Hochwasserschutz: Kaum Aussicht auf Verbesserungen – Menschen verlieren Vertrauen

Die Überschwemmungen in Dreieich im Kreis Offenbach haben eine Menge Fragen zum Hochwasserschutz aufgeworfen. Jetzt antwortet das Rathaus – oft schablonenhaft.
Dreieich – Mehr als 180 Tote, verwüstete Dörfer, heimatlose und verzweifelte Menschen, die nicht wissen, wie es weitergeht. Bilder der verheerenden Flut in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz führen uns seit Wochen die zerstörerische Kraft der Natur vor Augen. Was die Dreieicher, allen voran die Sprendlinger, im Juni und Juli bei den Starkregenereignissen erlebten, ist damit nicht vergleichbar.
Aber auch hier entstanden enorme Schäden durch vollgelaufene Keller. In der Sprendlinger Altstadt ließ der Hengstbach am Dienstagabend erneut die Muskeln spielen, trat übers Ufer. „Gott sei Dank flachte der starke Regen ab und wir wurden von Hochwasser verschont“, schildert eine Anwohnerin.
Hochwasserschutz in Dreieich (Kreis Offenbach): Umsetzung von Plänen lässt warten
Die Grünen haben den Magistrat vor Kurzem mit einer Reihe von Fragen zum Hochwasserschutz konfrontiert. „Ich bin irritiert über Verlautbarungen aus dem Rathaus, dass bei uns alles in Ordnung ist. Das glauben viele Menschen in dieser Stadt nicht mehr“, meint Fraktionssprecher Roland Kreyscher. Deshalb wollten die Grünen wissen, ob Regenrückhaltungen, Staukanäle und Flutmulden funktionierten und ausreichend dimensioniert sind und ob weitere Maßnahmen geplant sind.
Erfahren wollten sie zudem, wann zur Verbesserung des Hochwasserschutzes mit der Umsetzung von längst beschlossenen Bebauungsplänen im Verlauf des Hengstbachs zu rechnen ist. Das zielt zuvorderst auf den Ponyhof in Dreieichenhain ab, für den der Kreis eine Abrissverfügung erlassen hat.
Hochwasserschutz in Dreieich im Kreis Offenbach: Flächen für Maßnahmen „sehr begrenzt“
Die Antworten fallen in weiten Teilen schablonenhaft aus. Eine Untersuchung werde es nicht geben, Regenrückhaltebecken und Stauraumkanäle seien ordnungsgemäß ausgelegt, so Erster Stadtrat Markus Heller. Für weitere Maßnahmen stünden nur „sehr begrenzt“ Flächen zur Verfügung. Um sie zu identifizieren, müsste eine umfassende Studie her. Weil der Hengstbach in der Ortslage von Sprendlingen in einem Kastenprofil mit zum Teil direkter Bebauung auf der Ufermauer verläuft, seien dort wahrscheinlich keine weiteren Sicherheitsvorkehrungen möglich, führt der Baudezernent aus.
Nach den Worten Hellers kann mit der Umsetzung des angesprochenen Bebauungsplans erst begonnen werden, wenn die illegal errichteten Stallungen beseitigt sind. Der Stadtrat verweist allerdings auf die angespannte Situation im Fachbereich Planung und Bau. „Sobald das Gelände frei ist, kann im Rahmen der vorhandenen personellen und finanziellen Ausstattung mit der Umsetzung begonnen werden.“
Hochwasserschutz in Dreieich (Kreis Offenbach): Weiher nahe Freibad mögliche Überflutungsfläche
Auf die Idee der Grünen, den trockenen Maria-Hall-Weiher nahe dem Freibad als Überflutungsfläche zu reaktivieren, „sind wir auch schon gekommen“, sagt Bürgermeister Martin Burlon. Allerdings zögen sich die Gespräche mit dem Regierungspräsidium in die Länge, „weil es dort zwei Meinungen gibt“.
Besonders betroffen waren bei den Hochwasserereignissen diesmal auch Anwohner der August-Bebel-Straße. Die Grünen – und nicht wenige Betroffene – vermuten deshalb, dass die abgesoffenen Keller im Zusammenhang mit der Baustelle stehen. Fragen, die daraus resultieren: Ist das Abwassersystem dort richtig dimensioniert? Wo sieht der Magistrat die Gründe für die Überflutungen? Kommen für die Stadtregierung kurzfristige Verbesserungen in Betracht, weil die Baustelle noch nicht abgeschlossen ist?
Hochwasserschutz in Dreieich (Kreis Offenbach): Kein Handlungsbedarf an Kanälen
Markus Heller schließt einen Zusammenhang kategorisch aus. „Das Kanalsystem ist gemäß den bestehenden Vorgaben des Regierungspräsidiums hydraulisch dimensioniert und somit richtig.“ Mithin gebe es keinen Handlungsbedarf. Die August-Bebel-Straße sei ein Geländetiefpunkt, mit der Folge, dass sich dort bei starken Unwettern das Wasser sammle. Der Magistrat rückt die Eigensicherung der Grundstückseigentümer in den Vordergrund. „Häufig sind fehlende oder nicht mehr funktionsfähige, da womöglich nicht regelmäßig gewartet, Rückstausicherungen bei Gebäuden die Ursache für das Eindringen von Wasser bei starken Unwettern. Zu wenig Beachtung finden auch oft die baulichen Gegebenheiten wie Treppenabgänge oder Lichtschächte, die ebenfalls gegen eindringendes Wasser zu schützen sind.“
Und wie geht’s weiter? Bevor neue, teure und zeitintensive Studien in Auftrag gegeben werden, soll das Archiv durchforstet werden. Denn Untersuchungen und Bebauungspläne zum Hochwasserschutz gibt es schon seit den 70er Jahren. Vieles wurde aber nicht umgesetzt. Das Material soll als Basis fürs weitere Vorgehen dienen. (Frank Mahn)