Pandemie-Hoch von Inflation abgewürgt

Während der Pandemie gab es wenige Gewinner. Für die Wochenmärkte bedeutete Corona aber einen spürbaren Aufschwung: Die Leute waren die meiste Zeit zu Hause, die Restaurants geschlossen und viele richteten den Fokus auf eine gesunde und frische Ernährung. „Wir wussten, dass wir mittelfristig wieder Umsatzrückgänge haben würden, aber mir war nicht klar, dass wir es so deutlich spüren werden“, sagt Werner Ewald, der mit seinem Obst- und Gemüseanbau im September 1979 schon zu den Mitbegründern des Sprendlinger Wochenmarktes zählte.
Dreieich - Das Familienunternehmen aus Trebur ist der größte Beschicker auf dem Kerbplatz. „Wir haben einen Umsatzrückgang von 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu den Geschäften während der Pandemie“, sagt Ewald. Gut 90 Prozent der Käufer, die sich donnerstags zwischen sieben und halb eins mit Obst und Gemüse eindecken, sind Stammkunden. „Wir merken aber auch, dass es weniger sind und die Leute gezielter einkaufen. Man merkt, dass die Menschen mit all den Krisen und Preisteuerungen mehr aufs Geld achten müssen.“
Hohe Energiekosten
Ewald hat mit hohen Energiekosten und den Teuerungen durch den erhöhten Mindestlohn erhebliche Mehrausgaben. Der Hof hat eine eigene Dieseltankstelle für die elf Traktoren, die während der Saison brummen. Die Preissteigerungen bei Energie- und Personalkosten bezeichnet Ewald als horrend, sie belaufen sich bei ihm auf rund 40 000 Euro im Jahr.
Der Betrieb ist ein größerer seiner Art. Ewalds Sohn beliefert mit dem auf vielen Hektar angebauten Gemüse auch den Großhandel. „Das ist toll für uns, weil wir bei viel Anbau auch eine große Auswahl an sehr guter Qualität für den Marktstand haben“, sagt der Verkäufer. Die ganze Familie Ewald zieht an einem Strang, Tochter, Schwiegertochter und Enkel helfen im Betrieb. Außerdem sind 30 Saisonarbeitskräfte über die Pflanz- und Erntezeit im Einsatz.
Um drei Uhr aufstehen
Die Arbeit auf dem Markt liebt Werner Ewald trotz der Veränderungen. Eigentlich könnte er mit seinen 68 Jahren langsam an den Ruhestand denken. „Das geht gar nicht, ich brauche diese Arbeit“, sagt der Gemüsebauer schmunzelnd. Auch wenn sie mit Strapazen verbunden ist: Damit er um sieben in Sprendlingen stehen kann, muss er um drei aufstehen, weil er auf dem Großmarkt Ware zukauft, die er selbst nicht anbaut. „Das halten wir auch ganz transparent und schreiben auf die Tafel, was von uns als Direkterzeuger kommt“, so Ewald. Aus diesem Grund kommt auch Anna Reinhardt gerne an den Stand aus Trebur: „Ich liebe die frischen Produkte aus der Region. Ich kann hier genau anschauen und auswählen, welchen Salat ich haben möchte“, sagt sie. Meistens hat sie im Kopf, was sie einkaufen möchte, oft lässt sie sich aber inspirieren, was es frisch gibt.
Die Nachbarstände haben ein ähnliches Gefühl wie der Gemüsehändler. Es ist nicht ganz schlecht, aber die Geschäfte gingen auch schon besser. „Das Kundenaufkommen ist schon geringer geworden. Wir hatten Zeiten, da haben sich an unserem Stand richtige Schlangen gebildet. Das haben wir im Moment fast nie“, berichtet Anabell Marohn von der Metzgerei Rettig, die Odenwälder Spezialitäten aus eigener Herstellung auf dem Markt verkauft. „Klar, besser kann es immer sein. Aber ich bin zufrieden, ich hatte es mir schwerer vorgestellt“, sagt ihr Standnachbar Reza Shamoradi, der an seinem Feinkoststand allerlei Leckereien anbietet.
Von Nicole Jost