mehr Plätze besetzen, aber sie bekommt nicht ausreichend Personal zur Betreuung.
Das Dilemma bleibt: Die Bundesebene trifft die politische Entscheidung in Sachen Betreuung. Die Kommune, die auf dem leer gefegten Erziehermarkt keine Leute bekommt, ist der Buhmann und muss sich mit den zurecht verzweifelten Familien auseinander setzen. Scheibel bringt es auf den Punkt: „Das ist eine unglückliche Situation, denn Mangelverwaltung macht Niemandem Spaß!“
Von Nicole Jost