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Halb leere Kitas in Dreieich mit Leben füllen

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Von: Frank Mahn

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Umfangreiche Stoffsammlung: Aber nicht alles ist neu, was sich die Eltern von der Verwaltung wünschen. Vieles wird schon praktiziert oder ist in Vorbereitung.
Umfangreiche Stoffsammlung: Aber nicht alles ist neu, was sich die Eltern von der Verwaltung wünschen. Vieles wird schon praktiziert oder ist in Vorbereitung. © -privat

Das Problem ist alles andere als hausgemacht. Nahezu alle Kommunen im Ballungsraum sind händeringend auf der Suche nach Personal für ihre Kindertagesstätten. In Dreieich fehlen aktuell 36 Vollzeitkräfte – und der Bedarf steigt stetig.

Dreieich - Die Stadt baut seit einigen Jahren, was das Zeug hält. Nur drei Beispiele: Die Kitas Wilhelmshof, Winkelsmühle und Gravenbruchstraße wurden erweitert, zig Millionen investiert. Um die Bauzeit zu verkürzen, setzt die Stadt zunehmend auf Modulbauweise. Nimmt man den Neubau der Krippe im Baugebiet Heckenborn dazu, sind in den vergangenen vier Jahren rund 250 Betreuungsplätze entstanden. Klingt gut, hat aber einen gewaltigen Haken: 177 der Plätze können derzeit nicht belegt werden, weil es an Fachkräften fehlt.

Nun ist es beileibe nicht so, dass die Stadt die Hände in den Schoß legt und hofft, dass ihr die Erzieherinnen zugeflogen kommen. Sie hat seit 2020 eine Vielzahl von Anreizen geschaffen, um sich als Arbeitgeberin attraktiv zu machen. Aber die Konkurrenz ist groß, Bewerberinnen (in der Regel sind es Frauen) können sich die Rosinen rauspicken. Nach heutigem Stand schließt die Stadt ihre Kita-Ausbauoffensive 2028 ab, weil die Nachfrage dann – nach bisheriger Prognose – bedient werden kann. Dazu braucht es weitere 100 Fachkräfte.

„Wir sind nicht da, wo wir sein wollen“, sagt Bürgermeister Martin Burlon bei einer vom Stadtelternbeirat initiierten Diskussion, die den Fachkräftemangel in den Fokus rückt. „Wir wollen und wir müssen noch besser werden, um den Rechtsanspruch erfüllen zu können“, schickt der Verwaltungschef hinterher. Das hören der Elternbeirat um Vorsitzende Tina Vieweber und die Mütter und Väter im Bürgerhaus gern. Das Gremium hat die Veranstaltung organisiert, um weitere kreative und innovative Ideen zur Personalgewinnung zu sammeln, wie Vieweber sagt. „Uns geht es hier nicht ums Meckern, sondern ums Machen.“ Es sei wichtig, dass alle Beteiligten das Thema gemeinsam erörterten. „Wir haben bislang vermisst, dass alle auf Augenhöhe miteinander gesprochen haben“, sagt Vieweber. Der Vorstand wünsche sich eine Wiederholung des Formats, am besten schon vor den Herbstferien.

Wie sich anfangs herausstellt, ist die Verwaltung beim Recruiting schon auf etlichen Feldern unterwegs oder zumindest auf dem Weg dahin. Zu den Standards zählen inzwischen: Jobticket, übertarifliche Bezahlung, höheres Entgelt für Teilzeitausbildung und Sozialassistentinnen, Abschlussprämie bei Übernahme von Jahrespraktikantinnen und die Ausbildung eigener Fachkräfte. Auch ein Budget für Lärmschutzmaßnahmen wurde eingerichtet, denn dieser Wunsch stand bei einer Umfrage unter dem Personal 2019 an erster Stelle.

Digitales Recruiting, verstärkte Nutzung von Social Media, Prämie bei Aufstockung von Teilzeit um mindestens fünf Stunden, Werbeprämie, Anwerbung von Fachkräften aus Italien, Spanien und Griechenland über die Agentur für Arbeit (Euris-Projekt) und das darauf spezialisierte Unternehmen Helmeca, Bildungsnachmittage, Einführung von „Talk‘n Job“ (Sprachbewerbung via Handy als erste unkomplizierte Kontaktaufnahme) und die Verbesserung des Internet-Auftritts sind aktuell unter anderem in der Mache oder in der Vorbereitung. Clou: Von jeder Kita soll es einen kurzen Videoclip geben, der die Vorzüge der jeweiligen Einrichtung hervorhebt. Einen Trailer gibt’s an dem Abend schon mal zu sehen – fetzig unterlegt mit der Titelmelodie von „Mission: Impossible“.

„Wir haben alle nur erdenklichen Teilzeitmodelle“, sagt Andreas Feldmann. Der Leiter des Fachbereichs Verwaltungssteuerung und Service erläutert gemeinsam mit Anne Stein, Ressortleiterin Kinderbetreuung, die Lage aus Sicht der Stadt und wie man sie zu verbessern gedenkt. Was die Vollzeitbeschäftigungsquote angeht, liegt Dreieich mit 58 Prozent weit über den Durchschnitt, im Kreis Offenbach beträgt sie 43,6 Prozent. Die Stadt setzt aber auch auf Quereinsteiger. Als Beispiele nennt Stein einen Schreiner, einen Theaterpädogen und eine Physiotherapeutin.

WLAN in allen Kitas, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für Erzieherinnen, Job-Rotation, Sportangebote oder Rückenschule, Übernahme von Zeitarbeitskräften (auch durch Ausbildung), Finanzierung von Team-Events oder auch Grillabende mit dem Bürgermeistern als Zeichen der Wertschätzung – aus den Reihen der Elternschaft kommen zahlreiche Anregungen. Manches ist neu, manches auch schon in Arbeit. Wichtig sei es nicht nur, Personal zu gewinnen, sondern das aktuelle zu halten, so der Tenor. Und deshalb müsse die Zufriedenheit häufiger abgefragt werden – die letzte Umfrage datiert aus 2019. Am besten wäre nach Auffassung der Eltern eine jährliche Wiederholung. Potenzial sehen sie auch beim Bewerbungsverfahren. Eine sofortige automatische Antwort als erster Schritt sei nicht ausreichend. Besser wäre es, die Bewerber zeitnah anzurufen und einen Termin für eine Videokonferenz zu vereinbaren, damit diese keinen Urlaubstag opfern müssten.

Der Stadtelternbeirat hat derweil beschlossen, eine Zoom-Sprechstunde für beratungssuchende Eltern einzuführen, um die Stadtverwaltung zu entlasten, berichtet Tina Vieweber im Nachgang zu dem Abend.

Von Frank Mahn

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