Geld „für alle Zeiten weg“: Energieversorger warnt vor Abzocke bei Energiepreisbremse
Nachdem der Chef der Stadtwerke Dreieich sich an die Bundesregierung gewandt hatte, besserte diese bei der Energiepreisbremse nach. Nicht genug, ist Steffen Arta überzeugt.
Dreieich - Anfang November setzte Steffen Arta eine mediale Welle in Gang und wurde zu einem bundesweit gefragten Interviewpartner. In einem offenen Brief, zu dessen Empfängern Bundeskanzler und Wirtschaftsminister gehörten, warnte der Dreieicher Stadtwerke-Chef vor einem Schnellschuss bei der Umsetzung der Strompreisbremse. Welchen Einfluss Artas Schreiben hatte, lässt sich nicht abschätzen. Aber: Die Bundesregierung ließ sich mehr Zeit als geplant und besserte nach.
Vor wenigen Tagen nun hat der Bundestag die Preisbremsen für Strom und Gas gebilligt. Auch der Bundesrat hat seinen Segen gegeben. Heißt: Für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs sollen die Kunden maximal 40 Cent pro Kilowattstunde Strom zahlen müssen, für Gas zwölf Cent. Pro jede weitere Kilowattstunde gilt der Marktpreis des jeweiligen Energielieferanten. Die Bremsen greifen im März, gelten aber rückwirkend für Januar und Februar.
Stadtwerke Dreieich: Chef Arta befürchtet fehlende Kontrolle bei Energiepreisbremse
Arta findet es grundsätzlich richtig, dass der Staat Bürger entlastet, die unverschuldet in finanzielle Not geraten. Die Gesetze zu den Preisbremsen sind für ihn deshalb prinzipiell in Ordnung: Sie enthalten einen Missbrauchsparagrafen, der Mitnahmeeffekte bei Energielieferanten verhindern und Verbraucher vor Abzocke schützen soll.

In der Theorie, denn: „Der Vollzug des Gesetzes wird nicht möglich sein“, meint der Stadtwerke-Chef. „Die Bundesregierung hat das Bundeskartellamt mit der Kontrolle betraut. Das Amt hat meiner Ansicht nach eine Aufgabe übertragen bekommen, die es weder personell noch fachlich erfüllen wird. Es wird nicht in der Lage sein, flächendeckend und schnell zu untersuchen, ob die Tarife hochpreisiger Anbieter gerechtfertigt sind.“ Die Bundesregierung habe dem Kartellamt den Schwarzen Peter zugeschoben, so Arta.
Große Preisunterschiede bei Strom und Gas: Stadtwerke-Chef in Dreieich warnt vor Energiepreisbremse
Für den Geschäftsführer stellt sich die Frage, ob die Tarife hochpreisiger Energielieferanten, die zum 1. Januar in Kraft treten, noch auf den Prüfstand kommen oder der Missbrauchsparagraf erst bei weiteren Anpassungen angewendet wird. „Letzteres wäre meiner Ansicht nach fatal, denn wir haben in Deutschland bei Strom für Haushaltskunden ab Januar in der Grundversorgung eine Spanne von rund 37 bis über 60 Cent pro Kilowattstunde. Diese große Preisdifferenz lässt sich bei einer seriösen Beschaffungspolitik durch die derzeitige Marktentwicklung kaum abbilden.“
Die Stadtwerke Dreieich beispielsweise verlangen in der Grundversorgung 37,50 Cent, die Stadtwerke München erhöhen ab Januar auf 62 Cent. Die Preise in Dreieich sind kein Einzelfall, auch etliche andere Anbieter bleiben unter den staatlichen Deckelbeiträgen.
Stadtwerke Dreieich: Chef Steffen Arta befürchtet bei Energiepreisbremse schwarze Schafe
Arta befürchtet, dass sich schwarze Schafe der Branche die Taschen vollmachen werden. „Daran ändert die Aufnahme des Missbrauchsparagrafen in der aktuellen Ausgestaltung wenig. Er verhindert bei festgestelltem Missbrauch lediglich den Anspruch auf Staatsgelder.“ Entscheidend ist nach seiner Meinung, das Bundeskartellamt zunächst fachlich und personell „kontrollfähig“ zu machen.
Zudem müsse sichergestellt werden, dass zumindest solche Preisanpassungen zum 1. Januar auf Plausibilität geprüft würden, die auffallend hoch seien. Die Gesetze schreiben vor, dass nur gestiegene Beschaffungskosten weitergegeben werden dürfen. Dieser Tatbestand müsse dem Kartellamt gegenüber belegt werden, so Arta.
Chef der Stadtwerke Dreieich fordert mehr Investitionen in Energiewende statt Energiepreisbremse
Er appelliert an die gesellschaftliche Verantwortung aller beteiligten Akteure: der Politiker, der Energielieferanten und der Verbraucher. Nach drei Jahren Corona-Pandemie, Energiekrise im Winter, Inflation und steigenden Zinsen hätten die Leute keine Kraft mehr für Krise. Es sei die ureigenste Verpflichtung aller, der Krise aktiv und beherzt entgegenzutreten, anstatt ihre Auswüchse weiter zu subventionieren.
„Das Geld, das in den Energiepreisdeckel fließt, ist für alle Zeiten weg“, betont der Geschäftsführer. „Es wäre besser, das Geld konsequent in die Forcierung der Energiewende zu stecken und Verbraucher für nachhaltiges Energiesparen zu belohnen.“
Chef der Stadtwerke Dreieich beklagt sorglosen Umgang mit Steuergeld bei Energiepreisbremse
Jeder Sonderfonds und jede Subvention würden am Ende von Steuergeldern finanziert, also von Bürgern und Unternehmen. „Von daher müsste es doch für jeden selbstverständlich sein, mit Staatsgeldern sorgsam umzugehen – anstatt Gesetzeslücken auszunutzen“, meint Arta.
Er fordert von der Bundespolitik ein ganzheitliches, praktikables Konzept für die Realisierung einer sicheren und klimaneutralen Energieversorgung. „Und wenn wir dann noch den bürokratischen Aufwand abbauen würden, könnten wir Unabhängigkeit von Energieimporten und Klimaschutz schaffen.“ (Frank Mahn)