Hexenberg als riesiges Gebirge

Dreieich - Der Einladung zur „Zeitreise durch unsere Gegend“ sind die Dreieicher außergewöhnlich zahlreich gefolgt. Von Sina Beck
Ein dichtes Gedränge herrscht rund um die ausgelegten Schätze, die am gestrigen Sonntag im Gemeindehaus der Erasmus-Alberus-Kirche zu bewundern sind: Mit der Ausstellung „DREY EICH – Eine Landschaft auf alten Karten“ haben die Freunde Sprendlingens historische Exponate mit teils kuriosen Besonderheiten gezeigt.
Mit den Himmelsrichtungen wurde es augenscheinlich nicht immer so genau genommen: Mal liegt auf den Karten, die im Gemeindehaus der Erasmus-Alberus-Kirche ausgestellt sind, der Norden dort, wo Süden sein sollte, mal im Osten. Dafür wurde dazumal bei der Planung der Landstraße von Bayerseich nach Sprendlingen geometrisch schon sehr gut gearbeitet, wie die in der Mitte des Saals ausliegenden Karten belegen. In Kupfer gestochene Stadtbilder und Parzellenbücher ergänzen die außergewöhnliche Ausstellung, bei der rund 50 Karten von 1565 bis 2010 zum genauen Hingucken – gelegentlich wird sogar eine Lupe gezückt – einladen.
Auch wenn den Besuchern bei der einmaligen Schau sieben Stunden zur Verfügung stehen, wäre es vermutlich unmöglich, jedes nennenswerte Detail zu entdecken. Wilhelm Ott, Vorsitzender des Heimatkundevereins Freunde Sprendlingens, macht deshalb in einer kleinen Führung auf Besonderheiten aufmerksam: So findet sich auf manchen Karten eine rätselhafte Stadt, Kilstede, bei der es sich vermutlich um Königsstädten handelte. Auch eine Mühle in Egelsbach sorgt für Aufsehen, gibt es doch sonst keine Nachweise für deren Existenz.

Gerade die Originalkarten sind die „Schätzchen“ der Ausstellung, nehmen es aber mit der Realität nicht immer so genau. Da wird der Hexenberg in Form eines riesigen Gebirges dargestellt, rund um Sprendlingen sind auf mehreren Karten drei Weiher eingezeichnet und der Hengstbach mündet laut einer Darstellung aus dem Buch von Carl Friedrich von Buri aus dem Jahr 1744 bei Kelsterbach in den Main – „damals konnte man sich nicht vorstellen, dass ein Fluss einfach so entwässert“, erklärt Ott den interessierten Besuchern.
Davon abgesehen ist jedoch bemerkenswert, wie genau die Karten in ihren Darstellungen sind: In der hessischen Topografie von Matthäus Merian (Topographia Hassiae, 1646) beispielsweise sind die beiden Hirschsprung-Steine sehr gut zu erkennen. „Man muss im Hinterkopf haben, wozu die Karten dienten. Es waren die Navigationsgeräte von damals“, verbildlicht Achim Seibert, heute inoffiziell mit dem Titel „Jäger und Sammler“ gekürt, der für die Ausstellung einige Schätze aus seinem Fundus bereitgestellt hat. Die besondere Kostbarkeit (sie ist einer der 16 Bände der Topographia Germaniae) befindet sich schon seit 30 Jahren in seinem Besitz, ist aber längst nicht die einzige.
Den ganzen Satz der „Haas’schen Situations Karten“ (um 1800), die auf insgesamt 24 faltbaren Blättern die Gegenden von Königstein über Frankfurt und Mannheim bis Heidelberg zeigen, hat Seibert ebenfalls ergattern können: „Das war ein Glücksgriff bei Ebay“, gibt der Offenthaler freimütig zu, der ein wachsames Auge auf seine wertvollen „Schützlinge“ hat – schließlich findet man die meisten sonst nur in großen Museen und Archiven.
Das unterstreicht, ebenso wie die Interessierten, die sich neugierig um die historischen, zum Teil noch nie öffentlich gezeigten Karten versammeln, die Einzigartigkeit dieser Ausstellung, die anlässlich des 40-jährigen Bestehens der Stadt stattfindet.