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Einzigartige Ausstellung im Dreieich-Museum

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Von: Nicole Jost

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Im Kriegsjahr 1915 sah es bei den Wagners so aus.
Im Kriegsjahr 1915 sah es bei den Wagners so aus. © Museum Charlottenburg-Wilmersdorf

Schon wegen der zauberhaften Weihnachtsfotografien lohnt es sich derzeit, das Dreieich-Museum in Dreieichenhain zu besuchen. Die Besucher erwartet dabei weit mehr, als der Anblick zauberhaft geschmückter Weihnachtsbäume, ein Tisch voller Gaben und ein zu Weihnachten besonders fein gemachtes Ehepaar. Die Weihnachtsausstellung „Weihnachten bei den Wagners – Ein Familienalbum 1900 – 1945“ erlaubt einen sehr intimen Einblick in das Weihnachtsfest eines Berliner Ehepaares über einen Zeitraum von 45 Jahren.

Dreieich - Richard Wagner, ein Bahnbeamter, vermutlich im gehobenen Dienst, hat sich und seine Frau Anna jedes Jahr an Weihnachten im heimischen Wohnzimmer mit dem Selbstauslöser fotografiert. „Ich mag Richard Wagner, er scheint ein Mann mit Humor und Ironie gewesen zu sein“, sagt Corinna Molitor, die Museumsleiterin des Geschichts- und Heimatvereins. „Ich würde so gerne viel mehr über die Wagners wissen, aber uns bleibt nur dieser kleine Einblick über ihr Leben an Weihnachten.“

Diese Fotos, das erste ist aus dem Jahr 1900, sagen so viel über das Leben in Berlin in dieser bewegten Zeitspanne der deutschen Geschichte bis ins Jahr 1945. Das junge Paar ist im neuen Jahrtausend auf dem ersten Foto sehr festlich, Richard im Gehrock, Anna im schwarzen Kleid mit weißer Schürze. Der kleine Weihnachtsbaum – auf dem Tisch stehend und traditionell mit Lametta und meist mit Strohsternen geschmückt – bleibt neben dem Ehepaar die wichtigste Konstante. Nach dem Umzug in ihre Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung im Bayerischen Viertel in Berlin-Schöneberg im Jahr 1911 bleibt die Kulisse identisch. Die karierte Tapete, die Vorhänge, die goldene Lampe, die man nicht auf allen Fotos sehen kann. Alles andere spiegelt so deutlich die jeweilige Zeitgeschichte wieder, denn die Wagners erleben zwei Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise und den Aufschwung der Nazis. Ein genauer Blick auf die Din- A4 großen Schwarz-Weiß-Fotografien lohnt sich. Eine Historikerin hat die Fotos mit spannenden Informationen aus dem Berlin im jeweiligen Jahr hinterlegt, sodass der Betrachter die Bilder auch gut in das Zeitgeschehen einordnen kann.

1915 herrscht bei den Wagners trotz des Ersten Weltkriegs noch Wohlstand. Anna und Richard Wagner haben viel Essen auf dem Tisch, die Landkarte der Truppenbewegungen zeigt, wie optimistisch das Paar in Bezug auf den Ausgang des Kriegs ist. 1917 sieht das schon ganz anders aus. Das Land steckt in der Kohlekrise, die Wagners feiern im offensichtlich kalten Wohnzimmer im Mantel ihr Weihnachtsfest. „Sie scheinen auch eher konservativ gewesen zu sein. Das Porträt von Kaiser Wilhelm hängt auch 1921 noch im Wohnzimmer – da war er längst im Exil in Holland“, weist Corinna Molitor auf eines der vielen kleinen Details, die auf den Bildern zu entdecken sind, hin. 1924 feiert das Ehepaar im Hauskleid und in gestreifter Hausjoppe – heute wohl gleichzusetzen mit dem bequemen Jogginganzug, aber doch irgendwie deutlich stilsicherer.

An den Geschenken lässt sich der technische Fortschritt ablesen – schon früh bekommt Anna Wagner von ihrem Mann einen Staubsauger, ein elektrisches Bügeleisen, einen Föhn oder auch eine Kochkiste. Hat der Baum zu Beginn des Jahrhunderts noch Wachskerzen, ziehen im Laufe der Jahrzehnte elektrische Kerzen ein. 1930, inzwischen schon im etwas fortgeschrittenem Alter, was man den beiden schön in ihren langsam älter werdenden Gesichtern ablesen kann, steht ein „Massagegerät mit Widerstand“ auf dem Wohnzimmertisch – zum Erlangen schlanker Fesseln“.

Die Bilderserie nutzen die Wagners als Weihnachtskarten für Verwandte und Freunde. So sind die alten Fotografien eher durch einen glücklichen Zufall in den Besitz des Museums Charlottenburg-Wilmersdorf geraten. Corinna Molitor will die Ausstellung schon lange zeigen, und ist froh, dass es jetzt endlich gelungen ist. Ab Mitte November ist zudem der mobile Kleiderschrank der KulturRegion Frankfurt RheinMain zu Gast. Dann gibt es noch mehr Fotos und Kleidungsstücke rund um Weihnachten im Dreieichmuseum zu sehen.

Geöffnet ist die Ausstellung bis zum 16. Januar, samstags von 14 bis 18 Uhr und sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei, aber Spenden zur Erhaltung der Burg werden gerne angenommen.

Von Nicole Jost

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